Eine Region wird dreigeteilt

Ostpreußen 1945
,
Im Jahr des Kriegsendes war die Dreiteilung Ostpreußens in später von der Sowjetunion und Polen übernommene Gebiete faktisch vollzogen worden. Die Vorgänge dort weisen viele Gemeinsamkeiten auf, aber auch signifikante Unterschiede, die wegweisend für die nächsten Jahrzehnte sein sollten.
Bis zum Sommer 1944 galt 
Ostpreußen
pol. Prusy Wschodnie, eng. East Prussia

Ostpreußen war die nordöstlichste Provinz Preußens und zeitweise überhaupt eine der größten Provinzen des preußischen Staates. Die Provinz geht auf das 1701 zum Königreich erhobene Herzogtum Preußen zurück, das 1525 aus dem Deutschordensstaat hervorgegangen, zunächst noch polnisches Lehen und erst 1618 unter brandenburgische Hoheit gekommen war. Den Namen Ostpreußen erhielt das Territorium formell erst in den 1770er Jahren, infolge der Angliederung zuvor polnischer Gebiete als „Westpreußen“ im Rahmen der ersten Teilung Polen-Litauens 1772. 1824 wurden beide Provinzen sogar zu einer Provinz Preußen zusammengelegt, 1878 jedoch wieder getrennt. Hauptstadt von Herzogtum und Provinz war bis zuletzt Königsberg.

, die östlichste Provinz des Deutschen Reiches, als bombensicher. Die Region, als „Luftschutzkeller Deutschlands“ bezeichnet, beherbergte evakuierte Schulklassen, Kinderheime und viele Frauen und Kinder aus dem übrigen Deutschland. Schlagartig änderte sich die Situation, als 
Kaliningrad
deu. Königsberg, rus. Калинингра́д

Kaliningrad ist eine Großstadt im heutigen Russland mit fast 500.000 Einwohner:innen. Sie liegt in der Oblast Kaliningrad, einer russischen Exklave zwischen Litauen und Polen, die ungefähr dem nördlichen Teil der preußischen Provinz Ostpreußen vor 1945 entspricht (heute litauische Gebiete ausgenommen). Vor 1945 war Königsberg nicht nur Hauptstadt der Provinz und die nordöstlichste Großstadt Preußens, sondern ab 1724 auch Königliche Haupt- und Residenzstadt in Preußen.

 Ende August 1944 massiv von britischen Bombern angegriffen wurde. Kurz darauf, im Oktober, erreichten die ersten sowjetischen Panzerspitzen Ostpreußen und Teile des Memellandes. Ein Teil der Bevölkerung wurde evakuiert, darunter die Zivilbevölkerung der Stadt 
Klaipėda
deu. Memel

Klaipėda ist mit fast 170.000 Einwohner:innen drittgrößte Stadt Litauens und liegt an der Mündung der Dange (litauisch Danė) in das Kurische Haff. An der Ostsee gegenüber der Kurischen Nehrung gelegen, verfügt sie über einen der größten ganzjährig eisfreien Ostseehäfen.

. Andere, wie die Bewohner der Stadt 
Šilutė
deu. Heydekrug

Šilutė (dt. ehem. Heydekrug) ist eine Stadt im äußersten Westen Litauens, nur wenige Kilometer von der Grenze zur russischen Oblast Kaliningrad im Süden und vom Ufer des Kurischen Haffs entfernt. Innerhalb der preußischen Provinz Ostpreußen war die Stadt bereits seit 1818 Kreisstadt. Ab 1920 waren die Stadt und große Teile des Kreises Teil des Memellandes, das infolge des Versailler Vertrages ab 1920 zunächst französisch verwaltet und 1923 von Litauen annektiert wurde.

