Die unterstellte Unfähigkeit, seine Dinge in Ordnung zu halten, ist heute ein häufiger Gegenstand negativer Kommentare im Internet und in den sozialen Medien. Auf dem Profil „Geschichten aus den Müllcontainern von Breslau“ zeigt ein Instagrammer wertvolle Gegenstände, die er im Müll findet. Menschen üben oft harsche Kritik an anderen, die sie nicht kennen, weil sie potenziell wertvolle Gegenstände wegwerfen. Dahinter steht die stillschweigende Annahme: Jemand hat den Wert dieser Dinge verkannt, weil ihm das nötige Wissen oder die Kompetenz fehlen; der Gegenstand ist daher in die „falschen“ Hände geraten.
Daraus ergeben sich Überlegungen zu Klassenunterschieden in Polen – während der kommunistischen Ära und heute – und über die Rolle, welche die Aneignung von Gegenständen und der soziale Aufstieg nach dem Krieg gespielt haben. Hier möchten wir besonders hervorheben, wie wichtig der imaginäre soziale Kontext eines Objekts war, wenn es um die Wahrnehmung der Eigentumsübertragung ging. Mit dem Konzept ‚Ordnung der Dinge‘ (pl.: porządek rzeczy), den wir aus den Erzählungen unserer Gesprächspartner:innen ableiten, zeigen wir, dass der Zustand eines Objekts mit der Person, der es gehört, und ihrer Fähigkeit, sich darum zu kümmern – oder eben nicht zu kümmern –, in Verbindung gebracht wird. Wenn der soziale Kontext eines Gegenstandes (bestehend aus seinen früheren und jetzigen Besitzer:innen) „wiederhergestellt“ wird, wird oft angenommen, dass dies mit einer „richtigen“ Pflege einhergeht. Dies vermittelt wiederum das Gefühl, es werde eine zuvor unterbrochene Kontinuität lediglich weitergeführt. Damit wird zudem die als unsicher empfundene Eigentumsübertragung legitimiert.
Agata, die in den 1990er Jahren Besuch von einem Mann erhalten hatte, der ihre Villa in Wrocław bewohnt hatte, beschrieb dieses Treffen wie folgt: Als der Mann darum bat, sein ehemaliges Zuhause zu sehen, ließ sie ihn eintreten. Humorvoll berichtete sie von der Atmosphäre dieses Treffens. Das Gespräch der beiden löste sich bald vom Haus. Stattdessen schilderten sie sich gegenseitig verschiedene Gegenstände, die einstmals im jeweiligen Familienbesitz waren, wie Gemälde mit Jagdszenen und Siegelringe, die ihnen als Indikatoren für ihren sozialen Status dienten.
Agata gewann den Eindruck, dass der frühere Besitzer zufrieden war, als er sah, wer die ehemalige Villa seiner Familie nun bewohnte. Er wähnte sich „an einem Ort, an dem auch die von ihnen [den Vorbesitzern] verbrachte Vergangenheit eine Rolle spielt. Es ist zwar nicht wirklich ihre Vergangenheit, aber sie wird von einer bestimmten Gesellschaftsschicht geteilt. Und es geht nicht um den Adel oder wie auch immer man es nennen mag, sondern darum, dass die Vergangenheit und ihre Werte geschätzt werden.“
Agatas Beobachtung, dass der ehemalige Besitzer sich mit dem Zustand des Grundstücks zufrieden zeigte, kann als eine Form der symbolischen Wiedergutmachung verstanden werden und als eine Art, die zerstörerische Eigentumsübertragung nach 1945 zu legitimieren.
Unsere Forschungen haben ergeben, dass die deutsche Vergangenheit von Wrocław und Szczecin für ihre heutigen Bewohner:innen nach wie vor ein relevantes Thema ist. Die von der ehemaligen deutschen Bevölkerung hinterlassenen Gegenstände wirken noch immer: Sie tragen bis heute zur Identitätsbildung bei, werden zur sozialen Abgrenzung genutzt, füllen Lücken in unterbrochenen Migrationsbiografien und rufen starke Emotionen hervor.