Eine Anregung

Als „Anregung“ formuliert der Turner Georg Baer aus Posen im Februar 1918 einen Vorschlag, der einen Einblick in den Kriegsalltag der jüdischen Soldaten ermöglicht und zeigt, welche Rolle die Turnvereine für die jüdische Suche nach Gemeinschaft im Krieg spielen konnten. Der Kanonier Baer beschreibt das Gemeinschaftsleben der jüdischen Studentenverbindungen, die in den „Etappe“ genannten Gebieten hinter der Front Anlaufstellen für Mitglieder organisierten, und schlägt der Jüdischen Turnerschaft vor, ein ähnliches Angebot zu etablieren.

Transkriptionen

Transkription (Deutsch)

Eine Anregung
Des öfteren sind uns Klagen von Turnbrüdern und Gesinnungsgenossen aus dem Felde zugegangen, die darüber Beschwerde führen, daß es ihnen bei Feldgottesdiensten oder anderen Gelegenheiten nie möglich war, an einer Veranstaltung von Turnern oder Zionisten teilzunehmen. Kamen sie, wie das zu den hohen Feiertagen z. B. der Fall ist, in eine größere Stadt, so konnten sie wohl Ankündigungen von K. J. V'ern K. J. V'ern Die Abkürzung K.J.V. steht für Kartell jüdischer Verbindungen, das 1914 aus zwei jüdischen studentischen Kooperationsverbänden gegründet wurde. Der K.J.V. vertrat zionistisch orientierte Studenten und hatte 1914 etwa 1000 Mitglieder. Über 900 von ihnen nahmen aktiv am Ersten Weltkrieg teil, 98 starben. lesen. Hin und wieder ist es ja auch vorgekommen, daß einige K. J. V’ern gemeinsame Veranstaltungen arrangierten; diese Fälle sind aber sehr vereinzelt geblieben. Mir z. B. war es während 2 1/2 Jahren, die ich im Felde verlebte, nicht ein einziges Mal möglich, an einer Tagung von Zionisten oder Turnern teilzunehmen, und wie sehnte ich mich nach den Strapazen des Frontlebens nach einer Aussprache mit Gleichgesinnten. Die Herren aber, denen es in der Etappe doch gewiß möglich war, Zusammenkünfte vorzubereiten, versagten vollkommen bis auf die K. J. V’er.
Meine Anregung geht nun dahin, daß alle Turnbrüder und Gesinnungsgenossen, die sich in den Etappen befinden oder die irgend dazu in der Lage sind, Zusammenkünfte vorbereiten oder Stammtische einrichten, damit die Frontsoldaten, im Falle sie an solche Orte kommen, wo sich Freunde befinden, sofort wissen, wohin sie sich wenden sollen, um sich einige Stunden in der Unterhaltung mit Gleichgesinnten erbauen zu können. Für alle Beteiligten kann dies nur von Vorteil sein. Die Treffplätze müßten wie die des K. J. V. in allen unseren Organen bekannt gegeben werden. Die Einrichtung darf aber nicht ein- |13| seitig werden, sondern sie müßte Treffpunkt für Turner, K. J. V-er, H. C.’er H. C.’er Gemeint ist wohl der K.C., der „Kartellconvent der Tendenzverbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens“, der dezidiert nicht zionistisch orientiert war. , Blau-Weiße Blau-Weiße Die Blau-Weiß-Bünde waren Vereinigungen für Jüdisches Jugendwandern, die sich auf Initiative der Zionistischen Vereinigung für Deutschland ab 1912 auf lokaler Ebene gründeten, und sich ab 1913 deutschlandweit zusammenschlossen. Hier fanden die Mitglieder der Wandervogelbewegung, die in diesen Jahren aus den deutschen Vereinen, etwa dem Wandervogel oder dem Deutschen Bund ausgeschlossen wurden, eine Heimat. Obwohl Blau-Weiß sich bereits 1925/26 wieder auflöste, war er einflussreich für die Institutionalisierung der jüdischen Jugendbewegung in Deutschland. , für alle, die für ein jungjüdisches Volkstum arbeiten wollen, sein.
Georg Baer  (J. T. V., 
Poznań
deu. Posen

