Endlich frei!

Sowjetische Kriegsgefangene 1945 zwischen Freude, Angst und Hoffnung
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Für die sowjetischen Kriegsgefangenen, die 1945 aus deutscher Hand entlassen wurden, war das Ende ihres Freiheitsentzugs mit Freude und Hoffnung auf eine bessere Zukunft verbunden. Dieses Kapitel in ihrem Leben war aber auch von Ungewissheit geprägt und der Angst, in ihrer Heimat bestraft zu werden.
Im Zweiten Weltkrieg wurden bis zu 5,7 Millionen Sowjetsoldaten durch die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten gefangengenommen. Somit weist diese Opfergruppe die höchste Anzahl an Gefangenen in der Geschichte moderner Kriege auf. Der größte Teil der Soldaten geriet im Zuge der Kesselschlachten 1941 und der schweren Kämpfe 1942 bis 1943 in deutsche Gefangenschaft, aber auch 1945 gab es noch Gefangennahmen. Die sowjetischen Soldaten wurden in Deutschland als Zwangsarbeiter in allen Wirtschaftsbereichen eingesetzt. Vor 1942 geschah dieser Arbeitseinsatz noch im kleineren Umfang und überwiegend im besetzten Gebiet der Sowjetunion. Die Gefangenen waren in größeren  Stalags
Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager
auch:
Stalag
Deutsches Lager für die Unterbringung der gegnerischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg. Die Wehrmacht betrieb zwischen 1939 und 1945 über 220 Stalags im „Reichsgebiet“ (in allen 21 Wehrkreisen) und in den besetzten Regionen Europas. Es gab sowohl „internationale“ Stalags als auch Stalags für bestimmte Gefangenengruppen, wie Franzosen und Bürger der Sowjetunion.
 untergebracht.
Allein im  Stalag X B Sandbostel
Stalag X B
auch:
Stammlager X B, Stammlager X B Sandbostel, Stalag X B Sandbostel
Das Stammlager (Stalag) X B war ein Kriegsgefangenenlager des Zweiten Weltkriegs, das in der Nähe des Dorfes Sandbostel, rund 60 Kilometer westlich von Hamburg (im Wehrkreis X) lag. Zur Errichtung des tatsächlich aus mehreren Lagern bestehenden Lagerkomplexes wurde ab September 1939 ein bereits existierendes Barackenlager des Reichsarbeitsdienstes ausgebaut und erweitert. Der Beschluss zur Einrichtung des Kriegsgefangenenlagers war noch vor Kriegsbeginn, im Sommer 1939 erfolgt. Im Lager waren neben polnischen, belgischen, französischen oder italienischen auch große Gruppen sowjetischer Kriegsgefangener interniert, deren Versorgung besonders schlecht und deren Sterberate besonders hoch war. Die Häftlinge des Lagers wurden u. a. in hunderten Arbeitskommandos zur Zwangsarbeit in der Region eingesetzt und dazu auch außerhalb des Lagers untergebracht. Gegen Kriegsende waren auch Überlebende des Warschauer Aufstandes (1944) in Sandbostel interniert, ab April 1945 kurzzeitig auch nach Sandbostel verbrachte Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme und seiner Außenlager. Das Lager wurde am 29. April 1945 von der britischen Armee befreit und diente noch bis in die 1950er Jahre als Internierungslager und Gefängnis. Mehrere der historischen Lagergebäude sind erhalten und stehen heute unter Denkmalschutz.
 gab es über 70.000 sowjetische Kriegsgefangene. Etwa 2,6 Millionen Rotarmisten überlebten die deutsche Kriegsgefangenschaft nicht, rund 2 Millionen von ihnen kamen in den  Dulags
Durchgangslager
auch:
Dulag, Durchgangslager für Kriegsgefangene
Provisorische deutsche Haftstätte für die gegnerischen Kriegsgefangenen, meistens in besetzten sowjetischen oder polnischen Gebieten. In der Regel befand sich ein Dulag an einem für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen ungeeigneten Ort: unter freiem Himmel, in einem zerbombten Gebäude etc. Die genaue Anzahl der Dulags ist immer noch nicht bekannt. In diesen Lagern war die Sterblichkeitsrate besonders hoch.
 in den von Deutschland besetzten Regionen während des Winters 1941/1942 ums Leben. Auch diese Zahl ist im Vergleich zur Sterberate unter den westlichen Kriegsgefangenen in der Hand der Nationalsozialisten überproportional groß. Sowjetbürger in Militäruniform wurden ermordet oder zu Tode gequält. Sie starben an Hunger, menschenunwürdiger Unterbringung, Krankheiten, unerträglicher und gesundheitsschädlicher Zwangsarbeit sowie an mangelhaften Hygienemöglichkeiten. Die deutsche Führung missachtete alle humanistischen und völkerrechtlichen Prinzipien.

