Die reichhaltige Geschichte der Kaffeehauskultur wäre wohl ohne die Wiener Kaffeehäuser oder die Pariser Cafés kaum vorstellbar. Die tschechische Hauptstadt Prag wird hingegen eher mit Bierkonsum in Verbindung gebracht. Doch bei der Urbanisierung Prags zu einer europäischen Metropole spielte die Kaffeehaustradition eine wesentliche Rolle bei der Formation des öffentlichen Lebens.
Von der Provinzstadt zur böhmischen Metropole
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„Früher war das Im-Café-Leben unter den Tschechen nicht allzu populär, auch war das Leben mehr dezentralisiert, verteilte sich auf viele Punkte. Heute ists anders geworden.“, schreibt das Prager Tagblatt am 31. März 1907 anlässlich einer mehrreihigen Kaffeehäuser-Reportage.
Praha
deu. Prag, eng. Prague, lat. Praga

Prag ist die Hauptstadt Tschechiens und wird von ungefähr 1,3 Millionen Menschen bewohnt, was sie auch zur bevölkerungsreichsten Stadt des Landes macht. Sie liegt am Fluß Moldau in der Mitte des Landes im historischen Landesteil Böhmen.

erlebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Entwicklung von einer Provinzstadt der Habsburgermonarchie zu einer Metropole, die sich durchaus mit anderen europäischen Zentren dieser Zeit messen konnte. Aufgrund seiner günstigen geographischen Lage wurde die Stadt zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt und zu einer Drehscheibe internationaler (Handels-)Beziehungen. Mit dem Erstarken von Handel und Industrie wurde das Wachstum der Stadt angetrieben. Ein massiver Zuzug aus den ländlichen Gebieten war die Folge. Dazu kam eine ohnehin schon heterogene Zusammensetzung der Stadtbevölkerung, mit einer tschechischsprachigen Mehrheit sowie einer deutschsprachigen und jüdischen Minderheit. Im Kontext der Urbanisierung Urbanisierung Der Begriff Urbanisierung meint zweierlei: Einerseits das räumliche Wachstum von Städten und damit die Zunahme der hier lebenden Teile der Bevölkerung eines Landes oder einer Region. Andererseits jedoch auch die „Verstädterung“ ländlicher Regionen, beispielsweise durch deren infrastrukturelle Anbindung und den Wandel der bisherigen Lebensweise. In beiden Fällen geht es also um die Entfaltung städtischer Lebensformen. und Modernisierung Prags und den damit verbundenen Veränderungen in der Sozialstruktur der Bevölkerung sowie deren Bedürfnissen entstanden die Kaffeehäuser als neue Schauplätze öffentlichen Lebens. Denn im Unterschied zu den bisherigen Gepflogenheiten – die im Zusammenhang mit einem ausgeprägten Bier- und teilweise auch Weinkonsum standen – entwickelten sich für das Kaffeetrinken neue Verhaltensmuster.
Wie der Kaffee nach Prag kam
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Die Frage nach dem ersten Kaffeehaus in Prag lässt sich gar nicht so einfach beantworten. Das allerdings ist kein spezifisch böhmisches Phänomen, denn die Einführung des Kaffees ist auch in anderen Städten mit zahlreichen Legenden verbunden. Der Historiker und Topograph Jaroslaus Schaller (1738–1809) schildert dazu folgende Begebenheit: Der Armenier oder Araber Gorgos Hatalah el Dam-schi, auch Georgius Deodatus genannt, soll am Anfang des 18. Jahrhunderts aus Damaskus nach
Böhmen
eng. Bohemia, lat. Bohemia, ces. Čechy

Böhmen ist eine historische Landschaft im heutigen Tschechien. Die Landschaft bildet zusammen mit Mähren und dem tschechischen Teil Schlesiens das heutige Staatsgebiet Tschechiens. In der Region leben heutzutage knapp 6.5 Millionen Menschen. Die Hauptstadt Böhmens ist Prag.

gekommen sein und den Kaffee in Prag eingeführt haben. Während er zunächst durch die Straßen wandelte und auf Nachfrage den Kaffee in den bürgerlichen Wohnungen ausschenkte, eröffnete er 1714 am Kleinseitner Ende der Karlsbrücke im Haus Zu den drei Straußen (U tří pštrosů, U Lužického semináře 76/1, heute ein Hotel) ein Kaffeehaus.
