Der Forschungsverbund erforscht am Beispiel von Russlanddeutschen und den sowjetischen Jüdinnen und Juden das vermeintliche Paradox der gruppenkonstituierenden kollektiven Repressionserfahrung und der alltäglichen individuellen sowjetischen 'Normalisierung'. Dabei richtet sich der Fokus insbesondere auf die Peripherien der späten Sowjetunion. Zudem wird erforscht, was dieses 'sowjetische Gepäck' mit denjenigen machten, die nach dem Auseinanderfall der Sowjetunion auswanderten, oder auch mit jenen, die blieben.
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Die Diasporanationalitäten wie die Russlanddeutschen und die sowjetischen Jüdinnen und Juden wurden als Kollektive durch die gemeinsame Erfahrung von Repression und Diskriminierung konstituiert. Gleichzeitig erlebten Angehörige dieser Bevölkerungsgruppen als Individuen in den Jahren nach Stalins Tode aber auch eine Normalisierung ihrer Existenz und in vielen Fällen einen bemerkenswerten sozialen Aufstieg. Sie waren oder wurden zu einem Teil der kulturell und national vielfältigen sowjetischen Gesellschaft.
Es werden individuelle Alltagspraktiken, Migrationsprozesse, die Erinnerung an die spätsowjetische Zeit und die Rekonstitution von Gemeinschaft nach der Migration untersucht. Mit dem Fokus auf die sowjetische Normalisierung im Spätsozialismus werden drei Ziele verfolgt: Erstens sollen die vielfältigen Geschichten der Diasporanationalitäten an den sowjetischen Peripherien als zentrale Bestandteile der sowjetischen Geschichte verständlich werden. Damit rücken die Biographien jener Sowjetbürger:innen in den Blick, die in der bisherigen Forschung weitgehend vernachlässigt wurden. Zweitens leistet das Vorhaben einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Debatte um die Peripherien und den ländlichen Raum in der späten Sowjetunion. Die Forschung der letzten Jahre entwickelte ihre Thesen fast ausschließlich anhand urbaner Kontexte. Der Verbund fragt daher nach der Übertragbarkeit von Konzepten wie „sowjetischem Konsum“ auf das sowjetische Dorf und schließt so an die – meist auf die europäischen Regionen der Sowjetunion fokussierte – Erforschung des Late Soviet Village an, erweitert sie aber im Hinblick auf die Peripherien des sowjetischen Imperiums. Und drittens weisen die Projekte über die sowjetische Zeit hinaus bis in unsere unmittelbare Gegenwart: Anhand der Fallbeispiele von Emigrant:innen in Niedersachsen werden Vergemeinschaftungsprozesse nach der Emigration sowie die Erinnerungen an den sowjetischen Alltag ebenfalls in den Blick genommen. Es geht also um eine neue Perspektive auf die Geschichte der poststalinistischen Sowjetunion, den Alltag an ihrer Peripherie sowie um das Nachleben des „Homo Sovieticus“ in postsowjetischer Zeit.
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