Poznań ist eine Großstadt im Westen von Polen und mit über 530.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt des Landes. Die Messe- und Universitätsstadt liegt in der historischen Landschaft Großpolen und ist zugleich Hauptstadt der heutigen gleichnamigen Woiwodschaft. Bereits in der Frühen Neuzeit ein bedeutendes Handelszentrum fiel die Stadt 1793 erstmals an das Königreich Preußen als Teil der neu gebildeten Provinz Südpreußen. Nach zwischenzeitlicher Zugehörigkeit zum Herzogtum Warschau (1807-1815) kam Posen nach dem Wiener Kongress erneut zu Preußen als Hauptstadt des neuen Großherzogtums Posen. Ab 1919 gehörte Poznań für zwei Jahrzehnte zur Zweiten Polnischen Republik, bevor die Stadt ab 1939 von der Wehrmacht besetzt und Teil des Reichsgaus Wartheland (dem sog. Warthegau) wurde. Die fast sechsjährige Besatzungszeit war geprägt durch die brutale Verfolgung der polnischen und jüdischen Bevölkerung einerseits, die zu Zehntausenden ermordet oder in Konzentrations- und Arbeitslagern interniert wurde, und der gezielten Neuansiedlung deutschsprachiger Bevölkerungsteile in Stadt und Umland andererseits. Anfang 1945 wurde Posen von der Roten Armee erobert und Teil der Volksrepublik Polen. Eines der wichtigsten Ereignisse der Nachkriegszeit war der gewaltsam niedergeschlagene Arbeiteraufstand im Juni 1956.

).
 
Dieser dankenswerten Anregung folgend bitten wir alle Turnbrüder, die dafür in
Betracht kommen, um Angabe von Treffpunkten. D. R. D. R. Abkürzung für „Die Redaktion"
 