Zeitzeugen über ihre Befreiung

Viele sowjetische Kriegsgefangene mussten bis 1945 auf ihre Befreiung warten. Nach der Kapitulation Deutschlands befanden sie sich mehrheitlich in den westlichen Besatzungszonen, da sie in den dort vielfach angesiedelten kriegsrelevanten Betrieben als Zwangsarbeiter eingesetzt gewesen waren.
Dieses Kapitel der Befreiung in der Biografie sowjetischer Kriegsgefangener ist noch immer kaum erforscht. Menschliche Emotionen lassen sich schwer in offiziellen staatlichen Überlieferungen dokumentieren und archivarisch belegen. Stattdessen bieten sich Selbstzeugnisse Betroffener an, wie sie der Verfasser während seiner Beschäftigung im Berliner Verein Kontakte-Kontakty für das Projekt „Bürgerengagement für vergessene NS-Opfer“ gesammelt hat. Ehemalige sowjetische Kriegsgefangene aus der 
Ukraine
ukr. Ukrajina, eng. Ukraine

Die Ukraine ist ein Staat im östlichen Europa. Kiew ist die Hauptstadt und zugleich größte Stadt des seit 1991 unabhängigen Landes. Seit 2022 wehrt sich das Land gegen einen umfassenden russischen Überfall, der sich insbesondere auch gegen die Zivilbevölkerung und die kritische Infrastruktur des Landes richtet und Teil eines bereits seit 2014 laufenden, von der Russischen Föderation ausgehenden Krieges gegen die Ukraine ist, die 2014 mit der Annexion der ukrainischen Krim ihren Ausgang nahm.

Belarus
bel. Belarus', rus. Белоруссия, deu. Weißrussland, bel. Беларусь, eng. Belarus

Belarus (Bevölkerungszahl 2024: 9.109.280) ist ein Staat im östlichen Europa, der bis 1991 zur Sowjetunion gehörte. Seine Hauptstadt und bevölkerungsreichste Stadt ist Minsk. Belarus grenzt an die Ukraine, Polen, Litauen, Lettland und Russland.

Georgien
eng. Georgia, rus. Грузия, rus. Grusija, kat. საქართველო, kat. Sakartwelo, kat. Sakartvelo, rus. Gruzija, rus. Gruziâ

Georgien ist eine Republik im Südkaukasus. Das Land wird von 3,7 Millionen Menschen bewohnt und liegt an der Grenze zwischen dem östlichen Europa und dem westlichen Asien. Hauptstadt Georgiens ist Tiflis (Tbilissi). Das Land liegt am östlichen Ende des Schwarzen Meeres und grenzt neben Russland auch an die Türkei, Aserbaidschan und Armenien. Georgien ist seit dem Fall der Sowjetunion ein unabhängiger Staat.

Russland
eng. Russia, rus. Rossija, rus. Россия

Die Russische Föderation ist der größte Flächenstaat der Welt und wird von rund 145 Millionen Menschen bewohnt. Hauptstadt und größte Stadt ist Moskau mit ungefähr 11,5 Millionen Einwohner:innen, gefolgt von Sankt Petersburg mit mehr als 5,3 Millionen Einwohner:innen. Der deutlich überwiegende Teil der Bevölkerung lebt im europäischen Teil Russlands, der dichter besiedelt ist, als der asiatische.

Die Russische Föderation ist seit 1992 Nachfolgestaat der russischen Sowjetrepublik (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik, RSFSR), dem mit Abstand größten Teilstaat der ehemaligen Sowjetunion. Sie ist zugleich Rechtsnachfolger der Sowjetunion im Sinne des Völkerrechts.

 und Armenien gaben dem Autor in den 2000er und 2010er Jahren im häuslichen Umfeld sowie fernmündlich und schriftlich Interviews. Hinzu kommen einzelne Lebensbeschreibungen aus 
Kasachstan
eng. Kazakhstan, rus. Kazakhstan, rus. Казахстан, kaz. Қазақстан, kaz. Qazaqstan

Kasachstan ist ein Binnenstaat in Zentralasien. Nur-Sultan ist die Hauptstadt des von ungefähr 18,8 Millionen Menschen bewohnten Landes. Das Land liegt am Kaspischen Meer und ist seit 1991 unabhängig. Die Geschichte des Landes ist geprägt von verschiedenen Dynastien, die bis ins 18. Jahrhundert Khanate auf dem Gebiet des Landes gründeten, bis das Land im 19. Jahrhundert formell durch das russische Zarenreich regiert wurde. Von 1936 bis 1991 war Kasachstan Teil der Sowjetunion.