, wurden von dem Einmarsch der Roten Armee im Oktober 1944 vollkommen überrascht. Im Spätherbst 1944 verhängte die Gauleitung, die damalige ostpreußische Landesbehörde, südlich der 
Memel
rus. Нѣманъ, rus. Njeman, rus. Neman, rus. Неман, lit. Nemunas, bel. Nëman, bel. Njoman, bel. Нёман, deu. Njemen, pol. Niemen, rus. Němanʺ

Die Memel ist ein 937 Kilometer langer Fluss, der unweit von Minsk in Belarus entspringt und südlich der litauischen Stadt Klaipėda über das Kurische Haff in die Ostsee mündet. An seinem Unterlauf entlang der Nordgrenze der russischen Exklave Kaliningrad ist er zeitweise litauisch-russischer Grenzfluss, zuvor bildet er an seinem Mittellauf kurzzeitig auch einen kleinen Teil der belarussisch-litauischen Grenze. Über Jahrhunderte wurde die Memel als Wasserstraße genutzt, im 18. und 19. Jahrhundert wurde sie dazu ausgebaut und durch Kanalsysteme mit anderen Flüssen verbunden. Ihre wirtschaftliche Bedeutung endete jedoch bereits nach dem Ersten Weltkrieg. Vor Kaunas wird die Memel seit 1960 für ein Wasserkraftwerk aufgestaut.

 ein strenges Fluchtverbot. Selbst Vorbereitungen zur Flucht, wie der Bau eines Planwagens, wurden geahndet. 
Anfang Januar 1945 begann die sowjetische Großoffensive. Nun erst, in allerletzter Minute, durfte, ja musste die Zivilbevölkerung ihre Wohnorte verlassen. Die Evakuierung fand, verschuldet durch den ostpreußischen Gauleiter Erich Koch, viel zu spät statt. Ein ausnehmend harter Winter erschwerte zusätzlich die Flucht und forderte zahlreiche Opfer. Durch den Vorstoß der Roten Armee war die Eisenbahnverbindung nach Königsberg abgeschnitten. Die meisten ländlichen Bewohner flohen mit eigenem Pferd und Wagen in großen, schwer beweglichen Kolonnen, den sogenannten Trecks. Familien wurden auf der Flucht getrennt, ganze Fluchtwagen brachen in das dünne Eis des 
Frisches Haff
eng. Vistula Lagoon, rus. Калининградский залив, rus. Kaliningradski saliw, pol. Zalew Wiślany, rus. Вислинский залив, rus. Wislinkij saliw, . Aīstinmari, pol. Zalew Fryski, pol. Zatoka Świeża, pol. Fryszchaf, lat. Mare Recens et Neriam, rus. Kaliningradskij zaliv, rus. Vislinskij zaliv, pol. Zatoka Fryska, deu. Vrychsches Mer, lat. Recenti Mari Hab, deu. Weichselhaff, eng. Gulf of Kaliningrad, pol. Zalew Kaliningradzki, deu. Vrische Hab, eng. Friesches Haven

Frisches Haff ist durch die Frische Nehrung von der Ostsee größtenteils getrennt. Knapp zwei Drittel seiner 838 km² gehören seit 1945 zur russischen Enklave Kaliningrad, der Rest zu Polen. Es liegt in der historischen Region Westpreußen. Ins Haff mündet u.a. der rechte Arm der Weichsel – die Nogat. Neben der natürlichen Passage bei der russischen Stadt Baltijsk (ehemals Pillau) besteht seit 2022 ein künstlicher Kanal an der Polnischen Seite, wodurch eine neue künstliche Insel im Haff entstand. Sowohl im Dritten Reich als auch nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen gab es Überlegungen zur Trockenlegung des Frischen Haffs.

 ein, das einen letzten verzweifelten Fluchtweg darstellte. Verwandte gingen mit torpedierten Fluchtschiffen in der Ostsee unter und zahlreiche Säuglinge und Kleinkinder erfroren unterwegs. Schließlich versperrte die Rote Armee den Weg nach Westen und verschleppte zwischen Februar und April 1945 arbeitsfähige Erwachsene, darunter viele junge Frauen, in das Innere der Sowjetunion. Nunmehr begann die Teilung Ostpreußens: Das Memelgebiet sowie das nördliche Ostpreußen, die Region um Königsberg, sollten an die Litauische bzw. Russische Sowjetrepublik fallen, das südliche Ostpreußen an 
Polen
eng. Republic of Poland, eng. Poland, pol. Polska, lit. Lenkijos Respublika, bel. Polʹŝa, bel. Polʹšča, bel. Польшча, . Pòlskô, yid. republyq pyn pojln, yid. republyk pyn pojln, yid. rʿpublyq pyn pojln, yid. pojln, yid. רעפובליק פון פוילן, yid. polin, yid. פוילן

