Die Tschechoslowakei als Brücke zwischen Ost und West?

Zwischen Freiheit und Diktatur nach Kriegsende
,
Nach der Befreiung von den NS-Besatzern waren die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) und die Sowjetunion in der tschechischen Gesellschaft populär. Aber war damit auch der Weg in den Staatssozialismus vorgezeichnet?
Als die Rote Armee am Morgen des 9. Mai 1945 in 
Praha
deu. Prag, eng. Prague, lat. Praga, yid. pr'g, yid. prag, yid. פראג

Prag (Bevölkerungszahl 2023: 1.384.732) ist die Hauptstadt und die größte Stadt der Tschechischen Republik. Sie liegt im Zentrum des Stadtgebiets am Fluss Moldau. Die erste Prager Burg entstand wohl im 9. Jahrhundert. Im 10./11. Jahrhundert lebten in anfangs noch zwei benachbarten Burgsiedlungen neben einheimischer Bevölkerung auch zugewanderte Juden. Zu Beginn der 1230er Jahre erhielt zunächst Prag Stadtrechte, 1257 folgten die Kleinseite (Malá Strana), 1320 Hradschin (Hradčany) als Burgstadt und 1348 die Prager Neustadt (Nové Město). Vom Anfang an war Prag Residenzstadt der böhmischen Herrscher, spätestens ab dem 12. Jahrhundert in den Grenzen des Heiligen Römischen Reiches. Als Kaisersitz im 14. Jahrhundert entwickelte sich Prag zu einem der wichtigsten Zentren des gesamten Reichs, 1348 entstand hier die erste Universität Mitteleuropas. 1784 wurden die vier Städte auch formal vereinigt. Nach und nach, insbesondere 1920 bzw. nach der 1918 erfolgten Gründung der Tschechoslowakei, wurden weitere Orte eingemeindet. 1938-1945 wurde Prag Hauptstadt des vom Deutschen Reich abhängigen Protektorats Böhmen und Mähren, nach der Zerschlagung des Reichs 1945 durch die Alliierten war Prag bis 1992 wieder Hauptstadt der – nun sozialistischen – Tschechoslowakei. Nach dem Zerfall der Tschechoslowakei blieb Prag als Hauptstadt der Tschechischen Republik eine der kulturell, wirtschaftlich und politisch wichtigsten Städten Mitteleuropas.

 eintraf, endete für die tschechische Bevölkerung eine sechsjährige Besatzungszeit durch das nationalsozialistische Regime. Sie war durch negative, leidvolle und erniedrigende Erfahrungen für Tschechinnen und Tschechen geprägt. Entsprechend groß waren sowohl die Freude über die wiedererlangte Freiheit als auch die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft.
Die sowjetischen Truppen marschierten in eine überwiegend befreite Stadt ein. Bereits vier Tage zuvor, am 5. Mai 1945, hatte der Prager Aufstand gegen die deutschen Besatzer begonnen.
Kurzfristig erhielten die militärisch schlecht ausgerüsteten tschechischen Aufständischen Unterstützung durch die Russische Befreiungsarmee Russische Befreiungsarmee Die Russische Befreiungsarmee war eine Ende 1944 gebildete Militäreinheit, die aus russischen Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern, Überläufern, Emigranten und Gegnern des sowjetischen kommunistischen Regimes bestand und an der Seite NS-Deutschlands kämpfte. Bekannt ist sie auch unter dem Namen ihres ersten Kommandeurs Andrej Vlasov (1901–1946) als Vlasov-Armee. Die einzige am Ende des Krieges noch bestehende Infanterie-Division unter General Sergej Bunjačenko (1902–1946) befand sich bei Prag und wechselte angesichts der bevorstehenden Niederlage des „Dritten Reichs“ die Seiten und unterstützte die Prager Aufständischen gegen deutsche Truppen. Später wurden die Angehörigen der ROA von den Amerikanern an die Sowjetunion übergeben und unterlagen dort Repressionen. In der kommunistischen Zeit (1948–1989) wurde in der Tschechoslowakei die Rolle der ROA bei der Befreiung Prags verschwiegen und diese der Roten Armee zugeschrieben. . Die deutschen Truppen vor Ort kapitulierten aufgrund eines Abkommens mit dem  Tschechischen Nationalrat
Tschechischer Nationalrat
Der Tschechische Nationalrat war ein Organ des tschechoslowakischen Widerstandes am Ende des Zweiten Weltkrieges im „Protektorat Böhmen und Mähren“. Es handelte sich um den Zusammenschluss bürgerlicher, sozialistischer und kommunistischer Widerstandsgruppen. Am 5. Mai 1945 gab er eine Erklärung über die Übernahme der Macht heraus. Mit dem Eintreffen der „Regierung der Nationalen Front“ endete seine Tätigkeit am 11. Mai 1945.
 vom Nachmittag des 8. Mai und begannen mit dem sofortigen Abzug. Einen Tag später jubelte die Prager Stadtbevölkerung den Truppen der Roten Armee zu. Der Prager Jaroslav Vacata, ein pensionierter Beamter, beschreibt die Ankunft der Roten Armee am 9. Mai in seinem Tagebuch: 