Usbekistan
eng. Uzbekistan, rus. Usbekistan, rus. Uzbekistan, rus. Узбекистан

Usbekistan (Bevölkerungszahl 2023: 36.799.800) ist ein Binnenstaat in Zentralasien. Seine Hauptstadt ist Taschkent, die offiziellen Amtssprachen sind Usbekisch sowie - in der autonomen Republik Karakalpakistan - Karakalpakisch. Das Land grenzt an Afghanistan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan.

Ab 1428 bilden sich auf dem Gebiet des heutigen Usbekistans die Usbeken-Khanate aus, die zeitweise den Mogul-Khanen tributpflichtig waren. 1506 entstand das Khanat Buchara (ab 1785 Emirat), von dem sich später die Khanate Chiwa und Kokand abspalteten. 1868 annektierte Russland den nördlichen Teil des Emirats Buchara, während der südliche Teil als russisches Protektorat weiter existierte. Chiwa wurde ab 1873 russisches Protektorat. 1876 wurde Kokand erobert. Der während der Machtkämpfe in Russland nach der Oktoberrevolution 1917 entstandene Alasch-Orda-Staat umfasste auch Teile des heutigen Usbekistans. Das Khanat Chiwa wurde 1920 in Choresmische Sowjetische Volksrepublik umgewandelt, die 1923 als Choresmische Sozialistische Sowjetrepublik der Sowjetunion beitrat. Das Emirat von Buchara wurde ebenfalls 1920 zur Sowjetische Volksrepublik Buchara, die ab 1924 der Sowjetunion angehörte. Diese pseudoautonomen Gebilde wurden der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Turkestan einverleibt, aus der 1925 die Usbekische SSR entstand. 1929 wurde daraus die Tadschikische SSR ausgegliedert. 1936 wurde u.a. Karakalpakistan von der Russischen SFSR an Usbekistan abgetreten. Der Zusammenbruch der Sowjetunion ebnete den Weg zur 1991 erfolgten Unabhängigkeitserklärung von Usbekistan. Bisher hat sich im Land keine demokratische Regierungsform etabliert.

Usbekistan war eine der ärmeren Teilrepubliken der UdSSR. Das ländlich geprägte Land ist stark vom Baumwollanbau abhängig, der jedoch auch im Zusammenhang mit den großangelegten Bewässerungsprojekten der Sowjetunion in Wüstengebieten schwere ökologischen Schäden verursacht. Neben der Landwirtschaft profitiert das Land von der Erdgasgewinnung und – im geringeren Maße – dem Maschinenbau.

 und 
Estland
eng. Estonia, est. Eesti

Estland ist ein Land in Nordosteuropas. Es wird von ungefähr 1,3 Millionen Menschen bewohnt und grenzt an Lettland, Russland und die Ostsee. Die bevölkerungsreichste Stadt und Hauptstadt zugleich ist Tallinn.

Der heutige estnische Staat erlangte seine politische Unabhängigkeit erst 1991 wieder, infolge der sog. „Singenden Revolution“ in den baltischen Staaten und vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Erstmals war 1918 die Unabhängigkeit Estlands ausgerufen und durch den „Estnischen Freiheitskrieg“ (1918-1920) durchgesetzt worden. Bereits 1940 wurde dieser erste estnische Staat abgelöst durch die unter sowjetischer Besatzung gegründete „Estnische Sozialistische Sowjetrepublik“. Sie war, mit Unterbrechung durch die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg (1941–1944) und mit leicht abweichendem Grenzverlauf, bis 1991 eine Teilrepublik der Sowjetunion. Vor 1918 wiederum war das Gebiet des heutigen Estlands Teil des Russländischen Kaiserreiches, wobei sein nördlicher Teil das Ostseegouvernement Estland, sein südlicher Teil die nördliche Hälfte des Ostseegouvernements Livland bildete. Im Hoch- und Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit hatten Teile des heutigen Landes auch unter schwedischer, dänischer und polnischer Herrschaft gestanden, der livländische Teil bis 1561 auch unter Hoheit des Deutschen Ordens.

Seit 2004 ist Estland Teil der Europäischen Union und der NATO.

