Ein wiederkehrendes Motiv der Karikaturen war das Erlebnis des Grenzübertritts zwischen der Tschechoslowakei und der sowjetischen Besatzungszone, das mal als Abenteuer, mal als Bedrohung dargestellt wurde. Zeichnung von Gerat Kašpor und Horst Meltka, in: Naš puć, 1.10.1948, S. 7. Reproduktion: Serbska centralna biblioteka / Sorbische Zentralbibliothek, Budyšin / Bautzen,
CC BY-NC-SA 4.0
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Im Herbst 1947 meldete sich eine sorbische Schülergruppe im tschechischen Varnsdorf vehement zu Wort. Sie wollte ein politisches Zeichen setzen und begann eine Zeitschrift herauszugeben. Das Blatt wurde zum Appell, die Kräfte der „Jugend“ zu bündeln und eine neue Gesellschaft aufzubauen.
Einleitung
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Im November 1947 war es dann so weit. Die jungen Redakteure präsentierten die erste Ausgabe der Zeitschrift, an der sie wochenlang gearbeitet und die sie auf Naš puć. Wěstnik serbskeje młodźiny we Warnoćicach (Unser Weg. Mitteilungsblatt der sorbischen Jugend in Varnsdorf) getauft hatten. Das Blatt richtete sich an
sorbische
Sorbe:Sorbin
Die Sorben gehören zu den vier anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland und leben in der Ober- und Niederlausitz im heutigen Sachsen und Brandenburg. Früher wurden sie im Deutschen meist als „Wenden“ bezeichnet, in der Niederlausitz heute offiziell als „Sorben/Wenden“. Die Sorben haben eine reiche kulturelle Tradition und eine eigene Sprache, die zu den westslawischen Sprachen gehört. Die Sprache gliedert sich in das Obersorbische, das vor allem in der Oberlausitz gesprochen wird, und das Niedersorbische, das in der Niederlausitz verbreitet ist. Sprache und Kultur werden aktiv gefördert, insbesondere durch Schulen, kulturelle Einrichtungen und Organisationen wie die Domowina, den Bund Lausitzer Sorben.
Jugendliche aus der
Die Lausitz ist eine historische Landschaft, die zurückgeht auf die Markgrafschaften der Niederlausitz und der Oberlausitz. Sie erstreckt sich zwischen Spreewald im Norden und dem Lausitzer Gebirge im Süden. Teile der Nieder- und der Oberlausitz sind heute polnisch.
eine Ausbildung oder Arbeit aufgenommen hatten. Der Titel unterstrich den Anspruch, mit dem die zunächst ausschließlich männliche Redaktion an den Start ging. Die Zeitschrift sollte der sorbischen Jugend den Weg in die Zukunft weisen. Von Anfang an machte die Redaktion deutlich, welche Zukunft sie sich für die sorbische Jugend vorstellte.
Die Redakteur:innen
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Die Redaktion hatte ihr Lager im „Luttna“ aufgeschlagen. Das Haus in der Štefánikova-Straße in Varnsdorf wurde erst vor kurzem zum Internat für sorbische Schüler:innen umgebaut. Hier wohnten auch die vier jungen Männer im Alter von 17 bis 19 Jahren, die sich zum Redaktionskreis zusammengeschlossen hatten. Von hier aus brachten sie insgesamt zehn Ausgaben heraus. Im Mai 1948 wechselte die Redaktion, und bis zum Ende des Schuljahres erschienen weitere fünf Ausgaben. Mit dem neuen Schuljahr wurde die Redaktion von einer wesentlich größeren Gruppe übernommen. Nun gehörten auch drei junge Frauen dazu. In der achtköpfigen Redaktion führten sie die Geschäfte der Schriftführerin und der technischen Redakteurin. Insgesamt arbeiteten rund zwanzig Jugendliche an der Herausgabe der Zeitschrift. Eine feste Gruppe bildeten die beiden Zeichner, die für jede Ausgabe eine Seite mit Karikaturen und Comics gestalteten. Alle beteiligten Jugendlichen gehörten der sorbischen Community in Varnsdorf an, die damals mehrere hundert Personen umfasste. Die Gruppe der meist jungen Sorbinnen und Sorben lebte vorübergehend in der nordböhmischen Stadt. Sie kamen, um Geld zu verdienen oder die Schule zu besuchen, so wie die Jugendlichen, die die Zeitschrift herausgaben.
