Displaced Persons zwischen Befreiung und Neuanfang
Enttäuscht in unseren Träumen und Hoffnungen und zu weiterem Umherirren außerhalb der Grenzen des eigenen Vaterlandes verurteilt, müssen wir uns unter fremden und uns nicht wohlgesonnenen Menschen aufhalten (…).1
Toruń ist eine polnische Groß- und Universitätsstadt mit fast 200.000 Einwohner:innen und neben Bydgoszcz (deutsch Bromberg) eine der zwei Hauptstädte der polnischen Woiwodschaft Kujawien-Pommern (poln. województwo kujawsko-pomorskie).
Toruń liegt in der historischen Landschaft des Kulmerlands. Gegründet im Hochmittelalter unter dem Deutschen Orden trat die Stadt im 14. Jahrhundert der Hanse bei. Im 15. Jahrhundert fiel die Stadt wie das weitere Kulmerland, Pommerellen oder auch das Ermland an das Königreich Polen. Im Zuge der ersten Teilung Polen-Litauens 1772 kam Toruń zu Brandenburg-Preußen und war bis ins 20. Jahrhundert Teil der preußischen Provinz Westpreußen.
Nikolaus Kopernikus (1473-1543, eig. Niklas Koppernigk) wurde hier geboren.
Was sind Displaced Persons?
Die Sowjetunion (SU oder UdSSR) war ein von 1922 bis 1991 bestehender Staat in Osteuropa, Zentral- und Nordasien. Sie ist aus dem sog. Sowjetrussland hervorgegangen, dem Nachfolgestaat des Russländischen Kaiserreichs. Den Kern der Union und zugleich ihren größten Teil bildete die Russische Sowjetrepublik, hinzu kamen weitere Teilrepubliken. Ihre Zahl variiert über die Zeit hinweg und steht im Zusammenhang mit der Besatzung anderer Länder (Estland, Lettland, Litauen), nur kurzzeitig bestehenden Sowjetrepubliken (Karelo-Finnland) oder mit der Teilung bzw. Zusammenlegung von Sowjetrepubliken. Zusätzlich gab es zahlreiche autonome Republiken oder sonstige Gebietseinheiten mit einem Autonomiestatus, der sich im Wesentlichen auf eine sprachliche Autonomie der Minderheiten beschränkte.
Die UdSSR bestand vor ihrer formellen Auflösung aus 15 Sowjetrepubliken mit einer Bevölkerung von ungefähr 290 Millionen Menschen. Mit ca. 22,4 Millionen km² bildete sie den damals größten Flächenstaat der Welt. Die Sowjetunion war eine sozialistische Räterepublik mit einem Einparteiensystem und einer fehlenden Gewaltenteilung.
Wahrhaft traurig und beklagenswert ist die Tatsache, dass wir zwölf Monate nach Beendigung der Kriegshandlungen in Europa von Lager zu Lager verschoben werden, wo wir weiterhin mit Abscheu auf den uns umschließenden Stacheldraht schauen müssen, auf die löchrigen und übelriechenden Baracken der früheren Lager, von denen wir uns mit solcher Freude trennten und die wir nie wieder sehen wollten.3
Österreich ist ein von ungefähr 8,9 Millionen Einwohner:innen bewohntes Land in Mitteleuropa. Hauptstadt des Landes ist Wien.
Warum kehrten Displaced Persons nicht zurück?
Der von den Alliierten zunächst als kurze Übergangszeit verstandene Aufenthalt in DP-Camps wurde somit zu einem andauernden Zustand. In den Camps übernahmen gewählte wie selbsternannte Eliten Aufgaben in der Selbstverwaltung. Viele förderten das jeweilige Nationalbewusstsein, verstanden sich als Antikommunist:innen und stilisierten sich und ihre Landsleute in den DP-Camps als die wahren Repräsentant:innen ihres Landes. Sie verstanden ihre Heimat, beispielsweise die
Die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (kurz USSR, auch UkrSSR, Ukrainisch: Українська Радянська Соціалістична Республіка) war von 1922 bis 1991 eine Unionsrepublik der Sowjetunion (UdSSR). Gegründet wurde die USSR 1919, Hauptstadt war bis 1934 Charkiw (russ. Charkow), im Anschluss und bis zum Ende (1991) der UdSSR Kiew. In der USSR lebten gegen Ende (1989) rund 51,7 Millionen Menschen.
Zweite Polnische Republik (Polnisch: II. Rzeczpospolita) ist die gängige Bezeichnung für den wiedererrichteten polnischen Staat (Republik Polen), der am 11.11.1918, nach Ende des Ersten Weltkriegs und 123jähriger Teilungszeit, seine Unabhängigkeit wiedererlangte. Seine Ausdehnung vor allem nach Osten war wesentlich kleiner als zur Zeit der sogenannten 1. Republik (Adelsrepublik), die 1795 mit der dritten Teilung Polens zwischen der Habsburgermonarchie, Preußen und Russland zu existieren aufgehört hatte.