 
Einhergehend mit der Entwicklung einer städtischen Gesellschaft und ihrem Bedürfnis nach öffentlichen Räumlichkeiten zur Freizeitgestaltung entstanden in Prag ab der Mitte des 19. Jahrhunderts neben den einfacheren Kaffeeschenken auch größere Etablissements. Solche existierten etwa in England und Frankreich schon längere Zeit. Das Café beim Bahnhof (Kavárna U Nádraží, Havlíčková 1029/3, 1846–1875) galt als erstes Prager Kaffeehaus im „großen Stil“, das sich mit seiner günstigen Lage gegenüber der ersten Prager Eisenbahnstation, dem heutigen Masaryk-Bahnhof (Masarykovo nadraží), direkt im Zentrum des urbanen Lebens befand. Es wurde gleichzeitig mit der Errichtung des Bahnhofs im ersten Stock des Gebäudes im orientalisch maurischen Stil umgebaut und beeindruckte mit einem reich dekorierten Interieur. Ein Versuch, die Atmosphäre und Kultur der überwiegend europäisch kolonialisierten Herkunftsländer des Kaffees – oder das, was man dafür hielt – erlebbar zu machen. Gemäß den zeitgenössischen Standards bot das Café seinen Gästen bereits damals alle Services, die von einem Grand Café erwartet werden konnten, darunter einen Lesesaal, einen Billardsalon und einen Spielsaal.
Zwischen Wien und Paris: Architektur und Interieur der Prager Kaffeehäuser
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Als Schauplatz für das kulturelle Leben dienten die beiden Hauptstraßenzüge Ferdinandstraße (heute Narodní třída) und Graben (Na příkopě), die mit dem Wenzelsplatz (Václavské náměstí) ein imaginäres Kreuz bilden. Rund um dieses Geschäfts- und Bankenzentrum siedelten sich viele Kaufhäuser, kulturelle Einrichtungen, Casinos und natürlich Gaststätten an. So wurde der Graben, Zentrum des deutschen Lebens, in der zeitgenössischen Presse als die „bedeutendste Pulsader“ und „Hauptanziehungs- und Sammelpunkt“ für Einheimische und Fremde bezeichnet. Im Gegensatz dazu sollte die Ferdinandstraße zum Mittelpunkt des tschechischen Lebens werden.
 
Analog zu anderen europäischen Metropolen befanden sich die meisten Kaffeehäuser an diesen beiden Hauptverkehrsstraßen. Dabei bildete sich in Prag im Unterschied zu den Wiener oder Pariser Cafés die Besonderheit heraus, die Kaffeehäuser im Ersten Stock zu errichten – oft über den Geschäftslokalen. Die ans Kaffeehaus angeschlossenen Restaurants oder Bars waren wiederum häufig im Souterrain Souterrain Der Begriff Souterrain (auch Tiefparterre) bezeichnet ein Unter- oder Kellergeschoss, das nicht vollständig unterirdisch angelegt ist, sondern dessen Fußboden häufig auch nur leicht unter Erd- bzw. Straßenniveau liegen kann. Über dem Souterrain folgt dann meist das höher gelegene und repräsentativere Hochparterre. Beide Geschossarten sind vor allem in europäischen oder europäisch geprägten Großstädten des ausgehenden 19. Jahrhunderts anzutreffen, bei Wohngebäuden und Stadthäusern zumeist auf der Straßenseite bzw. als Teil der Vorderhäuser größerer Gebäudeblöcke, beispielsweise den großen Mietskasernen im Berlin der Gründerzeit. Die Geschosstrennung konnte auch eine soziale Trennung sein: Das Hochparterre war wohlhabenden Familien oder den Geschäftsräumen einkommensstärkerer Berufsgruppen vorbehalten. Im Souterrain waren nicht selten Dienstwohnungen von Personal, Gastwirtschaften, Werkstätten oder Wohnungen sozial schwächerer Personengruppen untergebracht (wenn nicht ohnehin schon in die Hinterhäuser oder Nebengebäude verbannt). untergebracht oder ergänzten das eigentliche Café um weitere Räumlichkeiten im gleichen Geschoss. Andere Kaffeehäuser waren wiederum ein Bestandteil größerer Komplexe wie Vereins- und Gesellschaftshäuser oder Hotels. Zu den Paradebeispielen dieser Art von Kaffeehäusern zählt das Café im Gemeindehaus bzw. Repräsentationshaus (Kavárna v Obecním domě, Náměstí Republiky 1090/5, seit 1911), das durch seine Jugendstilelemente ins Auge sticht. Dieses monumentale Multifunktionsgebäude war Sammelstelle für verschiedene Vergnügungsstätten und diente als Vorbild für die zahlreichen Passagen, die in Prag vor allem in der Zwischenkriegszeit rund um den Wenzelsplatz errichtet wurden.
