Der 9. Mai 1945 in der Erinnerungskultur der baltischen Staaten

Beginn der zweiten sowjetischen Okkupation oder Tag des Sieges?
Russland feiert den 9. Mai 1945 als Siegestag. Die Staaten des Baltikums deuten ihn anders: Sie erinnern die sowjetische Besatzung und den Verlust ihrer Unabhängigkeit. Estland, Lettland und Litauen zeigen dabei unterschiedliche nationale Perspektiven.
Estland
eng. Estonia, est. Eesti

Estland ist ein Land in Nordosteuropas. Es wird von ungefähr 1,3 Millionen Menschen bewohnt und grenzt an Lettland, Russland und die Ostsee. Die bevölkerungsreichste Stadt und Hauptstadt zugleich ist Tallinn.

Der heutige estnische Staat erlangte seine politische Unabhängigkeit erst 1991 wieder, infolge der sog. „Singenden Revolution“ in den baltischen Staaten und vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Erstmals war 1918 die Unabhängigkeit Estlands ausgerufen und durch den „Estnischen Freiheitskrieg“ (1918-1920) durchgesetzt worden. Bereits 1940 wurde dieser erste estnische Staat abgelöst durch die unter sowjetischer Besatzung gegründete „Estnische Sozialistische Sowjetrepublik“. Sie war, mit Unterbrechung durch die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg (1941–1944) und mit leicht abweichendem Grenzverlauf, bis 1991 eine Teilrepublik der Sowjetunion. Vor 1918 wiederum war das Gebiet des heutigen Estlands Teil des Russländischen Kaiserreiches, wobei sein nördlicher Teil das Ostseegouvernement Estland, sein südlicher Teil die nördliche Hälfte des Ostseegouvernements Livland bildete. Im Hoch- und Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit hatten Teile des heutigen Landes auch unter schwedischer, dänischer und polnischer Herrschaft gestanden, der livländische Teil bis 1561 auch unter Hoheit des Deutschen Ordens.

Seit 2004 ist Estland Teil der Europäischen Union und der NATO.

Lettland
eng. Latvian Republic, eng. Latvia, lav. Latvija

Lettland ist ein baltischer Staat im Nordosten Europas und wird von ungefähr 1,9 Millionen Einwohner:innen bewohnt. Hauptstadt des Landes ist Riga. Der Staat grenzt im Westen an die Ostsee und an die Staaten Litauen, Estland, Russland und Weißrussland. Lettland ist seit dem 01.05.2004 Mitglied der EU und erlangte erst im 19. Jahrhundert Unabhängigkeit.

 und 
Litauen
eng. Lithuania, lit. Lietuva

Litauen ist ein baltischer Staat im Nordosten Europas und wird von ungefähr 2,8 Millionen Menschen bewohnt. Vilnius ist die Hauptstadt und bevölkerungsreichste Stadt Litauens. Das Land grenzt an die Ostsee, Polen, Weißrussland, Russland und Lettland. Erst im Jahr 1918 erlangte Litauen Unabhängigkeit, die das Land nach mehreren Jahrzehnten der Eingliederung in die Sowjetunion 1990 wiedererlangte.

