Emil Orlik

Ein vielseitiger Künstler
Emil Orlik (1870–1932) war einer der bekanntesten und vielseitigsten böhmischen Künstler der Jahrhundertwende. Er wirkte vor allem als Grafiker und Zeichner, dessen künstlerisches Schaffen sich zwischen Realismus und Jugendstil bewegte. Zu seinem umfangreichen Werk gehören Zeichnungen namhafter zeitgenössischer Musiker und Komponisten – die Orlik gerne auch in der Ausübung ihrer Kunst zeigte.
Emil Orlik begann sein Kunststudium in den frühen 1890er Jahren in München. Lebensschwerpunkt und Wirkungsstätte blieb zunächst die Heimatstadt 
Praha
deu. Prag, eng. Prague, lat. Praga, yid. pr'g, yid. prag, yid. פראג

Prag (Bevölkerungszahl 2023: 1.384.732) ist die Hauptstadt und die größte Stadt der Tschechischen Republik. Sie liegt im Zentrum des Stadtgebiets am Fluss Moldau. Die erste Prager Burg entstand wohl im 9. Jahrhundert. Im 10./11. Jahrhundert lebten in zwei Burgsiedlungen neben einheimischer Bevölkerung auch Juden. Zu Beginn der 1230er Jahre erhielt Prag Stadtrechte, die zweite der beiden 1257 folgte die Kleinseite (Malá Strana) 1320 Hradschin (Hradčany) als die Burgstadt und 1348 die Prager Neustadt (Nové Město). Vom Anfang an war Prag Residenzstadt der böhmischen Herrscher, spätestens ab dem 12. Jahrhundert in Grenzen des Heiligen Römischen Reichs. Als Kaiserritz im 14. Jahrhundert entwickelte sich Prag zu einem der wichtigsten Zentren des gesamten Reichs, 1348 entstand hier die erste Universität Mitteleuropas. 1784 wurden die vier Städte vereinigt. Nach und nach, insbesondere 1920, nach der 1918 erfolgten Gründung der Tschechoslowakei, wurden weitere Orte eingemeindet. 1938-1945 wurde Prag Hauptstadt des vom Deutschen Reich abhängigen Protektorats Böhmen und Mähren, nach der Zerschlagung des Reichs 1945 durch die Alliierten war Prag bis 1992 wieder Hauptstadt der – nun sozialistischen – Tschechoslowakei. Nach dem Zerfall der Tschechoslowakei blieb Prag als Hauptstadt der Tschechischen Republik eine der wichtigsten und Städten Mitteleuropas.

. Später war er häufig in Wien tätig, wo er sich als Mitglied der dortigen Künstlervereinigung „Secession“ an deren Ausstellungen beteiligte. 1905 folgte er der Berufung an die Staatliche Lehranstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums, wo er die Leitung der Fachklasse für grafische Kunst und Buchkunst übernahm.
In seiner Zeit galt Orlik nicht nur als Spezialist für den Farbholzschnitt und weitere druckgrafische Verfahren, sondern auch als ein außerordentlich vielseitiger Künstler, der Bücher, Plakate, Exlibris und Stoffmuster gestaltete sowie Bühnenbilder und Kostüme – u.a. für das Deutsche Theater in Berlin – entwarf. Besonders geschätzt war Orlik als Porträtist. 
 
Die Sammlung im Kunstforum Ostdeutsche Galerie
Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie verwahrt neben den Kupferstichkabinetten in Berlin und Dresden eine der umfassendsten Sammlungen mit Werken von Emil Orlik. Mit über 2.000 Objekten bildet der Orlik-Bestand einen der Schwerpunkte der Grafischen Sammlung des Museums. Besonders hervorzuheben sind die 1.400 Zeichnungen, die meist aus Orliks aufgelösten Skizzenbüchern stammen. 500 Druckgrafiken runden den Grafik-Bestand ab. Darüber hinaus befinden sich im KOG elf Gemälde und eine Intarsie.
Der Großteil der Sammlung stammt aus dem Fundus des Adalbert-Stifter-Vereins in München. Diesem gelang es 1964 ein größeres Konvolut an Orlik-Werken vom Antiquariat Gilhofer in Wien zu erwerben. Als Dauerleihgabe übergab der Verein auch Archivmaterial zu Emil Orlik an das KOG. Darunter befindet sich unter anderem die transkribierte Korrespondenz zwischen dem Künstler und Max Lehrs, dem langjährigen Direktor des Kupferstichkabinetts in Dresden. Eine Auswahl aus seinen reichen Beständen präsentierte das Kunstforum Ostdeutsche Galerie zuletzt in der Ausstellung „Zwischen Japan und Amerika. Emil Orlik. Ein Künstler der Jahrhundertwende“ im Jahr 2012/2013.
 
