Poppige Farben auf goldenem Grund neben tiefschwarzer Brautkleidung: Donauschwäbische Trachten geben überraschende Einblicke in die einstige Lebenswelt von Frauen und Mädchen. Diese Welt war eng, denn feste dörfliche und kirchliche Regeln bestimmten das Leben – besonders das weibliche. Diese Welt war aber auch weit, denn sie bot die Vielfalt einer multikulturellen Gesellschaft, deren Einflüsse Frauen und Mädchen aufnahmen und weitergaben.
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Eine internationale Wanderausstellung zeigt von 2024 bis 2026 die wertvollsten Stücke aus der Textilsammlung des Donauschwäbischen Zentralmuseums: Frauen- und Mädchenkleidung von 1880 bis 1990. Die Kleidungsensembles, die aus bis zu 15 Teilen bestehen, sind komplett erhalten geblieben. Sie verdeutlichen die enge Beziehung zwischen Menschen und ihren Kleidern – vom Arbeitsgewand bis zur Brautausstattung, von der Mädchentracht bis zum Totenkleid. Das Besondere: Mit jeder Tracht ist eine weibliche Lebensgeschichte verbunden.
Zum Beispiel die Geschichte der 14-jährigen Katharina Just: Um das Jahr 1943 herum begleitet sie ihren Vater, einen Bauern, in den Nachbarort, wo er eine Kuh verkaufen will. Da entdeckt das Mädchen im Schaufenster des jüdischen Stoffgeschäfts Engelmann einen goldgelben, fantastisch gemusterten Stoff. Katharina ist hingerissen und bittet ihren Vater, ihn für sie zu kaufen. Solcher „Bauernbrokat“ aus der damals hochmodischen Kunstseide ist um 1940 in reichen ungarndeutschen Dörfern ein Verkaufsschlager. Jenő Engelmann bezieht ihn für seine Kundschaft extra aus Wien. Allerdings ist das prachtvolle Material sehr teuer. Katharinas Vater verspricht, ihr den Stoff zu kaufen, falls sie die Kuh loswerden. Und wie das Glück es will: Auf dem Heimweg kaufen die beiden den goldenen Stoff für Katharinas neues Festgewand.

 Entweder hast du Feld gekauft oder Anzuziehen – es gab ja sonst nichts!

Elisabeth Mausz, geboren 1932
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Solche Erinnerungen schildern viele Frauen, wenn sie ihre alten, Jahrzehnte lang aufbewahrten Trachten ins Donauschwäbische Zentralmuseum bringen. Das Museum sammelt diese Geschichten aus dem Alltag, die fröhlichen und die traurigen Momente, den leichten und den schweren Erzählstoff. Dass sich weibliche Lebenserinnerungen besonders häufig als Kleidungsstücke knüpfen, ist kein Zufall: Kleidung war bei den Donauschwaben ganz klar Frauensache.
Hinzu kommt, dass jedes Kleidungsensemble der Ausstellung ein Unikat ist, geschaffen für eine bestimmte Person. Denn bis zum Zweiten Weltkrieg wurde Kleidung nicht in Massen produziert, sondern nach Maß angefertigt. Mädchen und Frauen stellten sie eigenhändig her, passten sie an, reinigten und reparierten sie. So gestalteten Frauen selbst ihre äußere Erscheinung, waren jedoch gleichzeitig gefangen in festen Benimmvorschriften. Sie orientierten sich an der dörflichen Tradition, begeisterten sich aber auch für neumodische Stoffe und die Farbenfülle der benachbarten Ungarn.
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Mieder und Schürzen, Hauben und Kopftücher, weite Röcke und Schultertücher: Beeindruckend ist die Menge und Vielfalt traditioneller, heute ungebräuchlicher Kleidungsstücke in der Museumssammlung. Der Begriff „Trachten“ drängt sich auf, kennen wir doch Derartiges von Trachten- und Folkloreveranstaltungen. Auch die Donauschwäbinnen übernahmen nach dem Zweiten Weltkrieg die Bezeichnung Tracht für ihre mitgebrachten Kleider – aber erst, als sie diese abgelegt hatten. Solch eine gerettete „Tracht“ war kostbar und einzigartig. Die Besitzerin konnte sie bei Heimattreffen vorführen und dafür Anerkennung ernten, während sie sich außerhalb dieses Kreises äußerlich anpassen musste, um sich eine neue Zukunft aufzubauen.
Zuvor jedoch — so lange Kopftuch, Leibchen und Schürze sich noch täglich in Gebrauch befanden — hießen sie bei den Donauschwäbinnen nicht Tracht, sondern „Gewand“. Von Ort zu Ort, von Region zu Region unterschied sich die Zusammensetzung der einzelnen Teile, die Schnitte, Materialien und Farben, Verzierungen und Verarbeitungsweisen. In seinen Details drückte jedes Gewand die Zugehörigkeit zu einem Dorf, einer Ethnie, einer sozialen Gruppe oder Konfession aus. Es folgte einem Code, den die Einheimischen genau zu deuten wussten und dessen Einhaltung von Nachbarschaft und Kirche überwacht wurden. Dieses nonverbale Zeichensystem genau einzuhalten, verlangte von Frauen und Mädchen einerseits die Bereitschaft zur Anpassung, gab ihnen aber auch Verhaltenssicherheit in ihrer engeren Umgebung. Und innerhalb des Systems konnte jede von ihnen ein bisschen anders aussehen als die Anderen: Borten, Posamente und Zierknöpfe ließen sich mit den gerade gängigen Stoffen nach individuellem Geschmack kombinieren, Schürzen, Kopf- und Schultertücher damit nach Wunsch zusammenstellen.
Doch es gab bei den Donauschwäbinnen nicht nur das Gewand (das wir heute mit dem Wort Kleidung bezeichnen würden), das sich stetig wandelte und an die Bedürfnisse der Trägerin anpasste.
Ab 1920 beeinflussten nationalistische Strömungen die Kleidung der Donauschwaben und ihrer Nachbarn. Ethnische Unterschiede wurden betont. Viele deutsche Dörfer feierten in dieser Zeit ihr Einwanderungsjubiläum. Nun entwickelten die Bewohner immer mehr Interesse an ihren kulturellen Wurzeln. Beim Festumzug der Jubiläumsfeier verkleideten sie sich fantasievoll als deutsche Ansiedler des 18. und 19. Jahrhunderts. Was harmlos begann, entwickelte sich jedoch zu einem politischen Instrument: In Jugoslawien, wo die traditionelle Kleidung schon weitgehend verschwunden war, propagierten nationalsozialistische „Erneuerer“ eine Einheitstracht der Donauschwaben. Diese sollte leicht zu nähen und für alle erschwinglich sein: schwarzes Samtleibchen, weiße Bluse, schwarze Schürze und schwarzer Rock mit Blümchendekor. Diese Einheitstracht verbreitete sich vor allem bei den Mitgliedern des Schwäbisch-Deutschen Kulturbunds. Sie bedeutete eine Uniformierung und stand damit im Gegensatz zur traditionellen Kleidungsweise.
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1945 endete für die meisten Frauen und Mädchen das gewohnte Leben. Sie flüchteten, wurden vertrieben oder in Lagern interniert . Bereits im Winter 1944/45 wurden über 50.000 Donauschwäbinnen aus 
Königreich Rumänien
ron. Regatul României, eng. Kingdom of Romania