 sind die einzigen europäischen Staaten, deren Unabhängigkeit am Ende des Zweiten Weltkrieges nicht wiederhergestellt wurde. Das geheime Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes hatte den Weg für eine Okkupation durch die Sowjetunion freigemacht.1 Im Juni 1940 marschierte die Rote Armee in den baltischen Staaten ein und erzwang deren Beitritt zur UdSSR. Bereits ein Jahr später überfiel das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion und besetzte in diesem Zuge auch das Baltikum. In der Folge wurde die jüdische Bevölkerung in Litauen und Lettland fast vollständig ermordet. 1944/45 eroberte die Rote Armee das Baltikum zurück, und im Zeichen des Stalinismus wurden Hundertausende inhaftiert und viele Familien deportiert. Da sich einheimische Partisanen daraufhin noch mehrere Jahre blutige Gefechte mit den sowjetischen Sicherheitskräften lieferten, galt das Gebiet der ehemals unabhängigen baltischen Staaten erst Anfang der 1950er Jahre als befriedet. Vor diesem historischen Hintergrund erscheint es geradezu zwangsläufig, dass die deutsche Kapitulation im Mai 1945 in Litauen, Lettland und Estland eine ganz andere Interpretation erfährt als in Mitteleuropa.
In Deutschland und in vielen anderen westeuropäischen Ländern gelten die drei baltischen Staaten als einheitliche historische Region. Und in der Tat: In der Deutung des 9. Mai 1945 stimmen die politisch-kulturellen Eliten und die Öffentlichkeit in Litauen, Lettland und Estland überein. Während er in der ehemaligen Sowjetunion und noch heute in Russland und Belarus als Siegestag über das nationalsozialistische Deutschland gilt, gehörte er im Baltikum nach 1990 nie zum staatlichen Feierkalender: Vielmehr wird er als symbolisches Datum verstanden, an dem die zweite sowjetische Okkupation begann, die erst mit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit am Ausgang des 20. Jahrhunderts ein Ende fand. Doch damit endet bereits die baltische Gemeinsamkeit. Im Mittelpunkt der folgenden Analyse steht die Erinnerungskultur in Litauen, ohne dabei die Entwicklung in Lettland und Estland ganz aus den Augen zu verlieren.

Rückbesinnung auf das „Goldene Zeitalter“ der Zwischenkriegszeit

Ein erster Unterschied wird bei denjenigen Ereignissen deutlich, die statt des 9. Mai in der jeweiligen Erinnerungskultur nach der wiedererlangten Eigenstaatlichkeit 1989/91 einen besonderen Platz erhielten. In Lettland und Estland waren das die Unabhängigkeitserklärungen der Zwischenkriegszeit (Lettland: 18. November 1918 18. November 1918 Ausrufung einer lettischen Republik durch den Lettischen Volksrat. ; Estland: 24. Februar 1918 24. Februar 1918 Einsetzung einer provisorischen estnischen Regierung in Tallinn und Ausrufung der Unabhängigkeit. ). Auch in Litauen wurde zwar die Unabhängigkeitserklärung vom 16. Februar 1918 16. Februar 1918 Unabhängigkeitserklärung durch den litauischen Rat (Taryba) in Vilnius. sofort nach der Wiederherstellung der Souveränität 1990 zum staatlichen Feiertag erklärt. Es gab jedoch eine nicht zu unterschätzende Alternative: den (vermutlichen) Krönungstag des litauischen Königs Mindaugas am 6. Juli 1253, der als Symbol für den ersten litauischen Staat, das unabhängige Großfürstentum, steht. Auch dieses Datum wurde 1990 zum Staatsfeiertag.
Die Auswahl neuer Mythen wurde zwar durch die unterschiedliche Geschichte der drei Länder beeinflusst, aber stark durch eine ähnliche Haltung zum sowjetischen Kommunismus überlagert. Die Mehrheit der Bevölkerung hielt das kommunistische Regime für eine ‚anormale‘ Erscheinung und strebte daher beim Wiederaufbau nach einer ‚Normalität‘, die man in den Jahren 1919 bis 1940 zu erkennen glaubte. Im Bereich der Erinnerungskultur bedeutete dies eine Rückkehr zu deren zentralen Erinnerungsorten der Zwischenkriegszeit. Im Fall von Lettland und Estland waren das die „goldenen“ Zeiten zwischen den Kriegen, als sie zum ersten Mal selbstständig waren und eine einheimische Verwaltung und ein eigenständiges Bildungswesen die eigene Staatlichkeit augenfällig machte. Im Fall von Litauen war die aurea aetas, das Goldene Zeitalter, wie bereits erwähnt, die Zeit des unabhängigen Großfürstentums, als Litauen ein mächtiger Staat war.
Somit war für den 9. Mai in der Erinnerungskultur Litauens keinerlei Raum. In Lettland und Estland wurde dieses Datums nur insofern gedacht, als es mit der verlorenen Unabhängigkeit und dem Kampf darum in Verbindung gebracht wurde. 