Polen ist ein Staat in Ostmitteleuropa und ein Mitglied der Europäischen Union. Unter dem heutigen Namen ist das Land seit dem 10. Jahrhundert bekannt. Polen liegt an der Ostsee und ist der größte Staat (Bevölkerungszahl 2023: 37.636.508, Fläche: 313.964 km²) Ostmitteleuropas. Der Staatsname leitet sich von den westslawischen Polanen ab, die ab dem 9. Jahrhundert immer mehr Gebiete unter ihre Führung brachten, welche im 10. Jahrhundert als Herzogtum Polen bekannt waren. Unter Mieszko (ca. 960-992) erreichte die Ausdehnung des Landes etwa die heutigen Grenzen. Zumindest für Teile seines Landes war er zeitweise dem deutschen Kaiser tributpflichtig. Wahrscheinlich 966 nahm Polen das Christentum an, ab 1025 war es ein Königreich. 1138-1295 kam es infolge von Erbstreitigkeiten zur Zersplitterung des Landes. Das Aussterben der herrschenden Dynastie der Piasten führte 1370 zu einer polnisch-ungarischen Personalunion, die auf den Druck des polnischen Adels schon 1386 durch eine Polnisch-Litauische Doppelmonarchie ersetzt wurde. Die wachsende Rolle des Adels äußerte sich 1572 in der Etablierung einer Wahlmonarchie. Die Uneinigkeit des Adels führte jedoch zu den drei Teilungen Polens (1772-1795) zwischen Preußen, Russland und der Habsburgermonarchie. Polen wurde erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 selbstständig und verlor die Unabhängigkeit 1939 nach dem deutschen Überfall zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem folgenden russischen Einmarsch von Osten. 1945-1989 war Polen ein Satellitenstaat der Sowjetunion. Seit 2004 ist Polen Mitglied der Europäischen Union.

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Rückkehr ins Memelgebiet

Die Überlebenden der Flüchtlingstrecks, vor allem Landbevölkerung, die von der Roten Armee im Winter und Frühjahr 1945 überrollt worden waren, kehrten auf Geheiß des sowjetischen Militärs in ihre Heimatorte zurück, sofern sie nicht unterwegs zu Zwangsarbeiten rekrutiert wurden. In der Regel hatten die Soldaten Pferde und Lebensmittel beschlagnahmt. Diejenigen, die ein Zuhause nördlich der Memel, im ehemaligen Memelland, hatten, erlebten bei der Rückkehr unangenehme Überraschungen. Bereits Anfang Februar 1945 hatte die 
Litauische Sozialistische Sowjetrepublik
rus. Литовская Советская Социалистическая Республика, eng. Lithuanian Soviet Socialist Republic, lit. Lietuvos Tarybų Socialistinė Respublika

Die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik (LiSSR) war erstmals ab 1940 und erneut ab 1944 - nach Ende der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg - eine der Unionsrepubliken der Sowjetunion. Litauen erlangte erst 1990 seine Unabhängigkeit wieder.

 Regierung damit begonnen, Neusiedler anzuwerben, die bereits die besten Häuser besetzt hatten. Litauer, die 1939 nach dem erzwungenen Anschluss des Memellandes an Ostpreußen die Stadt Memel verlassen hatten, kehrten zurück.