. Insgesamt setzt sich der Quellenkorpus aus ca. 1.400 schlüssigen schriftlichen Lebensberichten und 45 mündlichen Interviews zusammen.
Selbstverständlich können diese Erinnerungen nicht als wissenschaftlich verifizierte Rekonstruktionen des Jahres 1945 dienen. Der Quellenkorpus ist nur teilweise repräsentativ. Die Befragten sind bis auf wenige Ausnahmen männlich und gehören ausschließlich zum Kreis der heimgekehrten Personen. Sie waren zum Zeitpunkt der Befreiung meistens sehr jung (Jahrgänge 1918 bis 1924) und erreichten ein hohes Alter, das über der durchschnittlichen Lebenserwartung in der 
Sowjetunion
eng. Soviet Union, deu. Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, rus. Sovetskiy Soyuz, rus. Советский Союз, . Совет Ушем, . Советонь Соткс, rus. Sovetskij Soûz, . Советий Союз, yid. ראַטן־פֿאַרבאַנד, yid. סאוועטן פארבאנד, yid. sovətn farband, yid. sovʿtn-farband, yid. sovətn-farband, . Советтер Союзу, . Совет Союзы, deu. Советий Союз, . Советон Цæдис, . Совет Эвилели

Die Sowjetunion (SU oder UdSSR) war ein von 1922 bis 1991 bestehender Staat in Osteuropa, Zentral- und Nordasien. Sie ist aus dem sog. Sowjetrussland hervorgegangen, dem Nachfolgestaat des Russländischen Kaiserreichs. Den Kern der Union und zugleich ihren größten Teil bildete die Russische Sowjetrepublik, hinzu kamen weitere Teilrepubliken. Ihre Zahl variiert über die Zeit hinweg und steht im Zusammenhang mit der Besatzung anderer Länder (Estland, Lettland, Litauen), nur kurzzeitig bestehenden Sowjetrepubliken (Karelo-Finnland) oder mit der Teilung bzw. Zusammenlegung von Sowjetrepubliken. Zusätzlich gab es zahlreiche autonome Republiken oder sonstige Gebietseinheiten mit einem Autonomiestatus, der sich im Wesentlichen auf eine sprachliche Autonomie der Minderheiten beschränkte.

Die UdSSR bestand vor ihrer formellen Auflösung aus 15 Sowjetrepubliken mit einer Bevölkerung von ungefähr 290 Millionen Menschen. Mit ca. 22,4 Millionen km² bildete sie den damals größten Flächenstaat der Welt. Die Sowjetunion war eine sozialistische Räterepublik mit einem Einparteiensystem und einer fehlenden Gewaltenteilung.

 lag. Auch Angehörige von Minderheiten wurden mangels Zugänge vergleichbar wenig interviewt. Dennoch eignen sich die Berichte gut als Zeugnisse der Gefühlswelt.
Alle befragten Zeitzeugen berichten von der anfänglichen, beinahe euphorischen Freude über die bevorstehende Befreiung. Sie wussten in der Regel nicht genau, wo die Frontlinie verlief, waren aber über die bevorstehende Niederlage Deutschlands im Großen und Ganzen informiert. Das erste Treffen mit sowjetischen oder westlichen Soldaten beschreiben viele Betroffene mit dem Satz: „Wir waren außer uns vor Freude.“ Sie sprechen von Umarmungen, Küssen, Weinen, gemeinsamem Essen und Trinken sowie viel Mitleid vonseiten der Befreier. Verletzten und Mangelernährten wurde medizinische Hilfe angeboten.
Viele der Zeitzeugen empfanden ein zweifaches Glücksgefühl: Sie gewannen ihre persönliche Freiheit zurück (viele nennen ihren Aufenthalt in deutschem Gewahrsam „Sklaverei“) und erlebten zudem den militärischen Sieg ihres Landes. Letzteres freute auch diejenigen Entlassenen, die nach eigener Aussage ein schwieriges Verhältnis zum Stalinismus hatten. Vereinzelt fanden in der sowjetischen Besatzungszone Feierlichkeiten statt. Einige Berichte schildern gemeinsame sowjetisch-westliche Gedenkveranstaltungen „zu Ehren der Opfer des Faschismus“. An manchen Orten würdigten die lokalen Militärkommandanten auf eigene Initiative die befreiten Kriegsgefangenen, auch wenn sie dabei keine offiziellen Auszeichnungen verleihen konnten.

Befreiung – und dann?