Musiker, Dirigenten, Komponisten – von Emil Orlik porträtiert
Emil Orliks Zeitgenossen ließen sich gerne von dem geschickten Zeichner und Grafiker im Bild festhalten. Seine Laufbahn als Porträtist begann Emil Orlik kurz nach der Jahrhundertwende in Wien. Gustav Mahler und Max Klinger zählten hier zu seinen ersten Modellen. Auch als Orlik nach Berlin übersiedelte, fand er bald prominente Kund:innen, wobei ihm seine Kontakte in Künstlerkreisen zu Gute kamen. Neben Auftragsarbeiten faszinieren vor allem seine spontanen, schnellen Zeichnungen. 
Für die hier vorgestellte thematische Serie wurden insgesamt acht Porträts von Musiker:innen, Dirigent:innen und Komponist:innen ausgewählt. Sie führen das gesamte breite Spektrum von Orliks Bildnissen vor Augen. Neben präzise gearbeiteten Radierungen, in denen er die Gesichtszüge der Dargestellten detailreich festhält, zeigen einige Skizzen Orliks Gabe, mit wenigen Strichen das Wesentliche zu erfassen. Orlik Gespür für sein Gegenüber fällt dabei auf. Während er sich bei den Komponist:innenen entsprechend ihrer geistigen Arbeit auf den Kopf konzentriert, fängt er die Musiker und Dirigenten oft in ganzfigurigen Studien ein. So gelingt es ihm, dem Betrachter eine Vorstellung vom Erleben der Musik zu vermitteln, das in den Körperhaltungen der Dargestellten zum Ausdruck kommt.

Musiker in Aktion

Den berühmten Physiker Albert Einstein (1879–1955) porträtierte Emil Orlik mehrfach – das erste Mal 1917. Das Gemälde befindet sich im Jüdischen Museum in Prag. Diese Skizze entstand in New York, wo sich die beiden während Orliks Amerika-Reise begegneten. Sie ist besonders, weil sie den Wissenschaftler vertieft ins Geigenspiel zeigt. Das Instrument war Einsteins treuer Begleiter und die Musik ein wichtiger Kanal, über den er sich gerne ausdrückte. Die Zeichnung stammt aus dem Skizzenbuch, das Orlik in Amerika verwendete. Sie diente dem Künstler später als Vorlage für eine Lithografie.
Edwin Fischer (1886–1960) wirkte seit 1914 als Lehrer am Musikinstitut für Ausländer in Potsdam, wo er mit der Leitung der „Sommerkurse“ einen großen Einfluss auf junge Pianist:innen auf der ganzen Welt ausübte. Emil Orlik erfasste ihn nur mit wenigen Federstrichen, wie er sich über die Klaviatur beugt. Von seinem Gesicht zeigt Orlik nichts. Abgewandt vom Betrachter widmet der Virtuose seine volle Aufmerksamkeit dem Klavierspiel.
Die polnische Pianistin und Komponistin Wanda Landowska (1879–1959) galt als eine der besten Musiklehrerinnen ihrer Zeit. 1925 gründete sie in Paris eine eigene Schule, die „École de Musique Ancienne“. Zuvor unterrichtete sie zwischen 1913 und 1919 an der Berliner Hochschule für Musik. Hier entstand wahrscheinlich auch Emil Orliks Skizze. Ähnlich wie Edwin Fischer ist auch Landowska ihrem Flügel zugewandt. Ins Auge fallen besonders ihre Finger, die sich schnell zu bewegen scheinen. Das Motiv aus seinem Skizzenbuch verarbeitete Orlik in der Technik der Lithografie.