Königsberg

Die zur Festung erklärte Stadt Königsberg fiel am 9. April 1945. Die Rote Armee trieb die Zivilbevölkerung aus der Stadt, ließ sie tagelang durch die Gegend marschieren und drängte sie nachts in irgendwelche Scheunen der Umgebung. Die Märsche wurden durch Verhöre, Verhaftungen und Vergewaltigungen unterbrochen. Nach einigen Tagen durften die Zivilisten zurück und fanden eine total geplünderte Stadt vor, in der es zu zahlreichen Bränden gekommen war. Guter Wohnraum wurde rasch von der Besatzungsmacht requiriert, die Deutschen richteten sich irgendwo anders notdürftig ein. Weder Wasserleitung noch Kanalisation noch Stromversorgung funktionierten 1945. Sie kamen erst allmählich im Jahr darauf wieder in Gang – wenn auch völlig unzureichend.
Bei der Besetzung der Region ergingen sich die sowjetischen Soldaten an vielen Orten in mutwilligen Zerstörungen von Häusern, Fabriken und deren Inventar. Zudem wurden in allen drei Teilen Ostpreußens Einheiten der Roten Armee stationiert, die Kriegsbeute erfassten und für deren Demontage und Abtransport in die Sowjetunion sorgten. Dazu gehörten Werkseinrichtungen und Kleinbahnen sowie die dazugehörigen Gleise. Da diese Einheiten ihre Verpflegung selbst zu organisieren hatten, wurden Nebenwirtschaften eingerichtet oder auch landwirtschaftliche Betriebe beschlagnahmt und Zivilisten zur landwirtschaftlichen Arbeit zwangsverpflichtet. Diese erwies sich als schwierig, da das noch bestehende Nutzvieh im Frühjahr 1945 in das Innere der Sowjetunion getrieben worden war und landwirtschaftliches Gerät als Kriegsbeute requiriert worden war. Die Erträge reichten in dem meisten Fällen nicht aus, um das Militär und die Arbeitskräfte zu versorgen. Sowohl die sowjetlitauische wie auch die polnische Regierung erhoben Einspruch gegen die Demontagen und versuchten, sie zu stoppen, was ihnen aber nicht gelang.

Das südliche Ostpreußen

Am 14. März 1945 beschloss die polnische Regierung eine vorläufige Aufteilung der ehemals deutschen Gebiete unter der Bezeichnung „wiedergewonnene Gebiete“ in vier Verwaltungsbezirke, von denen der polnische, südliche Teil Ostpreußens einen bildete. Erst Ende Mai 1946 wurde daraus die 
Woiwodschaft Olsztyn
eng. Voivodeship Olsztyn

Die Woiwodschaft Olsztyn wurde 1945 als eine der übergeordneten Verwaltungseinheiten der Volksrepublik Polen errichtet, wobei sie anfangs eine von 14 Woiwodschaften war (zuzüglich der Städte Warschau und Łódź, die ebenfalls den Status einer Woiwodschaft besaßen). Namensgebende Hauptstadt war die ostpreußische Großstadt Olsztyn (dt. Allenstein). Nach mehrfach wechselnden Grenzen im Zuge der Gebiets- und Verwaltungsreformen 1950 und 1975 ging die Woiwodschaft 1999 in der Woiwodschaft Ermland-Masuren (województwo warmińsko-mazurskie) auf.

 gebildet. Für diesen polnischen Teil Ostpreußens wurden nach Schätzungen vom 31. Juli 1945 30.828 Einheimische ermittelt, davon 4.933 in den Städten und 25.895 auf dem Land. Wie in den übrigen Teilgebieten Ostpreußens war es eine frauendominierte Gesellschaft mit einem hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen. Hinzu kamen Neuansiedler aus den ehemals polnischen Ostgebieten, vor allem aus 
Wolhynien
eng. Volhynia, pol. Wolyń, ukr. Воли́нь, ukr. Wolyn, deu. Wolynien, lit. Voluinė, rus. Волы́нь, rus. Wolyn

Die historische Landschaft Wolhynien liegt in der nordwestlichen Ukraine an der Grenze zu Polen und Belarus. Bereits im Spätmittelalter fiel die Region an das Großfürstentum Litauen und gehörte ab 1569 für mehr als zwei Jahrhunderte zur vereinigten polnisch-litauischen Adelsrepublik. Nach den Teilungen Polen-Litauens Ende des 18. Jahrhunderts kam die Region zum Russischen Reich und wurde namensgebend für das Gouvernement Wolhynien, das bis ins frühe 20. Jahrhundert Bestand hatte. In die russische Zeit fällt auch die Einwanderung deutschsprachiger Bevölkerungsteile (der sog. Wolhyniendeutschen), die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt fand. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Wolhynien zwischen Polen und der ukrainischen Sowjetrepublik aufgeteilt, ab 1939, infolge des Hitler-Stalin-Paktes, vollständig sowjetisch und bereits 1941 von der Wehrmacht besetzt. Unter deutscher Besatzung kommt es zur systematischen Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung sowie weiterer Bevölkerungsgruppen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Wolhynien erneut zur Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik und seit 1992 zur Ukraine. Die Landschaft ist namensgebend für die - räumlich nicht exakt deckungsgleiche - heutige ukrainische Oblast mit der Hauptstadt Luzk (ukr. Луцьк).