Viele Überlebende berichten von ihrem Wunsch, schnellstmöglich die Stationierungsgebiete der Roten Armee zu erreichen, obwohl die Versorgung in den amerikanisch und britisch besetzten Teilen Deutschlands spürbar besser war. Manche baten das örtliche Kommando um eine zügige Überstellung. Das damit verbundene Verfolgungsrisiko durch sowjetische Stellen, die den ehemaligen Kriegsgefangenen misstrauten, vernachlässigten die Betroffenen offenbar. Die Gründe dafür waren vielfältig. Erstens sind hier die hochkochenden Emotionen zu nennen, denn die ehemaligen Kriegsgefangenen wollten ihre Verwandten und Freunde schnell wiedersehen. Da die Wehrmacht im Widerspruch zum  Genfer Abkommen
Genfer Abkommen
Beim Genfer Abkommen handelt es sich um eine Reihe grundlegender internationaler humanitärer Vereinbarungen der Vor- und Nachkriegszeit. Die Konvention 1929 garantierte Kriegsgefangenen eine menschenwürdige Behandlung und verpflichtete dazu alle Vertragsparteien. Obwohl die Sowjetunion das Abkommen im Gegensatz zu Deutschland nicht unterzeichnet hat, galt es auch in Bezug auf sowjetische Kriegsgefangene als bindend. NS-Deutschland hat diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen.
 keinen Postverkehr der sowjetischen Gefangenen mit ihren Heimatorten erlaubt hatte, wusste die Mehrheit nicht, ob ihre Ehegatten, Kinder, Eltern und Geschwister in der Sowjetunion noch am Leben waren. Zweitens wollten die Befreiten ihren Beitrag zum Wiederaufbau des zerstörten Landes leisten. Drittens berichten einige Interviewte von einer rationalen Erwägung: Eine gewisse Überprüfung ihrer Person durch den sowjetischen Geheimdienst schien so oder so unvermeidlich. Je schneller dieses Verfahren begann, desto schneller war es zu Ende und desto näher die ersehnte Freiheit.
Außerdem bringen viele Zeitzeugen ihr damaliges Bedauern zum Ausdruck, aufgrund der Kapitulation Deutschlands keine Möglichkeit mehr zu haben, gegen den Feind zu kämpfen. Gelegentlich ist dies mit der Aussage verbunden, dass ihre „Sünde“ dadurch nicht ausreichend „gebüßt“ worden sei. Dies gilt als Bestätigung für die Wirkung der sowjetischen Weltanschauung: Einige Betroffene sehen ihre Kriegsgefangenschaft als „Delikt“. Andere, wenig sowjetpatriotisch geprägte ehemalige Kriegsgefangene hätten mit der positiven Auswirkung ihrer Kampfbereitschaft auf den Ausgang des Prüfverfahrens gerechnet.
Bevor die Befragten der Sowjetverwaltung übergeben wurden, verfügten sie über keine genauen Informationen, was sie in ihrer Heimat erwartete und wie sie man sie behandeln würde. „Wir wussten nicht, was die Sowjets für uns vorbereitet hatten.“ Ihnen war beispielsweise unbekannt, dass Moskau und die Westalliierten eine nahezu lückenlose Rückführung aller Sowjetbürger in ihr Land vereinbart hatten, notfalls unter Zwang. Mehrere Zeitzeugen, vor allem Georgier und Armenier, erzählen von ihren Ängsten und Befürchtungen angesichts ihrer Rückkehr sowie entsprechenden Diskussionen kurz nach der Befreiung. Das betraf gleichermaßen eidgetreue Kriegsgefangene eidgetreue Kriegsgefangene Eidgetreue Kriegsgefangene waren Nicht-Kollaborateure, die ihrem Eid in der Roten Armee treu geblieben sind und jede Zusammenarbeit mit den Deutschen zuungunsten ihres Landes verweigert haben, z. B. Dienst in einer Wachmannschaft, in der Wlassow-Armee, Polizei- und Hilfseinheiten etc. und ihre Kameraden, die in den Stalags mit den Deutschen kollaboriert hatten.
Das mit Abstand am meisten benutzte Wort für die Beschreibung eigener Gefühle ist damit „Ungewissheit“. Zum Ersten war es selbst einem überzeugten Sowjetpatrioten bewusst, dass in der Sowjetunion der Aufenthalt in der Kriegsgefangenschaft wenigstens mit einem großen Vergehen gegen ihr Land, wenn nicht mit dem Hochverrat gleichgestellt wurde. Davor hatten die Politoffiziere der Roten Armee vor der Gefangennahme bei jeder Gelegenheit gewarnt. Die Befreiten setzten jedoch auf die strafmildernde Wirkung der Vaterlandstreue in deutscher Hand. Zum Zweiten hatten einige Personen politisch Verfolgte (Erschossene, Verhaftete, Verbannte und  Entkulakisierte
Entkulakisierung
auch:
Dekulakisierung, Kulakendeportation
Bei der Entkulakisierung handelt es sich um Enteignungs- und Repressionsmaßnahmen zwischen 1929 und 1933 gegen die „Kulaken“ (wohlhabende Bauern und die Mittelschicht) im Zuge der Zwangskollektivierung. Die „Kulaken“ wurden verbannt, entrechtet und mussten ihr Eigentum wie ihren Bauernhof, Essensvorräte und Vieh ohne jede Entschädigung an den Staat abtreten. Historiker gehen von bis zu 4 Millionen Opfern aus, darunter bis zu 600.000 Toten.
) in ihrem Familien- und Bekanntenkreis. Zum Dritten nutzte die NS-Propaganda mehrere Werkzeuge, um die Bindung der Gefangenen an die Sowjetunion zu schwächen. Dazu gehörte die Verbreitung von echten, teilweise oder vollständig gefälschten sowjetischen Befehlen, die den brutalen Umgang mit „Vaterlandsverrätern“ belegen sollten. Schließlich wurden die Befreiten von westlichen Offizieren über die möglichen schweren Konsequenzen bei ihrer Heimkehr informiert.
Als Argumente, trotz dieser großen Ungewissheit die Rückkehr zu wagen, galten Heimweh („Es ist besser, in der Heimat zu sterben, als im fremden Land zu leben“), der Wunsch, die eigene Familie wiederzusehen, teilweise auch Angst vor Verfolgung von Familienmitgliedern im Fall der Nichtrückkehr, das allgemeine Misstrauen gegen die deutsche Propaganda und nicht selten gegen die „Kapitalisten“ aus dem Westen. Außerdem versprachen die sowjetischen Regierungsstellen in Flugblättern und Zeitungen in vielen Sprachen der Sowjetunion, in direkten Gesprächen und durch die bewusste Steuerung der Mundpropaganda eine reibungslose Wiedereingliederung der „aus der faschistischen Unfreiheit heimgekehrten tapferen Soldaten“ in die Sowjetgesellschaft.