Dirigenten in Aktion

Dem niederländischen Dirigenten und Komponisten Willem Mengelberg (1871–1951) widmete Emil Orlik eine ganze Mappe mit zehn Lithografien. 50 Jahre lang stand Mengelberg an der Spitze des Concertgebouw-Orchesters Amsterdam, das unter seiner Leitung durch seine Virtuosität weltberühmt wurde. Auf diesem Blatt der Mappe fängt Orlik Mengelbergs konzentrierten Gesichtsausdruck ein. Mit den Händen des Dirigenten beschäftigt er sich in vier separaten Studien.
Wilhelm Furtwängler (1886–1954) hatte als Dirigent in den 1920er Jahren gleich mehrere prominente Stellen inne. Als Nachfolger von Richard Strauss wirkte er ab 1920 in der Berliner Staatsoper, ab 1922 arbeitete er als Chefdirigent des Berliner Philharmonischen Orchesters. In Wien war er parallel bis 1927 einer von zwei Konzertdirektoren der Gesellschaft der Musikfreunde, in Leipzig dirigierte er außerdem bis 1928 das Gewandhausorchester. Bei einem seiner Auftritte skizzierte ihn Emil Orlik direkt auf einer Seite des Konzertprogramms. Mit seiner ersten Zeichnung war der Künstler wohl nicht zufrieden, denn er hatte sie durchgestrichen, das Blatt umgedreht und neu begonnen.

Porträts von Komponisten

Das Porträt von Gustav Mahler (1860–1911) gehört zu Orliks bekanntesten. Es ist anzunehmen, dass es während Orliks Aufenthalt in Wien im Frühjahr des Jahres 1902 entstand. Mahler war damals Kapellmeister und Direktor des Wiener Opernhauses – eine Station auf der langen Liste seiner Wirkungsorte. In den 1880er Jahren hatte er die Stelle des Kapellmeisters am Neuen Deutschen Theater in Orliks Geburtsstadt Prag inne. Mahler selbst stammte aus dem böhmischen Ort 
Kaliště u Humpolce
deu. Kalischt, deu. Schönfeld

Kaliště u Humpolce ist eine Gemeinde in Tschechien und liegt im Südosten der historischen Region Böhmen. Sie hat 350 Einwohner:innen und ist vor allem für ihren namensgebenden Ortsteil Kaliště bekannt, dem Geburtsort des Komponisten Gustav Mahler (1860-1911).

. Für das Porträt seines Landsmannes wählt Orlik einen unüblichen Blickwinkel. Das Gesicht arbeitet er fein heraus und modelliert es aufwändig mit Licht und Schatten. Vor allem im Kontrast mit dem nur mit einer Linie angedeuteten Jackett wirkt es fast wie fotografiert.
Richard Strauss (1864–1949) porträtierte Orlik im vorletzten Jahr der Berliner Zeit des berühmten Komponisten. Zwanzig Jahre lang hatte hier Strauss als Preußischer Hofkapellmeister gewirkt, bevor er an die Wiener Hofoper wechselte. Emil Orlik war mit der Familie Strauss befreundet. Mit großer Präzision arbeitet er die Züge des Anfang-50-Jährigen heraus. Um die Porträtierten möglichst realitätsgetreu zu erfassen, setzte Orlik oft den sogenannten Glastafelapparat ein. Alle wichtigen Linien hielt er zunächst auf der Glasplatte fest, durch die er sein Modell betrachtete. Anhand der auf Papier übertragenen Zeichnung radierte er schließlich die Druckplatte.
Das Bildnis von Richard Wagner (1813–1883) zählt zu Emil Orliks Porträts historischer Persönlichkeiten. Aus dem gleichen Jahr stammt auch eine Zeichnung von Ludwig van Beethoven, die sich ebenfalls im KOG befindet. Bei Wagner rückt Orlik den Kopf in den Mittelpunkt. Den angesehenen Erneuerer der europäischen Musik zeigt er in leichter Untersicht, sodass der Betrachter zu ihm hinaufblickt. Während Orlik die Gesichtszüge seiner Zeitgenossen meist detailreich wiedergab, wendet er hier eine reduzierte Linienzeichnung an.

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