Posen. Das gemeinsame Heim der zionistischen und nationaljüdischen Vereine
befindet sich Berlinerstr. 5 II. Hier in Garnison stehende oder durchreisende Freunde werden um ihren Besuch gebeten. Das Heim ist täglich von 2—11 nachmittags geöffnet.
Straßburg i. Els. Straßburg i. Els. Straßburg im Elsass : Dr. Leo Münz Dr. Leo Münz Der Mediziner Dr. Leo Münz wurde als Sohn eines gelehrten jüdischen Religionswissenschaftlers in Breslau geboren, er war sehr aktiv in der jüdischen Turnerschaft. 1934 machte er seine Alijah nach Erez Israel, wo er in Tel Aviv im Krankenhaus arbeitete und 1961 starb. Bürgerspital, Augenklinik.
In allen Garnisonen, in denen sich Vereine der jüdischen Turnerschaft befinden,
werden Turnbrüder und Gesinnungsgenossen dort herzliche Aufnahme finden. (Adr. s. hinten.)
Das Präsidium des K. J. V. hat uns in liebenswürdiger Weise die Veröffentlichung
seiner Treffpunkte gestattet und ladet alle Gesinnungsgenossen dazu ein:
An folgenden Orten des Kriegsschauplatzes finden regelmäßige Zusammenkünfte von K. J. V.- ern statt, oder es sind dort Bundesbrüder zu treffen. Da Feldadressen in Verbindung mit Ortsnamen nicht veröffentlich werden dürfen, bitten wir, die fehlenden Adressen beim K. J. V. zu erfragen.
Westen.
Brüssel: Schriftverkehr Pionier Martin Herzog, Kommandanturgericht.
Kriegsgerichtssekretär-Stellvertreter Richard Knoch am Gouvernementsgericht ist täglich zwischen 9—1 und 4—8. Rue de la loi 8, Zimmer 55 zu treffen.
Cambrai: Jeden zweiten Sonntag im Monat Deutsches Café. Feldhilfsarzt Max Preuß
kann für Unterkunft sorgen; er ist telephonisch zu erreichen.
Charleville: Jeden ersten Sonntag nachmittags 2 Uhr Unteroffizier-Heim, Rue de petit
bois 19 I. Leiter Zahnarzt Läufer, Zahnstation Clément 21, Telephon 8.
Douai: San.-Soldat Auerbach in Anishe bei Douai.
Gent: Unteroffizier Erich Gerechter, Lange Boomgartstraße 9, (Elektrische
Straßenbahn 2). Er kann auch für gelegentliche Unterkunft sorgen.
Gistel bei Ostende: Telegraphist Jacob Levy.
Liesse: Jeden Sonnabend nachmittags 4 Uhr im Soldatenheim. Leiter Dr. Hermann
Hofstein.
Lille: Jeden ersten Sonntag nachmittags 3 Uhr, Hotel Royal, Leiter Gefreiter Paul<br> Sulzberger Paul<br> Sulzberger Hierbei könnte es sich um den Rechtsanwalt, Verbandsfunktionär und überzeugten Zionisten Paul (Paltiel) Sulzberger (1892–1945) handeln, der von 1914 bis 1919 im Krieg teilnahm. Er war Vorstandsmitglied der Misrachi-Fraktion der Repräsentantenversammlung der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Sulzberger setzte sich für den Gebrauch des Hebräischen ein und unternahm mehrere Buchreisen nach Palästina. 1939 nahm er am 21. Zionistenkongress in Genf teil und emigrierte im selben Jahr nach Palästina. in Roubaix.
Metz: Jeden ersten Sonntag im Café Astoria, Römerallee, nach-nachmittags 3 Uhr.
Leiter Dr. Wechselmann Dr. Wechselmann Hierbei könnte es sich um den Dermatologen Prof. Dr. Wilhelm Wechselmann (1860–1942) handeln, der in Ratibor (Oberschlesien) geboren wurde und an den Universitäten in Würzburg, Leipzig sowie in München Medizin studierte. 1882 wurde er zum Dr. med. promoviert und war u.a. von 1906 bis 1925 Direktor der Dermatologischen Abteilung am Rudolf-Virchow-Krankenhaus (heute Teil der Charité) in Berlin. Er vestarb 1942 in seiner Berliner Wohnung. , Elsässerstr. 10, Feldunterarzt Wollenberg Feldunterarzt Wollenberg Hierbei könnte es sich um Dr. Robert Wollenberg (1862–1942) handeln, der in Pelplin (Westpreußen) geboren wurde und in Königsberg sowie Leipzig Medizin studierte. Er war Psychiater und u.a. Professor der Psychiatrie und der Neurologie in Preußen und Straßburg. , Lazarett 3. |14|
Rethel: Oberapotheker Arthur Levinsohn im Feldlazarett Chateau Porcien. In der Nähe
von Rethel. (Telephon.)
Straßburg i. Els.: Trainreiter Robert Gideon, Cölner Ring 26.
Thiaucourt: San.-Soldat Ernst Tryfus, Valenciennes: Jeden ersten und dritten Sonntag.
Leiter San. Vizefeldwebel Adolf Strauß und Feldunterarzt Hans Breslauer, die im Lazarett Lycee jederzeit zu treffen sind.
Osten.
Bialystok: Bahnarzt Dr. Lazarus Jutkowski, Eisenbahnbetr.-Amt Bialystok.
Bukarest: Dipl.-Ing. Mathias Wechsler, Strada Lucatie 45 a. Bundesbruder Wechsler
ist nur zu den Mahlzeiten zu Hause.
Buzau: Unteroffizier Walter Ittmann.
Konstantinopel: Dr. Theodor Zlocisti, Chefarzt der 1. Expedition des Roten Kreuzes in
der Türkei, Italienisches Krankenhaus.
Riga: Bundesbrüder und andere Gesinnungsgenossen sind gern gesehen bei den
Familien Friedender, Antonienstr. 8 und Dolgupolski Gogolstraße 9.
Warschau: Feldunterarzt Ernst Sklarz, Warschau, Festungslazarett 1.
Zosle Kreis Koszedary: Jeruchom Blumberg.