Die Grenzen der Zweiten Polnischen Republik zu den Nachbarstaaten wurden erst 1921 und infolge bewaffneter Konflikte festgelegt, wobei sie auch im Nachgang (und teils während der gesamten Existenz der Zweiten Polnischen Republik) umstritten bleiben konnten. Dem deutschen Angriff auf Polen am 1.9.1939 und dem sowjetischen Einmarsch in Polen am 17.9.1939 folgte am 28.9.1939 die Kapitulation in Warschau, was dem funktionalen Ende der Zweiten Republik gleichkam. Als ihr formelles Ende wird oft die Rücknahme der Anerkennung der polnischen Exilregierung durch die britischen und US-amerikanischen Regierungen am 5.7.1945 angesehen, allerdings wurden die Organe der späteren Volksrepublik Polen von der Sowjetunion bereits am 24.6.1944 als offizielle Vertretung Polens anerkannt. Der Präsident der polnischen Exilregierung in London, Ryszard Kaczorowski, übergab am 22.12.1990 als letztem, symbolischem Akt der Zweiten Polnischen Republik deren Insignien an den damaligen polnischen Präsidenten in Warschau, Lech Wałęsa.
Zu diesen Exilsoldaten zählte beispielsweise Alfons Borowski. Er hatte vor dem Krieg in Ostpolen gelebt, das 1939 von der Sowjetunion besetzt
Sibirien erstreckt sich über eine Fläche von 12,8 Mio. Quadratkilometern zwischen dem Ural, dem Pazifik, dem Nordpolaarmeer, China und der Mongolei. 1581/82 begann die russische Eroberung Sibiriens. Zur Zeit der Aufklärung vor allem Rohstoffquelle und Raum für den Handel mit Asien, gewann Sibirien ab dem 19. Jahrhundert Bedeutung als Ort für Strafkolonien und Verbannte. Mit der Erschließung durch die transsibirische Eisenbahn und der Dampfschifffahrt am Ende des 19. Jahrhunderts kamen Industrialisierung und damit neue Siedler nach Sibirien. Weitere Industrialisierung unter Stalin wurde vor allem mit der Arbeitskraft von Gulag-Häftlingen und Kriegsgefangenen umgesetzt.
Die Karte zeigt Nordasien, zentral gelegen Sibirien. CIA World Factbook, bearbeitet von Veliath (2006) und Ulamm (2008). CC0 1.0.
Das Lagerleben zwischen Hoffnung und Monotonie
Das ist unser schweres Schicksal, das Schicksal der Polen; wir waren unter den ersten, die ihre Freiheit und Unabhängigkeit verloren haben, und wir werden die letzten sein, die sie wiedererlangen. Ich denke oft an zu Hause, an meine Mutter (…). Ich denke oft darüber nach, ob nach dem Durchzug der deutschen und russischen Armeen durch ganz Polen (…) unsere Gehöfte übriggeblieben sind.11
Die Aufzeichnungen zu den kommenden Monaten sind geprägt von Heimweh. Zudem betrübte Żok die Ungewissheit, was aus seinen Angehörigen geworden sein mochte.16 Offenbar hatte er keinerlei Kontakt nach Hause. Er verbrachte seine Tage zunächst mit Nichtstun, Spazierengehen und Schwimmen.17 Nach einiger Zeit nahm er im DP-Camp eine Arbeit auf. Die Displaced Persons zu beschäftigen und Langeweile vorzubeugen, waren explizite Anliegen der US-Militärregierung und der internationalen Hilfsorganisation UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration). Letztere war vornehmlich für die Versorgung sowie Rückführung der Displaced Persons zuständig. In einer UNRRA-Zeitung hieß es, dass Arbeit einen wesentlichen Bestandteil des zivilen Neuanfangs der Displaced Persons darstelle: „Sie werden wieder zu Individuen – diese Menschen, die sechs Jahre lang wie Vieh gehütet wurden; allmählich gewöhnen sie sich an ein geordnetes Gemeinschaftsleben, in dem ehrliche Leistung Befriedigung und Belohnung bringt – in dem Essen und Unterkunft ohne Angst geteilt werden können.“18
Dennoch war das Lagerleben von Unwägbarkeiten geprägt. DP-Camps bestanden nur selten auf Dauer. Nach nicht einmal einem Jahr, im April 1946, wurde auch Żoks Camp verlegt: nach Flossenbürg, in die Baracken eines vormaligen KZs. In Żoks Worten glich die Zeit einem „Umherirren“ von Lager zu Lager. Dazu verbitterte ihn die ungewisse Zukunft: Das Umziehen von einem „Wartesaal“20 in den nächsten zählt zu den Erfahrungen, die viele DPs machten.