 und dem 
Wilnagebiet
lit. Vilniaus kraštas, bel. Vilenščyna, bel. Vìlenščyna, bel. Віленшчына, eng. Vilnius Region, pol. Wileńszczyzna

Als Wilnagebiet wird ein großräumiges Gebiet um die litauische Hauptstadt Wilna bezeichnet, das in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg von den beiden 1918 wieder unabhängig gewordenen Staaten Polen, Litauen sowie der Sowjetunion gleichermaßen beansprucht wurde. Dabei kam es ab Anfang 1919 zu mehrfachen wechselseitigen Besetzungen des Gebietes, das infolge des Polnisch-Litauischen Krieges im Herbst 1920 polnisch annektiert wurde. Das Gebiet erklärte sich in der Folge zunächst als Republik Mittellitauen (Litwa Środkowa) unabhängig, 1922 erfolgte der Anschluss an Polen.
Das Wilnagebiet erstreckte sich aus heutiger Sicht beiderseits und fast auf der gesamten Länge der heutigen litauisch-belarussischen Grenze.

. Ihre Zahl betrug bis zum Spätsommer ca. 25.000, wobei es sich vorwiegend um Landbevölkerung handelte.
Im Mai 1945 begannen die Sowjetischen Militärkommandanturen in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ), Flüchtlinge nach Ostpreußen zurückzuschicken. Es erschienen Aufrufe, dass die Bewohner bis zum 1. September 1945 zurückkehren müssten, um das Recht auf ihren dortigen Besitz zu wahren. Vor allem Landbevölkerung folgte dieser Aufforderung. Teilweise wurden sogar Züge für die Rückkehr organisiert, aber viele gingen zu Fuß. Um diese Bewegungen zu unterstützen, fanden in der SBZ Kontrollen der Einwohnermeldekarteien in Bezug auf frühere Wohnorte statt, die Sperrung der Lebensmittelkarten wurde angedroht. Hintergrund war, dass die sowjetische Besatzungsmacht für ihre in Ostpreußen stationierten Armeeeinheiten landwirtschaftliche Arbeitskräfte benötigte.  
Am Vorabend der Potsdamer Konferenz, am 16. Juli 1945, zogen sowjetische Grenzposten an der Linie 
Braunsberg

Braniewo ist eine Kleinstadt im äußersten Norden Polens mit gut 16.000 Einwohner:innen (Januar 2024). Sie liegt nur wenige Kilometer entfernt von der Grenze zur russischen Oblast Kaliningrad und dem Frischen Haff im historischen Ostpreußen. Die Stadt war im Mittelalter nicht nur bedeutende Hafen- und Handelsstadt und Mitglied der Hanse, sondern auch Standort einer bis heute erhaltenen Deutschordensburg.

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Vištytis
yid. vyšṭynec, rus. Виштитис, lit. Vystyčiai, deu. Wyschtyten, deu. Wystiten, pol. Wisztyniec, yid. vyšṭyneṣ, yid. vyšṭynʿṣ, yid. vishtinets, yid. ווישטינעץ, rus. Vištytis, rus. Vištynec, rus. Vyštynec, rus. Выштынец, rus. Виштынец

Vištytis ist ein lediglich etwas mehr als 300 Einwohner:innen (2021) fassender Ort im Südwesten Litauens, der unmittelbar an der Grenze zur russischen Oblast Kaliningrad liegt.