Aus dem Deckblatt der ersten Ausgabe der Zeitschrift vom 1.11.1947. Reproduktion: Serbska centralna biblioteka/ Sorbische Zentralbibliothek, Budyšin / Bautzen,
CC BY-NC-SA 4.0
Aus dem Deckblatt der ersten Ausgabe der Zeitschrift vom 1.11.1947. Reproduktion: Serbska centralna biblioteka/ Sorbische Zentralbibliothek, Budyšin / Bautzen,
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In allen Redaktionen waren auffallend viele junge Leute aus Brězynka (Briesing), einem kleinen Dorf in der Nähe von Bautzen. Die Mitglieder der ersten Redaktion kamen sogar bis auf den Chefredakteur alle aus Briesing. Die hohe Beteiligung gerade der Briesinger Jugendlichen war vermutlich darauf zurückzuführen, dass sie ein starkes Vorbild für das politische Engagement hatten: Arnošt Bart (1870–1956), ein umtriebiger Politiker, ehemaliger Abgeordneter des Sächsischen Landtags und Gründer der Domowina, des Dachverbandes sorbischer Vereine. Wegen seines Einsatzes für die sorbische Autonomie, u.a. auf der
Pariser Friedenskonferenz 1919
Pariser Friedenskonferenz
auch:
Friedenskonferenz von Paris, Viererrat, Viererkonferenz
Auf der Pariser Friedenskonferenz wurden vom 18. Januar 1919 bis zum 21. Januar 1920 die Friedensverträge ausgearbeitet, die die Siegermächte des Ersten Weltkriegs mit den unterlegenen Mittelmächten (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Bulgarien, Osmanisches Reich) schlossen. Letztere waren von den direkten Vertragsverhandlungen jedoch ausgeschlossen, in denen der sog. „Rat der Vier“ mit Großbritannien, Frankreich, Italien und den USA als wichtigsten alliierten Staaten eine Führungsrolle einnahm. Ergebnis der Pariser Friedenskonferenz waren eine Reihe von Friedensverträgen (Pariser Vorortverträge), darunter der bereits am 28. Juni 1919 mit dem Deutschen Reich unterzeichnete Vertrag von Versailles.
, wurde Bart in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus überwacht und verfolgt. Der inzwischen hochbetagte Bart stand der Jugendzeitschrift wohlwollend gegenüber. Mit einem Beitrag, den die Redaktion in der Ausgabe vom 15. März 1948 abdruckte, unterstrich er das Anliegen der Zeitschrift, indem er dazu aufrief, die Zeichen der Zeit zu erkennen und den Aufbau einer neuen Gesellschaft in Angriff zu nehmen.
Auch sonst konnte die Redaktion auf Wohlwollen und Unterstützung zählen. Rückenwind kam von tschechischen Vereinen, die sorbische Schulen und Internate finanzierten. Einige Varnsdorfer Sorben halfen bei der Herstellung der Zeitschrift. Mitarbeiter einer Druckerei besorgten Matrizen und Papier und druckten das Deckblatt der Zeitschrift. Ein Lehrer lektorierte die sorbischsprachigen Texte, Schüler:innen der örtlichen Handelsschule tippten sie anschließend ab. Die Stadt Varnsdorf, deren Nationalausschuss inzwischen kommunistisch dominiert war, stellte ein Büro zur Verfügung. Dort produzierten die Jugendlichen mit einem
Hektografen
Hektograf
auch:
Hektograph, Hektografiergerät
Ein Hektograf ist ein frühes Gerät zur Vervielfältigung von Schriftstücken. Dazu wurden die zu kopierenden Inhalte bzw. das zu vervielfältigende Dokument mithilfe einer mit einem weichen Überzug beschichteten und abfärbenden Vorlage (Matrize) auf weitere Blätter übertragen. Hektografen waren vergleichsweise preisgünstig und einfach zu bedienen. Sie wurden vor allem zur Erstellung von Flugblättern, Schülerzeitungen oder weiteren Formen der grauen Literatur verwendet.
jeweils über 200 Exemplare, die sie dann vor Ort banden.
Das Programm
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Aufgabe des Naš puć sei es, so die Redaktion in der ersten Ausgabe, alle sorbischen Jugendlichen in Varnsdorf auf den ‚richtigen‘ Weg zu bringen. Denn, so hieß es, „der größte Teil unserer Jugend kennt den richtigen Weg noch nicht. Sie wissen nicht, welchen Weg sie einschlagen sollen; obwohl es doch so klar ist!“1 Es gebe nur einen Weg, den auch die sorbische Jugend gehen müsse. Es sei „der Weg des fortschrittlichen Slawentums, also der Weg der Demokratie, des Sozialismus und des Friedens“2. Als Wegbegleiterin wollte die Zeitschrift dafür sorgen, dass die studierende und die arbeitende Jugend in Varnsdorf diesen Weg gemeinsam geht. Von Anfang an warb die Redaktion für die Mitgliedschaft in der örtlichen sorbischen kommunistischen Jugendorganisation. Sie versprach, die Jugend auf den Seiten der Zeitschrift zu informieren, über aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen aufzuklären, zu bilden und zu unterhalten.