12.00 Uhr: In den Straßen Aufruhr. Es fahren Panzer und Panzerfahrzeuge der glorreichen Roten Armee durch. Die Jungs sind verstaubt. In den Straßen große Begeisterung. Es wird Hoch, Gloria gerufen, Hunderte von Händen heben sich und winken.1

Nur im Westen waren amerikanische Truppen bis an die Linie 
Karlovy Vary
deu. Karlsbad

Karlsbad ist eine Kurstadt im Westen von Tschechien und Verwaltungssitz der Region Karlsbad. Die Stadt hatte Anfang 2024 mehr als 49.000 Einwohner:innen und liegt im Tal der Tepla.
International bekannt ist die Stadt für ihre heilenden Thermalquellen, die seit dem 14. Jahrhundert genutzt werden. Ab dem 18. Jahrhundert entwickelte sich Karlsbad zu einem der bedeutsamsten Kurorte Europas und zog viele Persönlichkeiten an, darunter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Ludwig van Beethoven (1770-1827) und Zar Peter den Großen (1672-1725). Heute prägt der Kur- und Gesundheitstourismus das wirtschaftliche Profil der Stadt, ergänzt durch die Glas- und Porzellanherstellung. Karlsbad zeichnet sich durch seine sehr gut erhaltene Bäderarchitektur, Promenaden und repräsentativen historische Hotelbauten aus. Seit 2021 gehört die Stadt gemeinsam mit anderen europäischen Kurorten zum UNESCO-Welterbe „Great Spa Towns of Europa“.

Plzeň
deu. Pilsen

Pilsen ist eine Großstadt im Westen von Tschechien und Verwaltungssitz der gleichnamigen Region. Mit rund Anfang 2024 knapp 185.600 Einwohner:innen zählt sie zu den größten Städten des Landes. Geografisch lieg Pilsen am Zusammenfluss von vier Flüssen im sog. Pilsener Becken. Die Stadt spielte bereits in der Habsburgermonarchie sowie in der tschechischen Nationalbewegung eine wichtige Rolle. Neben ihrer industriellen Bedeutung – insbesondere im Maschinenbau und der Nahrungsmittelproduktion – stellt Pilsen bis heute auch ein wichtiges Bildungszentrum dar und u. a. die Westböhmische Universität (Západočeská univerzita v Plzni). Pilsen ist zudem international bekannt als Ursprungsort des Pilsner Biers, das hier erstmals 1842 gebraut wurde. Die Braukunst prägt bis heute das wirtschaftliche und kulturelle Profil der Stadt mit.

 und 
České Budějovice
deu. Budweis, eng. České Budějovice, deu. Böhmisch Budweis, lat. Budovicium, deu. Budejovice, lat. Buduicii Bohemorum, lat. Budvicensis Marobutum, lat. Buduissa, lat. Budovitium, lat. Budovisia, ces. Č. Budějovice

České Budějovice ist eine Universitätsstadt in Südböhmen (97.377 Einwohner:innen am 1. Januar 2024). Ursprünglich ein Dorf am Zusammenfluss von Moldau und Maltsch wurde die Stadt im ausgehenden Hochmittelalter gezielt zu einer böhmischen Königsstadt ausgebaut und befestigt. Strategisch günstig und an wichtigen Handelsstraßen gelegen entwickelte sich die Stadt umgehend zum wirtschaftlichen und politischen Zentrum Südböhmens. Bis heute ist sie bekannt für ihre historische Altstadt und ein wichtiges regionales Zentrum für Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur. Überregional bekannt ist České Budějovice insbesondere auch für seine Brautradition und das Budweiser Bier.

