Was verbindet einen Ritter des Deutschen Ordens, das Nibelungenlied und Hermann, den Cherusker? Sie alle sollten die Reichsgründung von 1871, die in diesem Jahr ihr 150. Jubiläum feiert, legitimieren, dieser „Einigung von oben“, für die zuvor von Preußen drei „Einigungskriege“ geführt worden waren. Das vorgeblich gemeinsame Kulturerbe eines „deutschen“ Germanentums bzw. Mittelalters war eines der Elemente, welches es den Bürgern erleichtern sollte, aus etwa Bayern, Hessen, Preußen und Sachsen nunmehr „Deutsche“ zu werden. Einen anderen Baustein bildete die nationale Abgrenzung des Reichs zu seinen Nachbarn, besonders Frankreich, das man 1813/15 und 1871 besiegt hatte.
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Denkmalsingenieure, Komponisten und Literaten sollten dem Kaiserreich eine ehrbare Tradition erfinden: mit dem Hermannsdenkmal am Teutoburger Wald, der Germania vom Niederwald oder Richard Wagners "Ring des Nibelungen" – welcher in Wirklichkeit Herrschaft und Gewalt kritisierte. Bereits die Romantik hatte Mittelalter und Rittertum wiederentdeckt und in den schönsten Farben gemalt.

Die neue Kabinettausstellung des Ostpreußischen Landesmuseums begibt sich auf eine assoziative Spurensuche, festgemacht an einigen Exempeln der Literatur 
Ostpreußen
eng. East Prussia, pol. Prusy Wschodnie, lit. Rytų Prūsija, rus. Восто́чная Пру́ссия, rus. Vostóchnaia Prússiia

Ostpreußen ist der Name der ehemaligen, bis 1945 bestehenden östlichsten preußischen Provinz, deren Ausdehnung (ungeachtet historisch leicht wechselnder Grenzverläufe) ungefähr der historischen Landschaft Preußen entspricht. Die Bezeichnung kam erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch, als neben dem 1701 zum Königreich erhobenen Herzogtum Preußen mit seiner Hauptstadt Königsberg weitere, zuvor polnische Gebiete im Westen (beispielsweise das sog. Preußen Königlichen Anteils mit dem Ermland und Pommerellen) zu Brandenburg-Preußen kamen und die neue Provinz Westpreußen bildeten.
Heutzutage gehört das Gebiet der ehemaligen preußischen Provinz überwiegend zu Russland (Oblast Kaliningrad) und Polen (Woiwodschaft Ermland-Masuren). Das ehemalige sog. Memelland (auch Memelgebiet, lit. Klaipėdos kraštas) kam erstmals 1920 und erneut ab 1945 zu Litauen.

, die hierfür starke Akzente zu setzen vermocht hatte. Vom Dichter der Befreiungskriege Max von Schenkendorff über den Romantiker E.T.A. Hoffmann bis hin zu Johann Gottfried Herder waren sprachmächtige Autoren am Wirken, deren Literatur späteren Autoren Anregungen für nationalere Töne lieferten.

Beispiele dafür sind Schriftsteller in Ostpreußen wie Ernst Wichert (1831-1902) oder Felix Dahn („Ein Kampf um Rom“), welche den preußischen Ordensstaat als Vorbild der kriegerischen deutschen Einigung hinstellten und die Jahrtausende alte Selbstaufopferung der ‚tapferen Germanen‘ zu preisen verstanden. Bei seiner Berufung an die Albertus-Universität 
Kaliningrad
deu. Königsberg, rus. Калинингра́д

Kaliningrad ist eine Stadt im heutigen Russland. Sie liegt im Oblast Kaliningrad, einer russischen Exklave zwischen Litauen und Polen. Kaliningrad, ehemals Königsberg, gehörte über mehrere Jahrhunderte zu Preußen und war dessen nordöstlichste Großstadt.

 sah sich Felix Dahn offenbar selbst als eine Art Ritter des Deutschen Ordens. Er wollte „deutsches Recht in fernstem Ostmarkland“ lehren und spürte als Verehrer Richard Wagners an der Ostsee noch „Walkürenhauch“.

Die Ausstellung zeigt den Kontext der Reichsgründung, wichtige Quellen aus der romantischen Literatur, Dahn und Wichert als Literaten in Königsberg und im Reich, die monumentalisierende Erfindung einer vermeintlich großen nationalen Vergangenheit sowie deren Rezeption und Folgen.

Das Begleitprogramm richtet sich nach dem unter Pandemiebedingungen Möglichen. Geplant sind Vorträge zur Stellung Ostpreußens im Deutschen Reich und Führungen durch die Ausstellung. Bitte beachten Sie die Ankündigungen auf der Website des Museums.