Gedenken an die SS-Freiwilligenverbände

Deshalb wandte man sich in Lettland und Estland2 sehr früh den lettischen und estnischen SS-Freiwilligenverbänden zu. In beiden Ländern waren 1943 derartige Verbände aufgestellt worden, die an der Ostfront gegen die Rote Armee kämpften. Später kam es auch zu Zwangsrekrutierungen. Lettland ging bei der Neubewertung der Einheiten voran, indem 1998 der 16. März 1944, an dem beide Divisionen im selben Frontabschnitt kämpften, als „Tag der Legionäre“ in die Liste der staatlichen Gedenktage aufgenommen wurde. Auf Druck Russlands wurde dieser Schritt 1999 rückgängig gemacht.3 Obwohl das Gedenken an die SS-Legionäre damit seinen offiziellen Charakter verloren hat, finden in Lettland alljährlich inoffizielle Gedenkveranstaltungen statt. In Estland ist ein ähnlicher Umgang mit den einheimischen SS-Verbänden zu beobachten.
In den Staaten der Europäischen Union, insbesondere in Deutschland, und in Russland gilt der erinnerungspolitische Umgang mit den SS-Legionären in Lettland und Estland als Beispiel für historischen Revisionismus. Die beiden baltischen Staaten sehen sich nicht selten mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie den Nationalsozialismus rehabilitieren und eine mögliche Beteiligung der Legionäre am Holocaust außer Acht lassen würden. Die SS war in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen schließlich zur „verbrecherischen Organisation“ erklärt worden. Dies sind im Vergleich zum kollektiven Gedächtnis in Lettland und Estland deutliche, geradezu gegensätzliche Akzentverschiebungen. Die Kritiker dieser Erinnerungskultur betonen, dass die lettischen und estnischen SS-Legionen für Hitlerdeutschland kämpften und als Kollaborateure zu betrachten seien. Für Letten und Esten ist jedoch der Kampf der einheimischen SS-Verbände gegen die Sowjets am Ende des Krieges, der im Kern die lettische und estnische Unabhängigkeit zum Ziel hatte, viel bedeutsamer. Dieses Beispiel belegt, wie schwierig und widersprüchlich Erinnerungspolitik in Staaten ist, die die Okkupation zweier ideologischer Regime – Nationalsozialismus und Stalinismus – zu ertragen hatten.
Im Falle Litauens zeigt sich zudem, dass Erinnerungskultur wandelbar ist. Der wesentliche Umschwung seit 1990 entwickelte sich mit dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union 2004. In diesem Moment verlor der auf dem 
Großfürstentum Litauen
rus. Velikoe knjažestvo Litovskoe, rus. Великое княжество Литовское, pol. Wielkie Księstwo Litewskie, bel. Vialikaie Kniastva Litoŭskaie, bel. Вялікае Княства Літоўскае, lit. Lietuvos Didžioji Kunigaikštystė, eng. Grand Duchy of Lithuania, lat. Magnus Ducatus Lituania, deu. Großfürstentum Litauen, Ruthenien und Schemaitien, rus. Velikoe knâžestvo Litovskoe, . Velikoe knęžestvo Litovskoe, . Великое кнѧзство Литовское, bel. Vâlìkaê Knâstva Lìtoŭskaê, bel. Vjlikae Knjastva Litoŭskae

Das Großfürstentums Litauen entstand spätestens ca. 1230 im Zuge der Vereinigung der litauischen Teilfürstentümer. Da der Deutsche Orden den Zugang zur Ostsee versperrte, orientierte sich die Expansion des Großfürstentum größtenteils nach Osten und Süden, wo es mit dem Moskauer Fürstentum um die Dominanz über die ruthenische Bevölkerung im Wettbewerb stand. 1320 eroberte Großfürst Gediminas Kiew. Ab 1386 befand sich das Großfürstentum unter dem gleichen Herrscher wie das polnische Königreich (Personalunion), auch um sich gegen die beiden Rivalen im Westen und Osten behaupten zu können. 1569 wurden Polen und das Großfürstentum Litauen auch eine staatliche Einheit.

 basierende Nationalmythos, symbolisiert durch die Krönung Mindaugas’ am 6. Juli 1253, seine Aktualität. Mit dem Großfürsten war auch der Übertritt zum katholischen Glauben verbunden gewesen und damit Litauens Zugehörigkeit zu Europa. Diese proeuropäischen Hoffnungen der litauischen Gesellschaft waren nunmehr in Erfüllung gegangen waren.