, der heutigen Südgrenze des 
Oblast Kaliningrad
rus. Kaliningradskaja Oblast, deu. Kaliningrader Gebiet, rus. Калининградская область

Die Oblast Kaliningrad (rus. Калининградская область) liegt zwischen Polen und Litauen an der Ostsee. Die Oblast ist eine Exklave Russland und zugleich dessen westlichster Teil. Sie wird von ungefähr 1 Million Menschen bewohnt. Die Hauptstadt der Oblast ist Kaliningrad (dt. ehem. Königsberg).

, auf. Die Region war nunmehr endgültig isoliert, da keine Ein- oder Ausreise mehr gestattet war. Den Vorschlag für diesen Grenzverlauf reichte die sowjetische Delegation am 22. Juli 1945 bei der Potsdamer Konferenz ein. Er war aber bereits in dem Geheimabkommen zwischen der UdSSR und dem Lubliner Komitee (dem Vorläufer der Provisorischen Regierung der Volksrepublik Polen) vom 27. Juli 1944 fixiert worden. Da polnische Behörden bereits seit Februar 1945 Umsiedler aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten in Ortschaften im Grenzbereich auf der später sowjetischen Seite angesiedelt hatten, versuchten polnische Grenztruppen fast ein Jahr hindurch, den Grenzverlauf mit unkonventionellen Mittel zu revidieren.

Reparationen, Gewalt und Plünderungen

Die einzige Verkehrsverbindung mit Deutschland bildeten Güterzüge. Deutsche Eisenbahner mussten Reparationsgut aus Groß-Berlin und der sowjetischen Besatzungszone in das nördliche Ostpreußen befördern, wo die Transporte auf Breitspurgleise verladen und in das Innere der Sowjetunion gesandt wurden. Während des Sommers waren ständig 300 Güterzüge mit je 50 Waggons unterwegs. Der gesamte Postverkehr aus dem Königsberger Gebiet und dem Memelland wurde über 
Moskwa
eng. Moscow, deu. Moskau, rus. Москва, rus. Kučkov, rus. Kučkovo, rus. Кучков, rus. Кучково, rus. Moskov, rus. Moskovʺ, rus. Московъ, rus. Москов, rus. Moskva

Moskau (Bevölkerungszahl 2023: 12.412.154) ist die Hauptstadt der Russländischen Föderation und die bevölkerungsreichste vollständig in Europa gelegene Stadt. Sie liegt im Westen des Landes. Moskau ist gleichzeitig die Hauptstadt des Föderationsbezirks Zentralrussland. Die Verwaltungseinheit "Stadt von föderaler Bedeutung Moskau" umfasst mit einer Bevölkerungszahl von 13.149.803 Personen einige weitere Orte. Die Stadt bildet das mit Abstand wichtigste politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes.

Moskau entstand etwa im 11./12. Jahrhundert. Die Entstehung der Wehranlage (Kreml) wird auf den Beginn der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert. Im 13. Jahrhundert wurde Moskau zur Hauptstadt eines Teilfürstentums des Großfürstentum Wladimir. Im 14. Jahrhundert setzten sich die Fürsten von Moskau als die Herrscher der gesamten Rus durch. Diese war jedoch 1247-1480 tributpflichtig gegenüber der Goldenen Horde, welche 1238 Moskau verwüstete. 1571 wurde die fast vollständig hölzerne Stadt von tatarischen Truppen niedergebrannt. Moskau war jedoch zu diesem Zeitpunkt das unumstrittene Machtzentrum Russlands. 1687 wurde in der Stadt die erste Hochschule, 1775 die erste Universität eröffnet. Peter der Große verlegte 1712 die Hauptstadt nach Sankt Petersburg. Neben dem Machtverlust geschwächt durch Unruhen und Säuchen blieb ihre Entwicklung hinter jener der neuen Hauptstadt zurück. Einen tiefen Einschnitt in die Entwicklung von Moskau brachte der Einmarsch der napoleonischen Truppen 1812, zu deren Abwehr die Stadtbevölkerung ihre Häuser in Brand steckte. Der rasch begonnene Wiederaufbau brachte Moskau ein modernes Stadtbild.