 vorgedrungen. Ansonsten hatten die sowjetischen Truppen den Großteil des Landes befreit. Bereits im November 1945 zogen sowohl die 
Sowjetunion
eng. Soviet Union, deu. Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, rus. Sovetskiy Soyuz, rus. Советский Союз, . Совет Ушем, . Советонь Соткс, rus. Sovetskij Soûz, . Советий Союз, yid. ראַטן־פֿאַרבאַנד, yid. סאוועטן פארבאנד, yid. sovətn farband, yid. sovʿtn-farband, yid. sovətn-farband, . Советтер Союзу, . Совет Союзы, deu. Советий Союз, . Советон Цæдис, . Совет Эвилели

Die Sowjetunion (SU oder UdSSR) war ein von 1922 bis 1991 bestehender Staat in Osteuropa, Zentral- und Nordasien. Sie ist aus dem sog. Sowjetrussland hervorgegangen, dem Nachfolgestaat des Russländischen Kaiserreichs. Den Kern der Union und zugleich ihren größten Teil bildete die Russische Sowjetrepublik, hinzu kamen weitere Teilrepubliken. Ihre Zahl variiert über die Zeit hinweg und steht im Zusammenhang mit der Besatzung anderer Länder (Estland, Lettland, Litauen), nur kurzzeitig bestehenden Sowjetrepubliken (Karelo-Finnland) oder mit der Teilung bzw. Zusammenlegung von Sowjetrepubliken. Zusätzlich gab es zahlreiche autonome Republiken oder sonstige Gebietseinheiten mit einem Autonomiestatus, der sich im Wesentlichen auf eine sprachliche Autonomie der Minderheiten beschränkte.

Die UdSSR bestand vor ihrer formellen Auflösung aus 15 Sowjetrepubliken mit einer Bevölkerung von ungefähr 290 Millionen Menschen. Mit ca. 22,4 Millionen km² bildete sie den damals größten Flächenstaat der Welt. Die Sowjetunion war eine sozialistische Räterepublik mit einem Einparteiensystem und einer fehlenden Gewaltenteilung.

 als auch die USA ihre Soldaten aus der Tschechoslowakei wieder ab.

Die „Dritte Republik“

Die Zeit zwischen der Befreiung der Tschechoslowakei von den deutschen Besatzern im Mai 1945 und der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 wird heute als „Dritte Republik“ „Dritte Republik“ Der Begriff steht für die Tschechoslowakei in der Zeit vom Mai 1945 bis zum Februar 1948 und knüpft an die Bezeichnungen für die „Erste Republik“ von 1918 bis 1938 und die „Zweite Republik“ vom September 1938 (Münchener Abkommen) bis März 1939 (Errichtung des „Protektorats Böhmen und Mähren“) an. bezeichnet. Sie gilt als eine Übergangszeit.2 Bis heute findet die Frage nach dem Charakter des politischen Systems der „Dritten Republik“ viel Beachtung. In der aktuellen historischen Forschung wird von einer „beschränkten Demokratie“ gesprochen.3 Umstritten ist, ob der Weg in die Diktatur der Kommunistischen Partei im Februar 1948 unausweichlich gewesen ist.
Die Zeichen für eine freiheitliche Entwicklung der Tschechoslowakei standen nach Kriegsende zunächst nicht schlecht. Im März 1945 einigte sich die tschechoslowakische Exilregierung in London unter Leitung des Staatspräsidenten Edvard Beneš Edvard Beneš Edvard Beneš (1884–1948) war ein tschechoslowakischer Politiker und Staatsmann und enger Verbündeter des Staatsgründers Tomáš G. Masaryk. Er war zunächst Außenminister (1918–1935) und dann von 1935 bis 1938 und erneut nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1948 Staatspräsident der Tschechoslowakei. Während des Zweiten Weltkriegs leitete Beneš als Präsident im Exil von London aus den Kampf gegen das NS-Regime und für die Wiederherstellung der Tschechoslowakei. Nach Kriegsende kehrte er zurück. mit den im Moskauer Exil befindlichen tschechoslowakischen Kommunisten auf eine Koalitionsregierung, die „Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken“. Ihr gehörten Vertreter sechs politischer Parteien – auch vier demokratischer – an.
In den Monaten nach der Befreiung kam es zu grundlegenden gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Veränderungen. Die negativen Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren hatten dazu geführt, dass sich große Teile der Bevölkerung gegen einen liberalen Kapitalismus, für die Verstaatlichung der Großbetriebe und Schlüsselindustrien, eine Bodenreform sowie eine umfassende staatliche Sozialpolitik aussprachen.
Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) Die tschechoslowakischen Kommunisten hatten sich 1921 durch Abspaltung von den Sozialdemokraten als eigene Partei etabliert. Seit 1929 dominierte eine moskautreue Ausrichtung die Partei, die in den Wahlen 1929 und 1935 circa 10 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Die Partei bestand unter dem Namen KSČ insgesamt bis 1990 und fungierte von 1948 bis 1989 als marxistisch-leninistische Einheitspartei.  war dabei die treibende Kraft. Nach dem Krieg traten die Kommunisten als nationale, staatstragende Partei auf. Sie waren von allen Parteien am besten organisiert, hatten die meisten Mitglieder (im Frühjahr 1946 eine Million) und sprachen von einem tschechoslowakischen Weg zum Sozialismus, der sich von dem der Sowjetunion unterscheiden könne.4 Die KSČ forderte und realisierte bewusst populäre Maßnahmen. Sie setzte sich beispielsweise für die Zuteilung des Landes der enteigneten Deutschen an tschechische Bauern ein und verzichtete in jener Zeit darauf, die unpopuläre Kollektivierung der Landwirtschaft zu fordern. Die Gewerkschaften mit fast zwei Millionen Mitgliedern standen unter ihrem Einfluss. Auch im Kulturmilieu gab es viele Unterstützer.