Translations

Kommentar

In der dritten Kriegsnummer der „Jüdischen Monatshefte für Turnen und Sport“ im Februar 1918 erschien der Vorschlag des jüdischen Turners Georg Baer aus Posen, der als Kanonier zu diesem Zeitpunkt bereits seit zweieinhalb Jahren an der Front war. Zum Leben der Soldaten im Krieg gehörten auch spirituelle Ereignisse, wie etwa Feldgottesdienste an hohen Feiertagen, an denen häufig unter freiem Himmel Messfeiern für Angehörige der christlichen Konfessionen stattfanden. Auch für religiöse Juden gab es Feldgottesdienste.1 Währenddessen hatten die säkularen Soldaten zwar Freizeit, Georg Baer aber bemängelt in seinem Text das fehlende Gemeinschaftserlebnis. Er notiert, dass er sich durch den Mangel an einer so organisierten Zusammenkunft einsam fühlte, und dass er in der Zeit seines Dienstes an der Waffe keine Möglichkeit gehabt habe, mit gleichgesinnten Turnern oder Zionisten zusammen zu kommen. In diesem Zusammenhang äußert er deutliche Kritik an den Turnern in den Gebieten hinter der Front, in der sogenannten „Etappe“. Dort befand sich vor allem die Verwaltung und Lazarette. Transport und Nachschub wurden ebenfalls in der Etappe organisiert. Im Ersten Weltkrieg entwickelte sich eine negative Einstellung der Frontsoldaten gegenüber den Einsatzkräften in der Etappe, die auf die unterschiedlichen Einsatzbedingungen zurückzuführen.2 Baers Einlassung erscheint deshalb typisch für die soldatische Ablehnung der „Herren aber, denen es in der Etappe doch gewiß möglich war, Zusammenkünfte vorzubereiten“, und die seines Erachtens nach vollkommen versagt hatten. (S. 12)
Baer verweist demgegenüber auf das Beispiel des Kartells jüdischer Verbindungen (K.J.V.), das 1914 aus zwei jüdischen studentischen Kooperationsverbänden gegründet worden war. Der K.J.V. vertrat zionistisch orientierte Studenten und hatte 1914 etwa 1000 Mitglieder. Über 900 von ihnen nahmen aktiv am Ersten Weltkrieg teil, 98 starben. Dem K.J.V. war es gelungen, in der viel kritisierten Etappe Stammtische oder andere Zusammenkünfte vorzubereiten, um den Bundesbrüdern genannten Verbindungsmitgliedern das Treffen und den Austausch mit Gleichgesinnten zu ermöglichen.
Die Jüdische Turnerschaft nahm diese Anregung sogleich auf und veröffentlichte in der vorliegenden Quelle Adressen von jüdischen Turnern, die solche Anlaufstellen in der Etappe bieten könnten. In der Kürze der Zeit konnten offensichtlich nur zwei Stellen ermittelt werden, eine in Posen und eine in Straßburg, wo der aktive Turner und Mediziner Leo Münz aus Breslau stationiert war. Georg Baer war es allerdings daran gelegen, keine exklusiven Treffpunkte nur für die Jüdische Turnerschaft zu etablieren, sondern er wollte Gemeinschaft von allen Gruppierungen, die für ein nationales Judentum eintraten, stiften, wobei der Begriff des „jungjüdischen Volkstums“ bewusst über den Zionismus hinausging. 
Deshalb veröffentlichte die JT auch die Adressen der Ansprechpartner des K.J.V., welche die jüdischen Turner herzlich einluden. Die Anlaufstellen wurden unterteilt in West- und Ostfront mit dem Versprechen, dass an diesen „Orten des Kriegsschauplatzes“ (S. 13) regelmäße Zusammenkünfte stattfinden würden.
Die Orte an der Westfront befanden sich vor allem in Belgien (etwa Brüssel oder Gent), Nordfrankreich (Cambrai oder Lille), in Lothringen (Metz) und im Elsass (Straßburg), während im Osten unter anderen Orte in Regionen der heutigen Polens (
Białystok
bel. Belastok, bel. Беласток, yid. ביאליסטאק, deu. Bjelostock, deu. Byelostok, rus. Belastok, rus. Белосток, yid. byalystok, yid. byʾlysṭʾq, yid. byalysṭoq, yid. bialistok, pol. Biały Stok