Russischer Druck auf die baltischen Erinnerungskulturen

Ein weiterer Faktor für den Wandel lag in der russischen Erinnerungspolitik. Seit Beginn der Ära Putin soll anderen Staaten der Mythos vom Sieg im Großen Vaterländischen Krieg aufgedrängt werden – besonders Polen und den baltischen Staaten. Die offizielle russische Einladung an die Staatsoberhäupter der baltischen Staaten, an den Veranstaltungen zum 60. Jahrestag des 9. Mai 1945 in Moskau teilzunehmen, löste schließlich eine breite Debatte um den 9. Mai aus. In Litauen beteiligten sich nicht nur Historiker, sondern unter anderen auch Unternehmer, Politiker und Journalisten an der Diskussion. Wohl erstmals nach 1990 wurde eine neue Bewertung des 9. Mai formuliert, die sich bald verbreitende These vom „Krieg nach dem Krieg“. Sie erinnerte daran, dass Hundertausende Litauer Opfer der stalinistischen Deportations- und Terrorpolitik geworden waren. Ab 1944 kämpften nationallitauischen Partisanen gegen die Sowjetmacht. Die litauische Regierung lehnte die Einladung nach Moskau schließlich ab.
 
Wegen der litauischen Beteiligung am Holocaust war es den litauischen Politikern allerdings nicht möglich, dieses Datum völlig zu ignorieren. Auch im Vorfeld des EU-Beitritts war die Frage der Mittäterschaft, die so gar nicht zum verbreiteten Opfernarrativ passen wollte, aufgekommen. Aus diesem Grunde wurde bewusst am 8. Mai 2005 in Vilnius feierlich des 60. Jahrestages des Sieges gegen Hitlerdeutschland gedacht. Zu dieser Veranstaltung wurden Veteranen des Zweiten Weltkrieges von beiden Seiten der Front eingeladen: Soldaten, die während des Krieges in der Sowjetarmee gekämpft hatten, und Veteranen der lokalen  litauischen Plechavičius-Einheiten
Litauische Sonderverbände
Im Jahr 1944 wurden mit deutscher Billigung litauische Freiwilligenverbände aufgestellt, die dem litauischen General Povilas Plechavičius unterstanden und nur auf litauischem Gebiet eingesetzt werden sollten. Da die deutsche Seite zu Recht vermutete, dass diese Einheiten sich als nationale Armee verstanden und ihr militärischer Wert gering war, wurde sie wieder entwaffnet: Einige der Soldaten wurden in Paneriai ermordet, viele in Wehrmachtseinheiten gepresst.
 sowie der im Vilniusgebiet agierenden  polnischen Armija Krajowa (Heimatarmee)
Polnische Heimatarmee
Widerstands- und Militärorganisation im besetzten Polen. Im Vilniusgebiet, das in der Zwischenkriegszeit zwischen Litauen und Polen umstritten war, kam es auch zu Gefechten zwischen der Armija Krajova und den litauischen Sonderverbänden bzw. Polizeieinheiten.
. Die litauischen und polnischen Verbände hatten im Zweiten Weltkrieg aufgrund von Gebietsansprüchen gegeneinander gekämpft, sodass die Diskussion um die Bedeutung des 9. Mai bereits zur feierlichen Unterzeichnung einer Versöhnungserklärung im Herbst 2004 im litauischen Präsidentenpalast beigetragen hatte.
Die Gedenkveranstaltung vom 8. Mai 2005 wurde von allen Veteranenorganisationen positiv bewertet. Trotzdem erwuchs aus dieser erfolgreichen Erinnerungspolitik keine neue Tradition, welche die gesellschaftlichen Gruppen, die der offiziellen Bewertung des 9. Mai nicht zustimmten, hätte einbinden können. Vor allem wurde die Veranstaltung nicht dazu genutzt, die russische nationale Minderheit in Litauen stärker zu integrieren. Diese setzte auch nach 2005 das traditionelle Gedenken an den 9. Mai als Siegestag fort. Ähnliche Diskussionen wie in Litauen gab es auch in Lettland und Estland, wobei die Staatsoberhäupter der beiden baltischen Staaten unterschiedlich auf Putins Einladung reagierten: Obwohl die Präsidentin Lettlands an der Moskauer Veranstaltung teilnahm, verfestigte sich eine negative und bis heute unveränderte Sicht auf den 9. Mai.