Das Königreich Rumänien war ein historischer Staat im südöstlichen Europa, der von 1881 bis 1947 bestand. Direkter Vorgänger war das Fürstentum Rumänien, das 1861/62 aus den Teilfürstentümern Moldau und Walachei gebildet worden war, allerdings zunächst noch unter Oberhoheit des Osmanischen Reiches gestanden hatte. Erst infolge des Russisch-Türkischen Krieges von 1877/78 wurde die politische Unabhängigkeit des Fürstentums erreicht, das sich 1881 selbst zum Königreich proklamierte. Erster König war Karl I. (1839–1914), der wie alle seine Nachfolger aus dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen stammte.

Vor dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) umfasste das Territorium lediglich die historischen Landschaften der Walachei sowie Teile der Moldau und der Dobrudscha. Als Mitglied der Siegermächte des Ersten Weltkriegs konnte das Staatsgebiet nach Kriegsende jedoch massiv ausgebaut und mehr als verdoppelt werden. Unter anderem fielen jetzt auch Bessarabien, die Bukowina, Siebenbürgen oder Teile des Banats an das Königreich. Daher wird das Rumänien der Zwischenkriegszeit auch als „Großrumänien“ bezeichnet; der Zustand vor 1918 als „Altreich“.

Mit dem Aufstieg nationalistischer und faschistischer Gruppierungen in den 1930er Jahren wurde das Land innenpolitisch zunehmend instabil. Bis Mitte 1940 musste Rumänien trotz seines Versuches, sich im Zweiten Weltkrieg neutral zu verhalten, größere Teile der 1918 gewonnenen Gebiete wieder abgeben. Noch im selben Jahr wurde eine Militärdiktatur etabliert, die nun faktisch die Regierungsgewalt ausübte. Wenig später folgte der Kriegseintritt auf Seiten der Achsenmächte und in enger Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland. 1944 kam es zum Staatsstreich König Michaels I. (1921–2017) gegen die eigene Regierung, in dessen Folge sich das Land den Alliierten anschloss und dem Deutschen Reich den Krieg erklärte. Nur rund drei Jahre später, Ende 1947, zwang die mittlerweile regierende kommunistische Partei Rumäniens Michael zur Abdankung und rief die Rumänische Volksrepublik aus.