Neuanfänge
Unter diesen Umständen änderten Displaced Persons oft Angaben zu ihrer Person: manchmal aufgrund von Missverständnissen, teils aber auch bewusst, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder der Zwangsrepatriierung in die Sowjetunion zu umgehen.21 Ein Beispiel ist Micha(e)l Tichon: Er wurde im heutigen
Belarus (Bevölkerungszahl 2024: 9.109.280) ist ein Staat im östlichen Europa, der bis 1991 zur Sowjetunion gehörte. Seine Hauptstadt und bevölkerungsreichste Stadt ist Minsk. Belarus grenzt an die Ukraine, Polen, Litauen, Lettland und Russland.
Das Mandatsgebiet Palästina wurde infolge des Ersten Weltkriegs und der in den Nachkriegsjahren vorgenommenen territorialen Neuordnung der östlichen Mittelmeergebiete (Levante) geschaffen, die zuvor zum unterlegenen Osmanischen Reich gehört hatten. Im Kriegsverlauf waren die Gebiete westlich und östlich des Jordan, die historisch auch als Cis- bzw. Transjordanien bezeichnet wurden und den heutigen Staaten Israel, Jordanien sowie dem Westjordanland und dem Gazastreifen entsprechen, unter britische Herrschaft gekommen. Großbritannien hatte ab 1916 die regionale arabische Unabhängigkeitsbewegung in der Arabischen Revolte (1916–1918) entscheidend unterstützt, die militärisch eroberten Gebiete jedoch im Anschluss zwischen sich und Frankreich aufgeteilt. Noch vor Kriegsende hatte Großbritannien zudem nicht nur der arabischen, sondern auch der jüdischen Bevölkerung der Region Unterstützung in der Erlangung politischer Unabhängigkeit bzw. der Schaffung eigener Staaten zugesichert (Balfour-Erklärung, 1917). Die Konferenz von San Remo, die im April 1920 über die Aufteilung des Osmanischen Reiches entschied, bestätigte die britischen Gebietsansprüche. 1922 erteilte auch der Völkerbund Großbritannien offiziell das Mandat über das Gebiet.
Bereits 1923 teilte Großbritannien dieses erste „Mandatsgebiet Palästina“ in zwei Gebiete auf: „Transjordanien“, das 1946 unabhängig wurde und seit 1950 offiziell den Namen Jordanien trägt; sowie das erneut als Mandatsgebiet „Palästina“ bezeichnete Gebiet, das nun das historische Cisjordanien bzw. den westlich des Jordans gelegenen Teil der historischen Region Palästina und die südlich gelegene Negev-Wüste umfasste und nach wie vor einen Zugang zum Golf von Akaba und damit zum Roten Meer besaß.
Die Zeit des Mandats war von anhaltenden Unruhen zwischen den arabischen und jüdischen Bevölkerungsteilen des Mandatsgebietes geprägt, nach Ende des Zweiten Weltkriegs gab Großbritannien das Mandat auf und an die Vereinten Nationen (als Nachfolgeeinrichtung des Völkerbundes) zurück, die daraufhin einen Teilungsplan für die Region entwickelten. Zu dessen Implementierung kam es jedoch nie, da die Spannungen im Mandatsgebiet zum Palästinakrieg (1947–1949) eskalierten, in dessen Verlauf Israel seine Unabhängigkeit ausrufen und erfolgreich durchsetzen konnte.
Das Bild zeigt eine Karte des britischen Mandatsgebiets in Palästina zwischen 1945 und 1947. (Public Domain, via Wikimedia Commons)
Antoni Żok lebte zu diesem Zeitpunkt in der
Die Volksrepublik Polen war ein von 1944 bis 1989 existierender sozialistischer Staat in der sowjetischen Einflusssphäre. Seine Grenzen entsprechen denen des heutigen Polens. Sozialistische Einheitspartei des Ein-Parteien-Staates war die kommunistische Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR).
Über dieses Schweigen berichten viele Nachkommen. Besonders ihre Zeit als Displaced Person betrachteten viele Betroffene als eine Zeit des scheinbar unwesentlichen „Danach“ – nach dem Krieg, nach dem Überleben. Zugleich war ihr Wunsch nach einem Neubeginn so groß, dass sie über das Vergangene wenig sprachen. Im östlichen Europa war das Thema Displaced Persons zudem ein politisches Tabu. Vor allem die als unangenehm wahrgenommene Frage, warum man nicht sofort zurückgekehrt war, machte vielen vormaligen Displaced Persons Angst. Es folgte ein oft jahrzehntelanges Schweigen.