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Die Architekten der luxuriösen Etablissements fanden mit dem Jugendstil und dem Kubismus innovative künstlerische Lösungen und vermochten sich mit einer eigenen Formensprache von Wien zu lösen. Das Grand Café Orient (Ovocný trh 569/19, 1912–1920, Neueröffnung 2005), das sich im Haus Zur Schwarzen Mutter Gottes (Dům U Černé Matky Boží) des Architekten Josef Gočar (1880–1945) befindet, gilt als erstes Beispiel für kubistische Architektur in Böhmen. Die kubistischen Formen finden sich auch im Interieur wieder – und können sogar als eckiger „Cremering“ (kubistický věneček) vernascht werden.
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In Bezug auf die Ausstattung sollte das Café Procop, das 1686 von Procopio Coltelli (1651–1727) in Paris eröffnet worden war, mit seinen Kristalllustern, Marmortischen und Spiegelwänden zum Vorbild für die Kaffeehäuser in der Habsburgermonarchie werden. So orientierten sich die Prager Lokale weitgehend an den ihnen aus Wien bekannten Merkmalen, einschließlich der Garderoben- und Zeitungsständer mit zahlreichen in Leserahmen eingespannten Zeitungen sowie der Thonet-Stühle Thonet-Stühle Thonet-Stühle sind aus gebogenem Holz hergestellte Stühle, benannt nach einem der damals führenden Bugholzmöbel-Hersteller mit Sitz in Wien. . Besonders das Thonet-Modell Nr. 14, der sog. Wiener Caféhaus-Stuhl, hat große Berühmtheit erlangt, wenngleich in Prag eher verspieltere Modelle Verbreitung gefunden haben.
Von der grünen Chartreuse bis zum Eierpunsch
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Der Siegeszug des Kaffees steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Konsumgesellschaft, für die exotische Waren zunächst als Prestigeobjekte galten, bis sich diese auch in den breiteren Gesellschaftsschichten durchsetzten. So dien(t)en Kaffeehäuser als eine Art der Freizeitgestaltung zur Befriedigung des Genuss- und Konsumbedürfnisses. Neben dem einfachen „Schwarzen“ existierten jedoch zahlreiche Arten von Kaffee, wie zum Beispiel der Kapuziner, mit wenig Milch, die Melange, eine Mischung aus Hälfte Kaffee und Hälfte Milch, oder der Kaffee verkehrt, der mehr Milch als Kaffee enthielt; Kaffee mit Schlagsahne, manchmal sogar mit einer doppelten Portion, wurde als Spezialität angeboten (heute übrigens noch als Vídeňská káva, also „Wiener Kaffee“ auf der Speisekarte zu finden). Während dieses Angebot standardmäßig in jedem Kaffeehaus der Habsburgermonarchie erwartet werden konnte, entwickelten sich einige Etablissements zu wahren Genusstempeln. Dazu gehört das prächtige Café Continental im Palais Kolowrat (Na Příkopě 1047/17, 1883–(1940), wo in Zeitungsannoncen die „feinsten Nuancen des Alkohols von der grünen Chartreuse Chartreuse Chartreuse ist ein französischer Kräuterlikör. bis zum Champagner, die zartesten Schattierungen der Narkotika vom Kapuziner bis zu dem besonders gesuchten Tee und die lockendsten süßen Getränke von der Chokolade [sic!] bis zum Eierpunsch“ angepriesen wurden, ganz zu schweigen von den „mannigfaltigsten Arten des Gebäcks, die im mehlspeisliebenden Prag so willige Abnehmer [finden]“. Besonderer Beliebtheit erfreute sich das aus Fenchel, Anis und Wermut hergestellte Destillat Absinth, das trotz seiner halluzinogenen Wirkung in der Habsburgermonarchie bzw. der Ersten Tschechoslowakischen Republik nicht wie in anderen Ländern verboten wurde.