Białystok (Population 2023: 291,688) ist eine Stadt im Nordosten Polens und Sitz des katholischen Erzbistums gleichen Namens. Der Ort wurde etwa 1440 gegründet. Bis 1569 wechselte seine Zugehörigkeit zwischen dem Großherzogtum Litauen und dem Königreich Polen. Spätestens 1692 erhielt er das Stadtrecht. Ab 1795 gehörte Białystok zu Preußen, mit dem Frieden von Tilsit ab 1807 zu Russländischen Reich. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte die Stadt zur polnischen Republik bis sie nach abwechselnde Okkupation durch deutsche und russische Truppen ab September 1939 schließlich am 29. November in die Sowjetunion eingegliedert wurde. 1941 wurde die Stadt an das Deutsche Reich angegliedert wurde. Juden stellten bis dahin oft die Bevölkerungsmehrheit in Białystok. 1944 nahm die Rote Armee die Stadt ein. Die offizielle Rückgabe an Polen erfolgte erst 1946. Heute ist sie die Hauptstadt der Woiwodschaft Podlachien und ein Zentrum der Elektro-, Metall- und Bierindustrie mit etlichen Hochschulen.

Warszawa
deu. Warschau, eng. Warsaw, deu. Warszowa, deu. Warszewa, yid. Varše, yid. וואַרשע, rus. Варшава, rus. Varšava, fra. Vaarsovie

Warschau ist die Hauptstadt Polens und zugleich die größte Stadt des Landes (Bevölkerungszahl 2024: 1.863.845). Sie liegt in der Woiwodschaft Masowien an Polens längstem Fluss, der Weichsel. Warschau wurde erstmals Ende des 16. Jahrhunderts Hauptstadt der polnisch-litauischen Adelsrepublik und löste damit Krakau ab, das zuvor polnische Hauptstadt gewesen war. Im Rahmen der Teilungen Polen-Litauens wurde Warschau mehrfach besetzt und schließlich für elf Jahre Teil der preußischen Provinz Südpreußen. Von 1807 bis 1815 war die Stadt Hauptstadt des Herzogtums Warschau, einem kurzlebigen napoleonischen Satellitenstaat; im Anschluss des Königreichs Polen unter russischer Oberherrschaft (dem sog. Kongresspolen). Erst mit Gründung der Zweiten Polnischen Republik nach Ende des Ersten Weltkriegs war Warschau wieder Hauptstadt eines unabhängigen polnischen Staates.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Warschau erst nach intensiven Kämpfen und einer mehrwöchigen Belagerung von der Wehrmacht erobert und besetzt. Schon dabei fand eine fünfstellige Zahl an Einwohnern den Tod und wurden Teile der nicht zuletzt für seine zahlreichen barocken Paläste und Parkanlagen bekannten Stadt bereits schwer beschädigt. Im Rahmen der anschließenden Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung der polnischen und jüdischen Bevölkerung wurde mit dem Warschauer Ghetto das mit Abstand größte jüdische Ghetto unter deutscher Besatzung errichtet, das als Sammellager für mehrere hunderttausend Menschen aus Stadt, Umland und selbst dem besetzten Ausland diente und zugleich Ausgangspunkt für die Deportation in Arbeits- und Vernichtungslager war.

Infolge des Aufstandes im Warschauer Ghetto ab dem 18. April 1943 und dessen Niederschlagung Anfang Mai 1943 wurde das Ghettogebiet systematisch zerstört und seine letzten Bewohner verschleppt und ermordet. Im Sommer 1944 folgte der zwei Monate dauernde Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzung, in dessen Folge fast zweihunderttausend Polen ums Leben kamen und nach dessen Niederschlagung auch das restliche Stadtgebiet Warschaus von deutschen Einheiten weitgehend und planmäßig zerstört wurde.

In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche historische Gebäude und Teile der Innenstadt, darunter das Warschauer Königsschloss und die Altstadt, wiederaufgebaut - ein Prozess, der bis heute andauert.