In den 1890er Jahren überschritt die Bevölkerungszahl Moskaus 1.000.000, und kurz nach der Oktoberrevolution 1917 und der Verlegung der Hauptstadt Russlands bzw. der Sowjetunion nach Moskau 1918, überholte die Bevölkerungszahl der Stadt jene von Sankt Petersburg. Moskau erlebte einen enormen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, auch zahlreiche Vorzeigebauten wurden bis zum Zweiten Weltkrieg errichtet. Der zum Teil erhebliche Zubau der Wohnflächen konnte jedoch nie dem Bevölkerungswachstum schritthalten, das auch nicht durch diverse, teilweise bis heute geltende Zuzugseinschränkungen gebremst werden konnte. Allerdings wuchs die Stadt auch durch Eingemeindungen, insbesondere in den Jahren 1960 und 2012.

1980 wurden im Moskau die Olympischen Sommerspiele ausgetragen. In den Folgejahren erfasste jedoch die zunehmende Krise in der Sowjetunion auch die Stadt, die nach den dezentralen Bewegungen in den Republiken und Unruhen in Russland selbst schließlich vom Putschversuch 1991 direkt betroffen war. Nach dem endgültigen Zerfall der Sowjetunion Ende 1991, blieb Moskau die Hauptstadt Russlands, eines zwar deutlich kleineren, flächenmäßig dennoch größten Landes der Welt. Insbesondere das Stadtzentrum wird seitdem immer stärker von modernen, repräsentativen Bauten geprägt. Der Wiederaufbau der in der Sowjetzeit zerstörten oder umgewidmeten Kirchen, die Renovierung der Gebäude aus der vorsowjetischen Zeit im Stadtkern sowie der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur an den Rändern sind weitere Merkmale der Entwicklung der Stadt in der postsowjetischen Ära.

 geleitet, die Korrespondenz aus dem polnischen Teil Ostpreußens nach Deutschland ebenfalls kontrolliert. Rundfunkgeräte hatte die Rote Armee generell beschlagnahmt, aktuelle Zeitungen gab es noch nicht. Wie schon im Memelland zur Jahreswende 1944/45 wurde im Mai 1945 auch im Königsberger Gebiet der Rubel als Zahlungsmittel eingeführt, ohne dass das deutsche Geld aber regulär umgetauscht werden konnte.
Gerade auf dem Land waren die Deutschen marodierenden und plündernden Soldaten schutzlos ausgesetzt und verließen ihre einsamen Höfe und Häuser, um in größeren Kirchdörfern und vor allem in den Städten Zuflucht zu suchen. Brandstiftungen, Überfälle, Morde und Vergewaltigungen waren in der ganzen Region an der Tagesordnung. Ebenso allgegenwärtig war das Phänomen der Plünderer aus den litauischen bzw. polnischen Kerngebieten, die systematisch Hab und Gut abtransportierten. Dörfer, in denen nach Kriegsende keine Deutschen mehr wohnten und völlig ausgeplündert wurden, waren später auch für die ankommenden sowjetischen Bürger nicht mehr interessant und verschwanden von der Landkarte. 
Am 1. September 1945 waren 139.902 Zivilisten im nördlichen Ostpreußen registriert. Hinzu kam eine große Anzahl ehemaliger Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, die sich noch nicht zu einer Rückkehr entschlossen hatten. Ebenfalls gab es einige Kontingente belgischer, französischer und italienischer Kriegsgefangener, die gesammelt und nach interalliierter Vereinbarung repatriiert wurden. Deutsche Kriegsgefangene wurden Ende des Sommers in Memel, Heydekrug und Kaliningrad zu Entminungs-, Enttrümmerungs-, und Wiederaufbauarbeiten eingesetzt.
Während des gesamten ersten Jahres nach dem Krieg unterstand das nördliche Ostpreußen einer Militärkommandantur. Das Gebiet war faktisch noch nicht an die Sowjetunion angegliedert und es gab auch keinen Maßnahmenplan für die verbliebene deutsche Zivilbevölkerung. Zahlreiche Soldaten und Offiziere wurden vor Ort direkt nach Kriegsende demobilisiert und holten ihre Frauen und Kinder nach. Im September 1945 wurde die erste russische Schule eröffnet, die in jenem Schuljahr auch die einzige blieb. Für die noch verbliebenen Kinder der einheimischen Bevölkerung existierten im Schuljahr 1945/46 keinerlei offizielle Bildungsmöglichkeiten.