Der Staatspräsident und die Beseitigung des Münchener Abkommens

Edvard Beneš, der in der Zwischenkriegszeit bis zu seiner Wahl zum Staatspräsidenten 1935 das Amt des Außenministers innegehabt hatte, betrieb im Zweiten Weltkrieg aus dem Londoner Exil den Kampf für die Wiedererrichtung der Tschechoslowakei.5 Die Rückkehr in die befreite Heimat, wo er begeistert von der tschechischen Bevölkerung begrüßt wurde, war ein Triumph für ihn.
Das Münchener Abkommen vom Herbst 1938 hatte nicht nur die Abtretung der überwiegend von deutschsprachiger Bevölkerung bewohnten Gebiete an das Deutsche Reich bedeutet. Traumatisch wirkte für die Tschechinnen und Tschechen sowie Beneš zudem, dass das Abkommen die bisherige außen- und sicherheitspolitische Konzeption des Staates infrage gestellt hatte. Man fühlte sich von den westlichen Bündnispartnern Frankreich und Großbritannien an NS-Deutschland verraten. Neue Sicherheit vor Deutschland sollte nun nach Kriegsende ein enges Bündnis mit der Sowjetunion bringen.
Beneš überschätzte einerseits die künftig von Deutschland ausgehende Bedrohung und verkannte andererseits die hegemoniale Bedrohung durch die Sowjetunion. Schon im Dezember 1943 hatte Beneš einen Bündnisvertrag mit der Sowjetunion abgeschlossen. Sozialpolitischen Veränderungen und der Vereinfachung des politischen Parteiensystems stand er offen gegenüber. Er ging davon aus, dass sich die Kooperation der Antihitlerkoalition zwischen der Sowjetunion und den westlichen Demokratien auch nach dem Krieg fortsetzen und sich beide gesellschaftlichen Systeme weiter annähern würden – das Gegenteil trat jedoch ein. Der Tschechoslowakei schrieb er dabei die Rolle einer Brücke zwischen Ost und West zu.6