Von der Nachrichtenbörse bis zur tänzerischen Revolution
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Um die Jahrhundertwende waren dem Kaffeehaus als Ort des Konsums von Informationen über das Zeitgeschehen durch zahlreiche thematisch vielfältige, (inter-)nationale Printmedien keine Grenzen gesetzt. So stellten manche Lokale ihren Gästen bis zu 400 verschiedene Blätter bereit. Finanziell gesehen lohnte sich diese Dienstleistung für die Cafetiers allerdings nicht wirklich, denn „jeder Gast eines Kaffeehauses, der eine Tasse Kaffee bestellt[e], konsumiert[e] elf Glas Wasser und hundertzwanzig Zeitschriften“1 , wie sich der Schriftsteller Karel Čapek (1890-1938) erinnert. Deswegen sicherte erst die Kombination mit anderen Unterhaltungsformen wie Sport und Spiel (zum Beispiel Billard, Schach, Kartenspiel), Musik oder Kabarett das Auskommen der Kaffeehausbesitzer. Das Café Montmartre (Řetězová 224/7, 1911–1921), das der tschechische Kabarettist und Sänger Josef Waltner (1883–1961) eröffnet hatte, wurde beispielsweise bekannt für seine Tanzabende. Als Konglomerat zwischen Café und Künstlerkneipe stand das Lokal in der intellektuellen Qualität der Gäste jener des Moulin de la Galette auf dem Pariser Montmartre Montmartre Der Montmartre ist ein Hügel auf dem Stadtgebiet von Paris und zugleich namensgebend für den umgebenden Stadtteil im Pariser Norden. Die unmittelbar auf und am Hügel liegenden Viertel sind als künstlerische und literarische Hochburg bekannt. keineswegs nach. Es sorgte für eine Revolution unter den Prager Vergnügungsstätten, denn dort wurde zum ersten Mal Tango Argentino getanzt – natürlich unter speziellen Vorschriften. Auch der rasende Reporter Egon Erwin Kisch (1885–1948) soll hier regelmäßig mit seiner Geliebten getanzt haben.
Bürgermeisterstammtisch, Post-Börse-Verkehr und künstlerischer Umbruch: Hot Spot gesellschaftlichen Lebens
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In Bezug auf das Kaffeehauspublikum schreibt das Prager Tagblatt vom 31. März 1907 über „Stammtische, an denen distinguierte Persönlichkeiten von Rang und Würde, die zu den ersten der Prager deutschen und tschechischen Gesellschaft zählen, seit vielen Jahren die Ereignisse in der Politik, Kunst und Volkswirtschaft besprechen.“ Als Bühne für Diskussionen über wissenschaftliche Erkenntnisse, aktuelle Debatten über Politik und Gesellschaft wurden die Kaffeehäuser eine Form urbaner Öffentlichkeit und Medium der bürgerlichen Intellektuellen. Wenn sich dort Vertreter aus der Wirtschaft trafen, diente dies der Beziehungspflege und dem Geschäftsabschluss; besonders der Verkehr nach Börsenschluss brachte Schwung in die Etablissements.
Aus losen Treffen entstanden dabei besonders unter den Kunstschaffenden nicht selten formellere Gruppierungen, die ihre Zusammenkünfte weiterhin im Kaffeehaus abhielten. Sie ließen sich von der Kaffeehausatmosphäre stimulieren und entfalteten dort ihr kreatives Potenzial. So kam es, dass Kaffeehausbesuch und literarische bzw. künstlerische Produktion oft ineinandergriffen und wichtige Entwicklungen in der Kunstgeschichte vom Kaffeehaus aus ihren Lauf nahmen.
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Um 1908 etablierte sich das Café Arco (Hybernská 1004/16, 1907–2008, es diente zuletzt und seit 2016 wieder als Betriebskantine) als neues Stammcafé einer Gruppe deutschsprachiger Schriftsteller, dem sog. Prager Kreis um Franz Werfel (1890–1945), Max Brod (1884–1968) und Franz Kafka (1883–1924). Als eine Art tschechischsprachiges Pendant wurde das Café Union (Národní Třída 342/29, 1820–1941) zu einem ähnlichen Hot Spot gesellschaftlichen Lebens, wo sich ein Großteil der künftigen tschechoslowakischen Kunstelite versammelte. Mit dem Austritt der jungen Mitglieder aus dem Künstlerverein Mánes und der Gründung der Gruppe bildender Künstler (Skupina vytvarných umělců) im Café Union (1911) wurde dieses zum Schauplatz einer künstlerischen Revolution. Es war der Beginn einer überaus fruchtbaren und an Originalität kaum zu übertreffenden Schaffensperiode der tschechischen Künstler:innen. Der Schriftsteller František Langer (1888–1965) erinnert sich:
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„Er [der künstlerische Umbruch] hatte seinen Ursprung im Café Union und den Sitzungen bei Kaffee und Hörnchen. Das war einmalig, denn bisher waren alle künstlerischen Oppositionen, Verschwörungen und Sezessionen sowie neuen Cliquen, Vereine und Zeitschriften auf bürgerliche Art in Restaurants vorbereitet worden, und zwar beim Bier seltener beim Wein.“2

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Das Kaffeehaus wurde allgemein zum Ort emanzipatorischer Bestrebungen, besonders von Frauen, die dadurch etwa Zugang zu Bildung bekamen und am öffentlichen Leben teilhaben konnten – und die nach Ende des Ersten Weltkriegs ihre Kaffeekränzchen aus dem zuvor überwiegend privaten in den öffentlichen Raum verlagerten. Als „Steigbügelhalter der Frauenemanzipation in Prag“ galt etwa das Café Louvre (Národní 116/20, seit 1902), wo neben dem sog. Louvre-Zirkel deutschsprachiger Intellektueller ab der Jahrhundertwende ebenfalls Damen der tschechischsprachigen Oberschicht verkehrten. Zu den Pionierinnen in den Kaffeehäusern zählten freilich Intellektuelle und Kunstschaffende wie die Schriftstellerin Milena Jesenská (1896–1944). Als Treffpunkt unterschiedlicher Akteur:innen, die alle auf ihre Weise die Atmosphäre der Lokale mitprägten, kam dem Kaffeehaus somit eine entscheidende gesamtgesellschaftliche Relevanz zu.