Nicht alle Befreiten wollten zurück

Viele der Befreiten hatten eigenen Angaben zufolge von den Westalliierten, hauptsächlich von den Amerikanern, kurz nach der Entlassung das Angebot bekommen, im Westen zu bleiben beziehungsweise ihren neuen Wohnsitz frei zu wählen. Unklar ist, ob es sich hier um Eigeninitiativen der Zuständigen vor Ort oder um einen größeren Versuch handelte, die flächendeckende Zwangsrückführung aller Bürger der Sowjetunion in ihre Heimat zu torpedieren. Ein Teil der Befragten lehnte dieses Angebot ohne Zögern ab, andere überlegten jedoch länger. 60 Jahre nach Kriegsende bringen einige Interwievpartner ihr Bedauern über ihre „falsche Entscheidung“ zum Ausdruck, zurückzukehren, vor allem damals Ledige und Kinderlose.
Letztlich waren nicht alle Sowjetbürger rückkehrwillig. Die Berichte der sowjetischen Repatriierungs-Bevollmächtigten 1945 bis 1946 enthalten zahlreiche Hinweise auf Sabotage, Fluchtversuche, Täuschungen mit dem Ziel, der Rückführung zu entkommen, und sogar bewaffneten Widerstand. Die befragten Zeitzeugen erzählen aus der erfahrungsgeschichtlichen Sicht plausibel von Ex-Gefangenen, die sich bereit erklärten, in Europa oder Amerika zu bleiben, oder die aus der Unterbringungsstätte unangekündigt verschwanden. Dabei handelte es sich aber nicht um eine Massenerscheinung. Von Interesse sind die Berichte über die diversen Tricks der Rückkehrunwilligen. Als sie erfuhren, dass die Westalliierten die Bewohner der 1939 von der Sowjetunion annektierten ostpolnischen Gebiete nicht repatriierten, kauften sie entsprechend gefälschte Papiere auf dem Schwarzmarkt, baten Kirchen und internationale Hilfsorganisationen um Unterstützung bei der Herstellung falscher Dokumente oder machten anderweitig falsche Angaben über ihren Geburts- oder Wohnort.
Die genaue Anzahl der im Westen gebliebenen ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen ist bis heute unbekannt. Die Angaben schwanken zwischen 250.000 (interner Bericht des Außenministeriums der Sowjetunion von 1956) und bis zu 400.000 Personen (Schätzungen der Forschung). Zeugnisse dieser Menschen sind bis auf wenige Tagebücher und vereinzelte Publikationen im Selbstverlag nicht bekannt. Dagegen wurden etwa 1,5 Millionen befreite Rotarmisten in ihre Heimat repatriiert.