Verhandlungen in Moskau im März 1945

Im März 1945 flogen die Repräsentanten der Londoner Exilregierung ( Sozialdemokraten Sozialdemokraten Die Tschechoslowakische Sozialdemokratische Arbeiterpartei wurde 1878 unter dem Namen „Sozialdemokratische tschechoslawische Partei in Österreich“ gegründet. In der Zwischenkriegszeit hatte sie anfangs erhebliches politisches Gewicht, wurde dann aber durch die Abspaltung der Kommunisten 1921 geschwächt. Nach dem Münchner Abkommen 1938 löste sich die Partei auf, einzelne Mitglieder arbeiteten in der Londoner Exilregierung mit. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sie als Partei und Mitglied in der Regierung ihre Aktivität wieder fort. Geschwächt wurde sie dabei durch Flügelkämpfe um ihre politische Ausrichtung. Letztlich setzte sich derjenige Flügel durch, der eine enge Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei befürwortete. Nach der Vereinigung mit dieser traten jedoch viele Mitglieder aus der Partei aus und einige tschechoslowakische Sozialdemokraten gingen ins Exil. , Volkssozialisten Volkssozialisten Eine demokratische tschechische Partei, die 1897 als Abspaltung von den tschechischen Sozialdemokraten und den nationalliberalen „Jungtschechen“ gegründet worden war. Sie war in den Jahren 1918 bis 1926 und 1929 bis 1938 Teil von Regierungskoalitionen. Die Partei stand Beneš nahe, der bis zu seiner Wahl zum Staatspräsidenten 1935 ihr Mitglied war und katholische Volkspartei Volkspartei Eine demokratisch ausgerichtete katholische Partei, die 1918/19 durch Zusammenschluss von drei christlich-sozialen Parteien gegründet worden war. Seit 1921 war sie in allen Koalitionsregierungen der Tschechoslowakei vertreten. ) mit Präsident Beneš nach Moskau, um mit Vertretern der KSČ und dem Vorstand des  Slowakischen Nationalrats
Slowakischer Nationalrat
Der Slowakische Nationalrat war das Hauptorgan des slowakischen Widerstands im Zweiten Weltkrieg. Er entstand im September 1943. In ihm waren sowohl Kommunisten als auch Demokraten vertreten. Der Slowakische Nationalrat beteiligte sich an der Planung und Durchführung des Slowakischen Nationalaufstandes (Ende August bis Ende Oktober 1944) gegen das mit dem „Dritten Reich“ verbündete Tiso-Regime und die Nationalsozialisten. Am Ende des Krieges übernahm der SNR als Regierungsorgan in slowakischen Landesteil der Tschechoslowakei faktisch die gesetzgebende und vollziehende Macht.
 ( Kommunistische Partei der Slowakei Kommunistische Partei der Slowakei Die Kommunistische Partei der Slowakei entstand im Mai 1939 durch Abspaltung von der zuvor verbotenen Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Sie wirkte in der Zeit der Existenz des Slowakischen Staates im Zweiten Weltkrieg in der Illegalität.  und  Demokratische Partei
Demokratische Partei
Die Demokratische Partei war eine slowakische politische Partei in der Tschechoslowakei in den Jahren 1944 bis 1948. Sie entstand im September 1944 während des Slowakischen Nationalaufstands aus mehreren demokratischen Gruppierungen des Widerstandes.
) die Modalitäten einer zukünftigen Regierung zu besprechen.
Die Kommunisten hatten als einzige einen Entwurf für ein Regierungsprogramm und die Zusammensetzung einer zukünftigen Regierung vorgelegt, den die übrigen Teilnehmer weitgehend akzeptierten. Nur einer von vierzehn Punkten des Programms sorgte für größere Auseinandersetzungen, nämlich derjenige, der die Stellung der 
Slowakei
slk. Slovensko, eng. Slovakia

Die Slowakei ist ein Staat in Ostmitteleuropa, der von ca. 5,5 Millionen Menschen bewohnt wird. Die Hauptstadt des Landes ist Bratislava (Pressburg). Die Slowakei ist seit 1993 unabhängig.

 im zukünftigen Staat behandelte. Beneš und die ihm nahestehende Partei der Volkssozialisten taten sich immer noch schwer, die Slowaken als selbständige und gleichberechtigte Nation anzuerkennen. Sie befürchteten, mit Zugeständnissen angeblichen slowakischen separatistischen Tendenzen Vorschub zu leisten, konnten ihre Vorstellungen aber nicht durchsetzen. Über viele andere Punkte, wie beispielsweise die Vertreibung der Deutschen, herrschte Konsens.7
Man einigte sich auch auf einen weitgehend paritätischen Verteilungsschlüssel für die Ministerien. Die Kommunisten waren insofern privilegiert, als sie sowohl als KSČ als auch als Kommunistische Partei der Slowakei in der Regierung vertreten waren. Mit dem Innenministerium, dem die Polizei und Sicherheitsdienste unterstanden, und dem neu geschaffenen Informationsministerium erhielten sie Schlüsselressorts, die sie in der Folgezeit geschickt zum Ausbau ihrer Macht zu nutzen wussten. Auch die Leitung des Landwirtschaftsministeriums übernahmen sie. Es spielte bei der Zuteilung des Landes der enteigneten und vertriebenen Deutschen an Tschechinnen und Tschechen eine wichtige Rolle. In den ehemals von Deutschen besiedelten Gebieten, dem sogenannten Grenzland, erreichten die Kommunisten auch aufgrund dieser Tatsache bei den Wahlen im Mai 1946 besonders gute Wahlergebnisse: im Gebiet 
Aussig

Ústí nad Labem ist eine Stadt im äußersten Nordwesten Tschechiens mit (Anfang 2023) fast 92.000 Einwohnern. Die Universitätsstadt liegt am Oberlauf der Elbe zwischen Erzgebirge und Böhmischem Mittelgebirge und ist ein wichtiges Industriezentrum.

 zum Beispiel 56 Prozent.