Sanktionen Russlands

Diese Debatten haben auch einen anderen Erinnerungskonflikt mit Russland befeuert. Im Jahre 2007 erregte eine estnische Entscheidung das Missfallen Russlands: Man versetzte das bronzene Soldatendenkmal, das zentrale Symbol des „Sieges im Großen Vaterländischen Krieg“ und der „Befreiung Estlands“ von der deutschen Okkupation, aus dem Zentrum Tallinns auf einen Friedhof. Es kam zu Massendemonstrationen, an denen hauptsächlich Angehörige der russischen Minderheit in Estland teilnahmen. Sie fanden in Russland breite Unterstützung. Russland verhängte inoffiziell Wirtschaftssanktionen gegen Estland, in deren Folge Estland Verluste in Höhe von rund 450 Millionen Euro erlitt.4 
Wie bereits früher gegen Litauen angewandte Sanktionen (Schikanen beim Lebensmittelhandel, keine Öllieferungen wegen angeblich defekter Pipeline) zeigen diese Aktivitäten, dass Russland seine ideologischen Symbole nicht mehr nur rhetorisch, sondern mit konkreten Maßnahmen verteidigte. Aber selbst dieses Vorgehen hatte keinen größeren Einfluss auf die Bewertung des 9. Mai. Im Gegenteil: Die negative Sicht verstärkte sich nach der russischen Aggression gegen die Ukraine und insbesondere der Okkupation der Krim 2014 noch weiter.
Der im Februar 2022 von Russland begonnene Krieg gegen die Ukraine verfestigte die bis heute gültige Deutung des 9. Mai. In Lettland und Estland wurden jegliche Veranstaltungen verboten. In Litauen gab es ebenfalls keinerlei größeren Feierlichkeiten. Die Litauer gingen angesichts des russischen Angriffs gegen die Ukraine noch einen Schritt weiter als die Esten 2007, indem sie das Tragen des  Sankt-Georgsbandes
Sankt-Georgsband
Das Sankt-Georgsband ist ein russisches militärisches Abzeichen (drei schwarze und zwei orangene Streifen). Unter dem Putin-Regime wurde es zum wichtigsten Symbol des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland.
 untersagten und das Denkmal für die sowjetischen Soldaten auf dem Vilniuser Antakalnis-Friedhof demontierten.

Der 9. Mai als Symbol der sowjetischen Herrschaft

Der Krieg gegen die Ukraine markiert damit einen erneuten Wandel in den baltischen Erinnerungskulturen: Der 9. Mai wird seitdem völlig ignoriert, stattdessen erwacht wieder das Gedächtnis an den Verlust der Unabhängigkeit im Juni 1940. Diese geschichtliche Erfahrung spiegelt sich auch in der Außenpolitik der baltischen Staaten wider, die innerhalb der Europäischen Union zusammen mit Polen den härtesten Kurs gegen den russischen Aggressor vertreten. Gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt gehören diese vier Staaten zu den größten Unterstützern der Ukraine. Diese Politik ist in der Öffentlichkeit unumstritten.
Damit findet auch die in der Überschrift des Beitrags aufgeworfene Frage eine klare Antwort: Trotz der russischen Versuche, die eigene Deutung des 9. Mai auch den baltischen Staaten zu oktroyieren, wird dieser Tag dort nicht als Siegestag, sondern als Symbol der sowjetischen Herrschaft erinnert.

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