, Ungarn und 
Jugoslawien
srp. Југославија, hrv. Jugoslavija, eng. Yugoslavia, slv. Jugoslavija, sqi. Jugosllavia

Jugoslawien war ein südosteuropäischer Staat, der mit Unterbrechungen und in leicht wechselnden Grenzen von 1918 bis 1992 bzw. 2003 existierte. Hauptstadt und größte Stadt des Landes war Belgrad. Historisch unterscheidet man insbesondere zwischen der Zeit des Königreichs Jugoslawien von 1918 bis 1941 (auch 'Erstes Jugoslawien' genannt) und dem kommunistischen Jugoslawien ab 1945 (das sog. 'Zweite Jugoslawien') unter dem diktatorisch regierenden Staatschef Josip Broz Tito (1892-1980). Der Zerfall Jugoslawiens ab 1991 und die Unabhängigkeitsbestrebungen mehrerer Landesteile mündeten schließlich in die Jugoslawienkriege (auch Balkankriege oder postjugoslawische Kriege genannt). Die Nachfolgestaaten Jugoslawiens sind heute Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, der Kosovo und Bosnien und Herzegowina.

 in die 
Sowjetunion
eng. Soviet Union, deu. Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, rus. Sovetskiy Soyuz, rus. Советский Союз, . Совет Ушем, . Советонь Соткс, rus. Sovetskij Soûz, . Советий Союз, yid. ראַטן־פֿאַרבאַנד, yid. סאוועטן פארבאנד, yid. sovətn farband, yid. sovʿtn-farband, yid. sovətn-farband, . Советтер Союзу, . Совет Союзы, deu. Советий Союз, . Советон Цæдис, . Совет Эвилели

Die Sowjetunion (SU oder UdSSR) war ein von 1922 bis 1991 bestehender Staat in Osteuropa, Zentral- und Nordasien. Sie ist aus dem sog. Sowjetrussland hervorgegangen, dem Nachfolgestaat des Russländischen Kaiserreichs. Den Kern der Union und zugleich ihren größten Teil bildete die Russische Sowjetrepublik, hinzu kamen weitere Teilrepubliken. Ihre Zahl variiert über die Zeit hinweg und steht im Zusammenhang mit der Besatzung anderer Länder (Estland, Lettland, Litauen), nur kurzzeitig bestehenden Sowjetrepubliken (Karelo-Finnland) oder mit der Teilung bzw. Zusammenlegung von Sowjetrepubliken. Zusätzlich gab es zahlreiche autonome Republiken oder sonstige Gebietseinheiten mit einem Autonomiestatus, der sich im Wesentlichen auf eine sprachliche Autonomie der Minderheiten beschränkte.

Die UdSSR bestand vor ihrer formellen Auflösung aus 15 Sowjetrepubliken mit einer Bevölkerung von ungefähr 290 Millionen Menschen. Mit ca. 22,4 Millionen km² bildete sie den damals größten Flächenstaat der Welt. Die Sowjetunion war eine sozialistische Räterepublik mit einem Einparteiensystem und einer fehlenden Gewaltenteilung.

 verschleppt, wo sie als Zwangsarbeiterinnen beim Wiederaufbau helfen mussten. Dies bedeutet das Ende ihrer bisherigen Kleidungsgewohnheiten. Zum Arbeiten erhielten sie robuste Hosen und Jacken, ihr mitgebrachtes Gewand tauschten viele gegen Lebensmittel ein. Jede siebte Frau starb unter den unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der Lager. Die Überlebenden kehrten nach ihrer Freilassung selten zur traditionellen Kleidung zurück, ihre zu Hause verbliebenen Kleidungsstücke wurden verkauft oder verschenkt. Oder das Gewand erstarrte zu einem Toten-Andenken, wie die rot-schwarze Kleidung der Korbflechtertochter Susanne Zauner. 
Die in den Westen geflüchteten und vertriebenen Frauen brachten, wenn irgend möglich, ihre wertvollsten Kleidungsstücke mit. Doch in Österreich, Deutschland oder Übersee wurden sie wegen ihrer Kopftücher, langen Röcke und bunten Stoffe ausgegrenzt. Dagegen lehnten sich vor allem Mädchen und junge Frauen auf, oft zum Kummer ihrer Mütter. Die stoffreichen Röcke wurden Stück für Stück zu Modekleidern umgenäht – Upcycling in der Nachkriegszeit. Am Kleidungswandel der Donauschwäbinnen ließ sich ihre Integration in die neue Heimat ablesen: Während sich die Jungen anpassten, hielten ältere Frauen oft noch lange am vertrauten Kopftuch oder der Schürze fest. Dass sie sich aus der Gesellschaft ausgrenzten, nahmen sie in Kauf.

Es war furchtbar mit der Tracht. Man hat mich von weitem schon erkannt. Ich war ein Außenseiter.

Elisabeth Kremer, mit 15 Jahren aus Ungarn nach Deutschland gekommen