Demokratie ohne Opposition: Die Regierung der Nationalen Front

Auf der Grundlage der Verhandlungen in Moskau wurde am 4. April 1945 im bereits befreiten Osten der Slowakei in Košice (Kaschau) die „Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken“ gebildet. Sie bestand aus Vertretern aller sechs zugelassenen Parteien, wobei die Sozialisten die größte Gruppe bildeten. Mit der slowakischen Demokratischen Partei und der tschechischen katholischen Volkspartei gehörten jedoch auch zwei nichtsozialistische Parteien der Nationalen Front an. Die stärkste Partei der „Ersten Republik“, die konservativ-bürgerliche Tschechoslowakische Agrarpartei Tschechoslowakische Agrarpartei Die Republikanische Partei des landwirtschaftlichen und kleinbäuerlichen Volkes (Republikánská strana zemědělského a malorolnického lidu) war eine konservativ-bürgerliche Partei. , sowie die in der Slowakei einflussreiche Volkspartei Andrej Hlinkas Volkspartei Andrej Hlinkas Hlinkas Slowakische Volkspartei war eine slowakische katholische Partei. Gegründet hatte sie der katholische Priester Andrej Hlinka (1864–1938). In der Zwischenkriegszeit stellte sie sich gegen den Prager Zentralismus und forderte für die Slowakei Autonomie. Seit 1925 war sie die stimmenstärkste Partei im slowakischen Landesteil. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre radikalisierte sie sich zu einer klerikal-faschistischen Partei. Hlinkas Nachfolger als Parteichef war der katholische Priester Jozef Tiso (1887–1947). Er hatte im NS-Schutzstaat Slowakei das Amt des Staatspräsidenten (1939–1945) inne.  waren aufgrund des Vorwurfes der Kollaboration mit den Nationalsozialisten auf Vorschlag der Kommunisten verboten worden. Das politische Spektrum hatte sich demnach nach links verschoben. Eine parlamentarische Opposition wurde nicht mehr zugelassen.
Die Zusammenarbeit der Parteien in der „Nationalen Front“ funktionierte zunächst verhältnismäßig gut. Die Vorstellung, dass Demokraten und Kommunisten sich in den Diskussionen immer gegenübergestanden hätten, ist falsch. Häufig – insbesondere in sozialen und wirtschaftlichen Fragen – argumentierten sie zusammen für eine Entscheidung.8

Das Kaschauer Regierungsprogramm

Am 5. April 1945 wurde in 
Kaschau
hun. Kassa, yid. koshoy, yid. košoj, yid. košoy, yid. kʾšoy, yid. קאשוי, deu. Košice, . Kasha, lat. Caschowia, deu. Cassovia, lat. Cosszicze, deu. Casschaw, deu. Casscha, lat. Cossa, deu. Kossa, lat. Cassow, lat. Cassouia, lat. Cassa, hun. Kasza

Košice (Bevölkerung 2023: 225.044) ist eine Großstadt im Osten der Slowakei. Sie entstand aus einer slawischen und einer von deutschen Kolonisten gegründete Siedlung an einem bedeutenden Handelsweg von Ungarn nach Polen, die vor 1230 zusammengewachsen sind. Nach 1241 erhielt der Ort Stadtrechte. Košice war bald (als Kassa) die größte und wichtigste Stadt Oberungarns. Im 18. Jahrhunderts verlor sie an Bedeutung. Nach dem Zerfall von Österreich-Ungarn war Košice 1918/19 Hauptstadt der kurzlebigen von Ungarn abhängigen Ostslowakischen Republik und einige Zeit später der Slowakische Räterepublik, bevor es endgültig Teil der neugegründeten Tschechoslowakischen Republik wurde. 1938-1945 wurde die Stadt von Ungarn annektiert. Während des Zweiten Weltkriegs war Košice der wichtigste Umschlagsbahnhof für die aus Ungarn in die Konzentrationslager deportierten Juden. Nach dem Einmarsch der Roten Armee am 19.1.1945 war Košice bis 8.5.1945 die provisorische Hauptstadt der Tschechoslowakei. Nach der Machtübernahme durch die prosowjetischen Kräfte in der Tschechoslowakei 1948 erlebte die Stadt eine massive Industrialisierung. Ab 1993 ist Košice die zweitgrößte Stadt der neuentstandenen Slowakischen Republik.