), Rumänien (
București
eng. Bucharest, deu. Bukarest

Bukarest ist die Hauptstadt Rumäniens und hat heute über 1,8 Mio. Einwohner. 1659 löste Bukarest Târgoviște als Hauptstadt des Fürstentums Walachei ab. Nach der Vereinigung der Donaufürstentümer (Moldau und Walachei) unter Ion Cuza 1861 wurde Bukarest 1862 zur Hauptstadt Rumäniens. Schon kurze Zeit später war Bukarest die mit Abstand größte Stadt des südosteuropäischen Raums zwischen Budapest und Istanbul. Unter König Carol I. (1866-1914)kam es in Bukarest zu städtebaulichen Veränderungen nach westlichem Vorbild mit Palästen, Boulevards, Parkanlagen, Jugendstilvillen und elektrischer Beleuchtung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Bukarest außerdem zu einem Industrie- und Finanzzentrum. Im ersten Weltkrieg wurde Bukarest 1916 von den Mittelmächten besetzt, mit denen man 1918 einen Friedensvertrag schloss. Zwischen 1936 und 1940 wurde in Bukarest ein Boulevard nach Pariser Vorbild angelegt, was der Stadt auch die Beinamen „Micul Paris“ („Kleines Paris“) oder „Paris des Ostens“ einbrachte. Im Zweiten Weltkrieg stellte sich Rumänien nach kurzer Neutralität auf die Seite der Deutschen, nachdem General Ion Antonescu und die faschistische „Eiserne Garde“ Rumänien zu einem „nationallegionären Staat“ gemacht hatten. Als Antonescu 1944 von König Mihai verhaftet wurde, hatte dies Luftangriffe der Deutschen auf Bukarest zur Folge, die große Schäden anrichteten. Im Jahr 1977 richtete ein Erdbeben Zerstörung an. Ab 1984 ließ der kommunistische Diktator Nicolae Ceaușescu Teile der historischen Altstadt abreißen, um ein großes sozialistisches Zentrum zu errichten, was jedoch nach seiner Hinrichtung 1989 und dem Sturz des kommunistischen Regimes nicht zu Ende geführt wurde. Bukarest ist heute die siebtgrößte Stadt der EU, in der Rumänien seit 2007 Mitglied ist.

Buzău
hun. Oláhbodza, hun. Bodzavásár, deu. Busäu, tur. Bozo, tur. Boza, tur. Bozav, tur. Boca, tur. Buza

Buzău ist eine Bezirksstadt (Bevölkerungszahl 2021: 103.481) in der historischen Region Große Walachei (Muntenien), dem östlichen Teil der Walachei im Südosten Rumäniens. Sie wurde 1431 als wichtiger Handelsort am gleichnamigen Fluss ersterwähnt. In der Zeit der osmanischen Abhängigkeit (14.-19. Jahrhundert) wurde Buzău mehrfach von den Tataren und von den osmanischen, aber auch polnischen Truppen sowie 1774 von einem Erdbeben zerstört.

Seit 1859 gehört die Stadt zum heutigen Rumänien (proklamiert 1861). Im Ersten Weltkrieg wurde Buzău 1916-1918 von deutschen Truppen besetzt, im Zweiten Weltkrieg wurde sie von sowjetischen Truppen erobert (August 1944). Neben den Kriegen und Naturkatastrophen führte auch die Baupolitik in sozialistischer Zeit (1946-1990) zu einem erheblichen Wandel des Stadtbilds Buzăus.

), der Türkei (
İstanbul
deu. Konstantinopel, deu. Istanbul

Istanbul (Bevölkerungszahl 2022: 15.244.936), vormals Byzanz, später auch Konstantinopel, liegt am Bosporus, der Meerenge die das Schwarze mit dem Marmarameer verbindet und eine Grenze zwischen Europa und Asien darstellt.
Die heutige Megastadt entwickelte sich aus der Koloniestadt Byzantion, die ca. 660 v.u.Z. von dorischer Griechen am südwestlichen Ufer des Bosporus gegründet wurde. Kaiser Konstantin I. ließ sie ausbauen und zur neuen Hauptstadt des Römischen Reiches erheben. Nach der Reichsteilung von 395 war Byzanz die Hauptstadt des Oströmischen Reiches. Nach ihrer Eroberung duch die Osmanen 1453 wurde sie - zunächst als Konstantinopel - zur Hauptstadt des Osmanischen Reichs.
Im Verlauf ihrer wechselhaften Geschichte und aufgrund der Lage zwischen den Meeren und Kontinenten lebten in der Stadt Menschen muslimischer, christlicher und jüdischer Religion, wobei sie auch einige der größten Wellen der Vertreibungen erlebt hatte, insbesondere der Nichtmuslime armenischer und griechischen Abstammung im 20. Jahrhundert. Heute ist Istanbul die bevölkerungsreichste Stadt der Türkei und eine der größten der Welt.