Ein Prager Kaffeehauslifestyle?
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Tatsächlich sind die Kaffeehäuser in Prag zu unentbehrlichen Hot Spots gesellschaftlichen Lebens geworden: Sie fingen Missstände wie finanzielle Schwierigkeiten und Wohnungsnot auf, indem sie einen Aufenthaltsort und relativ billige Verpflegung boten. Darüber hinaus kamen sie den Bedürfnissen nach Unterhaltung, Genuss und Konsum sowie Erotik nach; als Orte für Bildung und Diskussion trugen sie zum intellektuellen Austausch bei und dienten als Geschäftsräume bzw. Vereinslokale. Um das eigentliche Getränk, die Tasse Kaffee, ging es den Besucher:innen dabei selten in erster Linie. Dabei verteilten sich unterschiedliche soziale Gruppen auf verschiedene Kaffeehäuser, ganz ähnlich wie in anderen europäischen Metropolen. In Anlehnung an Friedrich Torberg muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass es wohl ein „aussichtsloses Unterfangen [ist], das vielschichtige Phänomen ‚Kaffeehaus‘ auf einen Nenner bringen zu wollen.“3
Bei der Betrachtung der Prager Kaffeehäuser als soziokulturelle Orte sieht man sich besonders den spezifischen Narrativen der Nationen ausgesetzt. Fest steht jedoch, dass Kaffeehäuser genauso als Begegnungsstätten fungierten wie als Orte zur Demonstration unterschiedlicher politischer und kultureller Positionen, als Orte nationaler Identitätsdarstellung – insbesondere wenn sie in einen größeren, (bereits) national vereinnahmten urbanen Kontext eingebettet waren (etwa durch die Nähe zu national gefärbten Institutionen wie dem Nationaltheater). Natürlich hatten sich gewisse Kaffeehäuser für die Kunstschaffenden und Intellektuellen herauskristallisiert, so wie auch heute die Menschen in ihr Stammcafé zu gehen pflegen. Dass es dann beim Aufeinandertreffen verschiedenster Personen und Personengruppen nicht immer harmonisch herging, liegt auf der Hand. Doch gerade diese Differenzen führten zu jener kreativen und inspirierenden Atmosphäre, die für das deutsch-tschechisch-jüdische Prager urbane Milieu und dessen Kunstszene um 1900 charakteristisch werden sollte. Gerade Intellektuelle und Kunstschaffende traten als Grenzgänger:innen und Vermittler:innen auf, traten öffentlich in Dialog und eröffneten dadurch eine Sphäre nationaler Zwischenstellungen.
 
Kaffeehäuser ließen aber vor allem neue, alternative Kommunikations- und Verkehrsräume entstehen, die Begegnungen ermöglichten, die normalerweise im Alltag in dieser Form nicht stattfinden konnten. Sie wurden das, was der französische Philosoph Michel Foucault (1926–1984) als Heterotopie bezeichnete. Als Begegnungsstätten sowie Orte übernationaler Zusammenkünfte wirkten sie insofern als demokratische Institution, als sie die vielen Individuen an einen gemeinsamen Tisch brachten und Heterogenitäten egalisierten. Die Eigentümlichkeit des Prager Kaffeehauslifestyles basierte gerade auf jenem ethnisch-kulturell heterogenen Milieu, wie es Prag als Tripolis mit tschechischsprachiger Mehrheit und deutschsprachiger und jüdischer Minderheit idealtypisch verkörperte. Gerade eine Stadt wie Prag bedurfte des Kaffeehauses als demokratischem Ort zur Zusammenkunft einer kulturell hybriden Gesellschaft.