 das „Kaschauer Programm“ bekanntgegeben, dessen Inhalte – ebenso wie die Zusammensetzung der einen Tag zuvor ernannten Regierung – in den Moskauer Verhandlungen festgelegt worden waren.9 Das Kaschauer Programm ist ein Schlüsseldokument der „Dritten Republik“, das grundlegende Veränderungen verkündete. Sie wurden in den folgenden Monaten durch sogenannte Dekrete des Präsidenten ( „Beneš-Dekrete“ „Beneš-Dekrete“ Unter der Bezeichnung „Beneš-Dekrete“ werden 143 Verordnungen des Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik zusammengefasst, die von der tschechoslowakischen Exil- und Nachkriegsregierung in den Jahren 1940-1945 verfasst und von Beneš mitunterzeichnet wurden. ) umgesetzt. In der Außenpolitik plädierte man für ein „engstes Bündnis“ mit der Sowjetunion, das zur „unabdingbaren Leitlinie“ der weiteren Politik werden sollte. Im militärischen Bereich diente die Rote Armee als Vorbild für den Aufbau einer neuen tschechoslowakischen Armee.
In der Innenpolitik wurde die Gleichstellung von Slowaken und Tschechen proklamiert. In der Realität ordneten die tschechischen Parteien den Slowakischen Nationalrat und die slowakischen Landesorgane jedoch schon ein Jahr später der Prager Zentralregierung unter.10 Die Verwaltung organisierte man in sogenannten Nationalausschüssen in den Gemeinden, Kreisen und Bezirken neu. Banken, Versicherungen, Bergwerke und Schlüsselindustrien wurden verstaatlicht. Kriegsverbrecher und „Verräter“ sollten vor Volks- und Nationalgerichten schnell zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden.
Die Deutschen traf als Reaktion auf die Erfahrung des Münchener Abkommens und die erniedrigende nationalsozialistische Besatzungspolitik im „Protektorat Böhmen und Mähren Böhmen und Mähren Das Protektorat Böhmen und Mähren bestand zwischen März 1939 und Mai 1945 und war ein von den NS-Regime besetztes Gebiet. Es handelt sich um dasjenige Territorium der Tschechoslowakei, das nach der erzwungenen Abtretung der überwiegend sudetendeutsch besiedelten Randgebiete des westlichen Teils der Tschechoslowakei im Herbst 1938 (Münchener Abkommen) sowie nach der Sezession der Slowakei (März 1939) übriggeblieben war und hauptsächlich von Tschechen bewohnt wurde. “ allgemeiner Hass, der sich vor allem gegen die Sudetendeutschen richtete. Die Sudetendeutsche Partei Sudetendeutsche Partei Die Sudetendeutsche Partei wurde im Oktober 1933 zunächst als Sudetendeutsche Heimatfront von Konrad Henlein (1898–1945) gegründet. 1935 erfolgte die Umbenennung in Sudetendeutsche Partei. Die Bewegung verstand sich als Sammelbewegung aller Deutschen in der Tschechoslowakei. Geprägt wurde sie durch zwei antidemokratisch ausgerichtete Strömungen. In den ersten Jahren dominierten Anhänger des „Kameradschaftsbundes“, die sich an Othmar Spann (1878–1950) und seinen Vorstellungen von einem autoritativen Ständestaat orientierten. Die zweite Strömung, die sich nach 1935 durchsetzte, identifizierte sich mit den Nationalsozialisten. Die Partei unterlag somit einem Prozess der (Selbst-)Nazifizierung. Spätestens seit November 1937 handelte Henlein auf Hitlers Anweisung.  hatte sich Ende der 1930er Jahre aktiv an der Zerschlagung der demokratischen Tschechoslowakei beteiligt und offen zum Nationalsozialismus bekannt. 1945 sprachen sich alle tschechoslowakischen Parteien für einen Nationalstaat ohne deutsche und auch ungarische Minderheit aus. Angehörigen der deutschen und ungarischen Minderheit wurde bis auf wenige Ausnahmen die Staatsbürgerschaft aberkannt.11 Eine Landreform sah die Umverteilung ihres beschlagnahmten Grundbesitzes vor. Innerhalb von zwei Jahren – zwischen 1945 und 1946 – wurde der Großteil der circa drei Millionen Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei vertrieben.