) und Lettlands (
Rīga
deu. Riga, lat. Riga, lit. Ryga, dan. Riga, swe. Riga, yid. rygʿ, yid. ryga, yid. ריגע, pol. Ryga, rus. Riga, rus. Рига

Riga ist die Hauptstadt Lettlands (Bevölkerungszahl 2023: 605.273) und zugleich die mit Abstand größte Stadt des Landes. Sie liegt im Südwesten der historischen Landschaft Livland nahe der Mündung des Flusses Düna (lett. Daugava) in den Rigaischen Meerbusen. Riga war eine bedeutende Handels- und Hansestadt mit einer über Jahrhunderte hinweg einer multiethnischen, doch größtenteils deutschsprachigen Bevölkerung, deren politische Oberherrschaft wiederholt wechselte. Waren es bis zum Ende des Mittelalters vor allem geistliche Herrscher (Erzbistum Riga, Deutscher Orden), die Stadt und Umland für sich beanspruchten, kam die Stadt nach kurzer polnisch-litauischer Herrschaft 1621 zu Schweden. Bereits ein Jahrhundert später wurde Riga Teil des Russländischen Reiches und hier zur Hauptstadt des Ostseegouvernements Livland.

1918 wurde Riga Hauptstadt eines unabhängigen lettischen Staates. Nach der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg 1941 wurde die jüdische Bevölkerung Rigas (8% der Gesamtbevölkerung) vor allem im Ghetto eingesperrt, in das auch zahlreiche jüdische Menschen aus dem damaligen Gebiet des Deutschen Reichs deportiert wurden. Noch im selben Jahr organisierte die Wehrmacht Massenerschießungen der jüdischen Bevölkerung auf dem Gebiet der heutigen Stadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die ethnische Struktur von Riga – die jüdische, deutsche und polnische Bevölkerung verschwand, und an ihre Stelle traten die russische, weißrussische und ukrainische Bevölkerungsgruppen. Die lettische Bevölkerung verlor ihre Mehrheit in der Stadt, und sank bis zum Zerfall der Sowjetunion auf fast ein Drittel. Inzwischen beträgt ihr Anteil 47% der Gesamtbevölkerung.

) angegeben waren. Die Personen, die sich gemeldet hatten, waren meistens Mediziner, die in den Lazaretten hinter der Front tätig waren. Es wurden die Termine von Stammtischen (wie „jeden ersten Sonntag nachmittags 3 Uhr, Hotel Royal“ oder „jeden Sonnabend nachmittag 4 Uhr im Soldatenheim“) angegeben, einige Ansprechpartner versprachen auch, sich um Unterkunft zu kümmern. Anhand der Namen und ihrer Biographien wird deutlich, wie der Krieg die Soldaten aus ihrer Heimat in völlig andere Regionen Europas schickte und dass die Organisation in nationaljüdischen Kontexten, etwa im Turnverein, aber auch in der jüdischen Studentenverbindung, eine Strukturierung des Lebens in der Fremde und eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten versprach. Dass der Wunsch danach von einem Soldaten aus dem Feld an den Jüdische Turnerschaft herangetragen wurde, kann als Beleg dafür dienen, dass diese Art der Gemeinschaft tatsächlich von den Aktiven gewünscht und nachgefragt wurde. Mithilfe dieser Organisation von Gemeinschaft gelang es den zionistischen und darüber hinaus allen am nationalen Judentum interessierten jungen Männern, Netzwerke zu bilden und die gemeinsame Sache des Zionismus und des national-jüdischen Sports weiter voranzutreiben. Nach dem Krieg wurde aus der deutschsprachigen national-jüdischen Turnerschaft im Jahr 1921 in Karlsbad der Makkabi-Weltverband gegründet.3 Die Aktivitäten der jüdischen Turner im Krieg waren ein Schritt auf dem Weg dahin.

Metadaten

Informations-Bereich