Lebenslange Repressalien gegen die Heimgekehrten

Im November 1944 veröffentlichte die „ Prawda
Prawda
(dt. „Wahrheit“) war die führende Tageszeitung der Sowjetunion, Zentralorgan der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), in dem die wichtigsten Partei- und Staatsentscheidungen verkündet sowie richtungsweisende Texte abgedruckt wurden. Die Zeitung wurde noch im Zarenreich 1912 von Wladimir Lenin gegründet worden und erschien bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991. Im heutigen Russland existiert die „Prawda“ als auflagenschwache Zeitung der russischen Kommunisten.
“ ein Interview mit Generaloberst Filipp Golikow Filipp Golikow Filipp Golikow war sowjetischer Generaloberst, später Marschall der Sowjetunion, enger Vertrauter Stalins. Vor dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion Leiter des militärischen Geheimdienstes GRU und stellvertretender Generalstabchef. Seit Oktober 1944 Leiter der sowjetischen Repatriierungsbehörde. Nach dem Krieg Leiter der Hauptpolitischen Abteilung im Verteidigungsministerium der Sowjetunion und somit inoffiziell der zweitwichtigste Mann in der sowjetischen Militärhierarchie. , dem Leiter der Repatriierungsbehörde. Er rügte die „Provokationen und Lügen über die Repressalien“ gegen die Heimgekehrten und behauptete: „Der Sowjetstaat denkt an seine eigenen Bürger, die in die deutsche Sklaverei gerieten, und kümmert sich um sie. Sie werden zu Hause als Söhne der Heimat empfangen.“ Die Realität war von dieser Versprechung meilenweit entfernt. Die Befürchtungen und Ängste der ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen hatten sich bewahrheitet. Unmittelbar nachdem sie in der sowjetischen Besatzungszone eingetroffen waren, begann für sie in einem Lager die sogenannte „Filtration“, ein mehrmonatiges Prüfverfahren, das auch nach der Rückführung in die Sowjetunion fortgesetzt wurde. Die „Filtration“ war mit viel Willkür, Gewalt und ungerechtfertigten Anschuldigungen durch die stalinistische Justiz verbunden. Infolgedessen wurde etwa ein Drittel aller Rückkehrer mit Haft, Zwangsarbeit, Verbannung in entfernte Regionen der Sowjetunion und Entzug der Bürgerrechte bestraft. Die Übrigen mussten bis zur Ära Gorbatschow mit zahlreichen Schikanen rechnen, wurden diskriminiert und aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Viele Zeitzeugen berichten über Berufsverbote, die fehlende Möglichkeit, ihr Wunschstudium aufzunehmen, in 
Moskwa
eng. Moscow, deu. Moskau, rus. Москва, rus. Kučkov, rus. Kučkovo, rus. Кучков, rus. Кучково, rus. Moskov, rus. Moskovʺ, rus. Московъ, rus. Москов, rus. Moskva

Moskau (Bevölkerungszahl 2023: 12.412.154) ist die Hauptstadt der Russländischen Föderation und die bevölkerungsreichste vollständig in Europa gelegene Stadt. Sie liegt im Westen des Landes. Moskau ist gleichzeitig die Hauptstadt des Föderationsbezirks Zentralrussland. Die Verwaltungseinheit "Stadt von föderaler Bedeutung Moskau" umfasst mit einer Bevölkerungszahl von 13.149.803 Personen einige weitere Orte. Die Stadt bildet das mit Abstand wichtigste politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes.

Moskau entstand etwa im 11./12. Jahrhundert. Die Entstehung der Wehranlage (Kreml) wird auf den Beginn der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert. Im 13. Jahrhundert wurde Moskau zur Hauptstadt eines Teilfürstentums des Großfürstentum Wladimir. Im 14. Jahrhundert setzten sich die Fürsten von Moskau als die Herrscher der gesamten Rus durch. Diese war jedoch 1247-1480 tributpflichtig gegenüber der Goldenen Horde, welche 1238 Moskau verwüstete. 1571 wurde die fast vollständig hölzerne Stadt von tatarischen Truppen niedergebrannt. Moskau war jedoch zu diesem Zeitpunkt das unumstrittene Machtzentrum Russlands. 1687 wurde in der Stadt die erste Hochschule, 1775 die erste Universität eröffnet. Peter der Große verlegte 1712 die Hauptstadt nach Sankt Petersburg. Neben dem Machtverlust geschwächt durch Unruhen und Säuchen blieb ihre Entwicklung hinter jener der neuen Hauptstadt zurück. Einen tiefen Einschnitt in die Entwicklung von Moskau brachte der Einmarsch der napoleonischen Truppen 1812, zu deren Abwehr die Stadtbevölkerung ihre Häuser in Brand steckte. Der rasch begonnene Wiederaufbau brachte Moskau ein modernes Stadtbild.