Die Wahlen im Mai 1946

Im Mai 1946 fanden schließlich Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung statt. Dabei hofften die nichtkommunistischen Parteien auf einen Sieg. Im tschechischen Teil des Landes, den sogenannten böhmischen Ländern, trat aber das Gegenteil ein. Die Kommunisten erlangten dort 40 Prozent der Stimmen, in der Tschechoslowakei erzielten sie insgesamt 38 Prozent. Die Volkssozialisten gewannen nur 18 Prozent, die katholische Volkspartei 16 Prozent und die Sozialdemokraten 13 Prozent. In der Slowakei erzielte dagegen die Demokratische Partei mit 62 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit, während die Kommunistische Partei der Slowakei 30 Prozent erlangte. Aufgrund des Wahlsieges der KSČ wurde nun ihr Parteiführer, Klement Gottwald Klement Gottwald Klement Gottwald (1896–1953) war ein tschechischer kommunistischer Politiker. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. 1929 wurde er auf dem 5. KSČ-Parteitag zu ihrem Generalsekretär gewählt und setzte einen moskautreuen Kurs der Partei durch. Seit 1929 gehörter er für die KSC dem Parlament der Tschechoslowakei an. Von 1939 bis 1945 war er in der Sowjetunion im Exil. In der Kaschauer Regierung (1945–1946) hatte er das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten inne. Von 1946 bis 1948 leitete er die Regierung, danach wurde er nach Beneš’ Rücktritts Staatspräsident der Tschechoslowakei (1948–1953). , neuer Regierungschef.
Obwohl die Wahlen insbesondere wegen einer beschränkten Zahl an zugelassenen Parteien und ohne Opposition heute als nicht völlig demokratisch eingestuft werden, galten sie damals unter den angetretenen Parteien als weitgehend frei und wurden akzeptiert. Tatsache bleibt jedoch, dass die KSČ zwar als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorging, aber nie die absolute Mehrheit erlangte. In den folgenden Jahren formte sie die Tschechoslowakei trotzdem in eine kommunistische Diktatur um.

Der Weg in die Diktatur: Die Regierungskrise vom Februar 1948

Im Zuge der sich immer deutlicher herausbildenden Ost-West-Spaltung im Jahre 194712 gingen die tschechoslowakischen Kommunisten seit der zweiten Jahreshälfte auf sowjetische Anweisung immer bewusster auf Konfrontationskurs.
Nachdem der kommunistische Innenminister einseitig vorgenommene Stellenbesetzungen in den ihm unterstellten Sicherheitsorganen mit KSČ-Parteimitgliedern trotz entsprechender Aufforderungen nicht rückgängig machte, reichten am 20. Februar 1948 zwölf von insgesamt 26 Ministern der demokratischen Parteien in der Hoffnung auf Neuwahlen ihren Rücktritt ein.13
Am 25. Februar 1948 gab der gesundheitlich angeschlagene Staatspräsident Edvard Beneš dem kommunistischen Druck nach und ernannte eine erneuerte Regierung unter Klement Gottwald. Die KSČ übernahm so verhältnismäßig leicht die alleinige Macht im Staat.14
Bereits zuvor hatten die Kommunisten Gefolgsleute in den anderen Parteien angeworben. Zugleich mobilisierten sie ihre Anhänger und demonstrierten ihre Stärke durch Großdemonstrationen. Geschickt nutzten sie ihre Kontrolle der Sicherheitsorgane und der einflussreichen Gewerkschaften, indem sie mit einem vorbereiteten Generalstreik drohten. Während die Kommunisten sich durch rege Aktivitäten auszeichneten und die Massen mobilisierten, blieben die Parteien der zurückgetretenen Minister passiv.
Die Kommunisten gestalteten noch während der Februartage das System der Nationalen Front so um, dass sie keine Rücksicht mehr auf die anderen, demokratischen Parteien nehmen mussten. Es folgten innerhalb kürzester Zeit eine Verhaftungs- und Verfolgungswelle der politischen Gegner, die Gleichschaltung der Medien, Wahlen nach Einheitslisten sowie die Annahme einer neuen Verfassung.15 Beneš’ Hoffnungen für die Tschechoslowakei als eine „Brücke zwischen Ost und West“ hatten sich als Illusion erwiesen.

Informations-Bereich