Arbeit unter den Besatzern

Unmittelbar nach dem Einmarsch der Roten Armee waren Arbeitsanweisungen an die deutsche Bevölkerung ergangen. Zur Arbeit verpflichtet wurden alle Personen ab dem 14. Lebensjahr. Häufig arbeiteten auch Jüngere, um wenigstens ein Mindestmaß an Brot zu erhalten. Es war im Königsberger Gebiet nicht leicht, eine regelmäßige Arbeit zu finden. Doch nur wer arbeitete, konnte eine Brotkarte erhalten. Kinder waren auf dem Registrierschein der Mutter eingetragen und erhielten darauf 200 Gramm Brot. Bei der Meldung eines Sterbefalles musste der Registrierschein auf der Kommandantur abgegeben werden. Starb eine Mutter, mussten die Kinder einen anderen Erwachsenen finden, auf dessen Schein sie sich – je nach Wohlwollen der Behörde – umregistrieren konnten. Kinder und Alte ohne arbeitsfähige Angehörige wurden ihrem Schicksal überlassen.
Im Oktober 1945 zählte die sowjetische Militärverwaltung die Bevölkerung der Stadt Königsberg. Die dabei ermittelte Zahl der Deutschen von 59.120 entsprach etwa der Hälfte der deutschen Einwohner im gesamten russisch besetzten Gebiet. 42.000 von ihnen galten als „nicht arbeitsfähig“. Unter diese Kategorie fielen nicht nur Kinder sowie Kranke und Invalide, sondern auch diejenigen, die aus verschiedenen Gründen keine registrierte Beschäftigung fanden. Schließlich existierte kein organisierter Arbeitsmarkt mehr. Allerdings zählten auch die vielen deutschen Haushaltshilfen, Klavierlehrerinnen und Schneiderinnen in den russischen Familien, die meistens in Naturalien bezahlt wurden und auch sonntags zu arbeiten hatten, sowie auch Marktverkäufer, Zigarettenhändler und Gelegenheitsarbeiter zu den erwähnten 42.000 „nicht arbeitsfähigen“ Personen.

Konfessionelle Neuordnung

Eine geregelte medizinische Versorgung existierte kaum noch. In einigen Städten gab es Krankenhäuser mit wenigen deutschen Ärzten, häufig dank engagierter Diakonissen bzw. Nonnen als Krankenschwestern. In allen drei Teilen der Region trafen sich evangelische und katholische Gläubige weiterhin zu Gottesdiensten, gehalten von den wenigen noch anwesenden Geistlichen. Die sowjetische Verwaltung beobachtete diese Versammlungen kritisch, ließ sie jedoch zu. Im Memelland, wo Deutsch als offizielle Sprache verboten worden war, fanden die Gottesdienste auf Litauisch statt. Im polnischen Teilgebiet ließ sich eine derartige Regelung in den ersten Jahren nicht durchsetzen. Im nun polnischen Teil Ostpreußens änderten sich die konfessionellen Verhältnisse rasch und grundlegend. Die polnischen Neuansiedler waren fast ausschließlich Katholiken, zu denen auch Priester aus der Erzdiözese Vilnius und aus der Diözese Luck zählten. Zwar durften auch die evangelischen Gläubigen weiterhin ihren Glauben ausüben, jedoch mussten sie eine große Anzahl von Kirchengebäuden an die zahlenmäßig größeren katholischen Gruppen abtreten. 
Die sowjetlitauische und die volkspolnische Regierung ergriffen seit Beginn des Jahres 1945, also noch bevor das Kriegsende absehbar war, Maßnahmen, um Teile der ostpreußischen Region in ihren Machtbereich zu integrieren. Das Königsberger Gebiet hingegen verharrte im vorläufigen Status eines Militärbezirks über das Jahresende hinaus in einem Schwebezustand, der für die deutsche Bevölkerung vor Ort keinerlei Perspektive erkennen ließ. Erst am 7. April 1946 wurde die Region an die Russische Sowjetrepublik angeschlossen.

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