In den 1890er Jahren überschritt die Bevölkerungszahl Moskaus 1.000.000, und kurz nach der Oktoberrevolution 1917 und der Verlegung der Hauptstadt Russlands bzw. der Sowjetunion nach Moskau 1918, überholte die Bevölkerungszahl der Stadt jene von Sankt Petersburg. Moskau erlebte einen enormen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, auch zahlreiche Vorzeigebauten wurden bis zum Zweiten Weltkrieg errichtet. Der zum Teil erhebliche Zubau der Wohnflächen konnte jedoch nie dem Bevölkerungswachstum schritthalten, das auch nicht durch diverse, teilweise bis heute geltende Zuzugseinschränkungen gebremst werden konnte. Allerdings wuchs die Stadt auch durch Eingemeindungen, insbesondere in den Jahren 1960 und 2012.

1980 wurden im Moskau die Olympischen Sommerspiele ausgetragen. In den Folgejahren erfasste jedoch die zunehmende Krise in der Sowjetunion auch die Stadt, die nach den dezentralen Bewegungen in den Republiken und Unruhen in Russland selbst schließlich vom Putschversuch 1991 direkt betroffen war. Nach dem endgültigen Zerfall der Sowjetunion Ende 1991, blieb Moskau die Hauptstadt Russlands, eines zwar deutlich kleineren, flächenmäßig dennoch größten Landes der Welt. Insbesondere das Stadtzentrum wird seitdem immer stärker von modernen, repräsentativen Bauten geprägt. Der Wiederaufbau der in der Sowjetzeit zerstörten oder umgewidmeten Kirchen, die Renovierung der Gebäude aus der vorsowjetischen Zeit im Stadtkern sowie der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur an den Rändern sind weitere Merkmale der Entwicklung der Stadt in der postsowjetischen Ära.

 oder 
Sankt-Peterburg
rus. Leningrad, deu. Sankt Petersburg, eng. Saint Petersburg, rus. Ленинград, rus. Петроград, rus. Petrograd, rus. Sant-Piter-Burh, rus. Sankt-Piter-Burh, rus. Санкт-Питер-Бурх, rus. Сант-Питер-Бурх

Sankt Petersburg ist eine Metropole im Nordosten Russlands. In der Stadt wohnen 5,3 Millionen Menschen, was sie nach Moskau zur zweitgrößten des Landes macht. Sie liegt an der Mündung der Newa (Neva) in die Ostsee im Föderationskreis Nordwestrussland. Sankt Petersburg wurde 1703 von Peter dem Großen gegründet und war von 1712 bis 1918 die Hauptstadt Russlands. Von 1914–1924 trug die Stadt den Namen Petrograd, von 1924–1991 den Namen Leningrad.

 zu wohnen oder einen Karriereaufstieg zu schaffen. Bis zum Rentenalter und teils darüber hinaus waren sie Parias. Ihre Bürgerrechte wurden erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion endgültig wiederhergestellt.
Der Lebensweg der sowjetischen Kriegsgefangenen während und nach ihrer Entlassung unterscheidet sich generell vom Schicksal ihrer westlichen Leidensgenossen. Rotarmisten wurden in deutscher Gefangenschaft rassistisch verfolgt und waren von internationalen Abkommen nicht geschützt. Sie mussten schwerste Zwangsarbeit verrichten und konnten nicht auf die Unterstützung ihrer Regierung hoffen. Nach der Rückführung wurden sie Opfer des stalinistischen Unrechtsstaates und erst nach der Auflösung der Sowjetunion mit anderen Kriegsteilnehmern gleichgestellt. Immer noch sind sowjetische Kriegsgefangene eher Subjekte als Objekte der Geschichte und erfahren in den Erinnerungskulturen in West und Ost keine Würdigung.

Verein Kontakte-Kontakty e.V.

Der Verein für Kontakte zu Ländern der ehemaligen Sowjetunion Kontakte-Kontakty e.V. setzt sich seit 1990 für einen humanistischen Austausch zwischen West und Ost ein. Zu den größten langjährigen Projekten des Vereines gehören das Bürgerengagement für vergessene NS-Opfer (sowjetische Kriegsgefangene, Überlebende der verbrannten Dörfer, minderjährige Häftlinge und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter), Hilfe für Shoah-Überlebende in der Ukraine, Partnerschaft für leukämiekranke Kinder sowie Jugendprojekte. 

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