Politische Inhalte zogen sich wie ein roter Faden durch alle Ausgaben. Berichte, Reportagen und Aufklärungsartikel kreisten um die Themen Jugend, Arbeit und Fortschritt. Themen, die die Jugendlichen persönlich in ihrem Alltag bewegten, fanden kaum Eingang in die Zeitschrift. Vor allem über kommunistische Positionen informierte die Redaktion ausführlich. So lernten die Leser:innen, wie wichtig die „Gruppe“ als eine Organisationseinheit für die aufzubauende gesellschaftliche Ordnung sei und wie die „Selbstkritik“, eine in der frühen
eng. Soviet Union, deu. Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, rus. Sovetskiy Soyuz, rus. Советский Союз, . Совет Ушем, . Советонь Соткс, rus. Sovetskij Soûz, . Советий Союз, yid. ראַטן־פֿאַרבאַנד, yid. סאוועטן פארבאנד, yid. sovətn farband, yid. sovʿtn-farband, yid. sovətn-farband, . Советтер Союзу, . Совет Союзы, deu. Советий Союз, . Советон Цæдис, . Совет Эвилели
Die Sowjetunion (SU oder UdSSR) war ein von 1922 bis 1991 bestehender Staat in Osteuropa, Zentral- und Nordasien. Sie ist aus dem sog. Sowjetrussland hervorgegangen, dem Nachfolgestaat des Russländischen Kaiserreichs. Den Kern der Union und zugleich ihren größten Teil bildete die Russische Sowjetrepublik, hinzu kamen weitere Teilrepubliken. Ihre Zahl variiert über die Zeit hinweg und steht im Zusammenhang mit der Besatzung anderer Länder (Estland, Lettland, Litauen), nur kurzzeitig bestehenden Sowjetrepubliken (Karelo-Finnland) oder mit der Teilung bzw. Zusammenlegung von Sowjetrepubliken. Zusätzlich gab es zahlreiche autonome Republiken oder sonstige Gebietseinheiten mit einem Autonomiestatus, der sich im Wesentlichen auf eine sprachliche Autonomie der Minderheiten beschränkte.
Die UdSSR bestand vor ihrer formellen Auflösung aus 15 Sowjetrepubliken mit einer Bevölkerung von ungefähr 290 Millionen Menschen. Mit ca. 22,4 Millionen km² bildete sie den damals größten Flächenstaat der Welt. Die Sowjetunion war eine sozialistische Räterepublik mit einem Einparteiensystem und einer fehlenden Gewaltenteilung.
entwickelte Kommunikationsmethode, funktionierte. Zahlreiche Titelseiten widmete die Redaktion der Würdigung kommunistischer Führer und politisch relevanter Jahrestage. Nur gelegentlich durchbrachen kurze Berichte über Fußballspiele in Varnsdorf, Karikaturen aus dem Schulalltag im Grenzgebiet oder Witze über Erfahrungen mit Liebesbeziehungen und Alkohol die ansonsten propagandistisch anmutenden Inhalte.
Die prokommunistische Ausrichtung der Zeitschrift bzw. das Bekenntnis der jungen Redakteure zum Kommunismus scheint nicht immer auf Gegenliebe gestoßen zu sein. Darauf deuten einige Artikel hin. So reagierte die Redaktion beispielsweise auf den Vorwurf, der Kommunismus sei mit der Religion unvereinbar. Ein Thema, das die stark religiös gebundenen Sorbinnen und Sorben, die Zielgruppe der Zeitschrift, bewegt haben muss. Im März 1948 erschien ein Artikel zu diesem Thema. Der Autor bestritt, dass der Kommunismus Kirche und Religion unterdrücke. Dies sei eine Propaganda des Westens, um die Welt in zwei Lager zu spalten. Als Gewährsmann diente ihm Cyril Garbett (1875-1955), keine kommunistische Galionsfigur, sondern Erzbischof von York.3
Ob der Artikel die Zweifel an der Vereinbarkeit von Religion und Kommunismus ausräumen konnte, bleibt fraglich. Anders sah es sich beim Thema Jugend aus. Die Politisierung der Jugend, ein offensichtliches Ziel der Zeitschrift, scheint auf weniger Widerstand gestoßen zu sein. Immerhin diente die Zeitschrift als Forum, in dem sich Jugendliche an Jugendliche wandten, wenn auch fast ausschließlich in politisch-propagandistischem Ton. Das heißt, die Wortmeldungen hatten meist appellativen Charakter, wie das folgende Beispiel zeigt: „Ihr Jungen, Brüder und Schwestern, wir sind die Zukunft der Sorben! Die nächsten Generationen sollen nicht klagen, dass wir geschlafen haben, dass wir alles verschlafen haben!“4 Neben solchen allgemeinen, aber eindringlichen Sätzen, konnten die Appelle auch sehr konkret werden. So beklagte einmal ein sorbischer Jugendfunktionär die mangelnde Aktivität der Jugendorganisation und appellierte „an die Ehre und das nationale Gewissen eines jeden, sich in den Ferien mindestens 14 Tage in den Dienst der nationalen Organisation Domowina zu stellen, in den Dienst des sorbischen Volkes, auf dessen Kosten jeder von uns das ganze Jahr über umsonst und ohne Sorgen studiert“5.
Die politische Vereinnahmung der Jugend, verbunden mit dem Appell an ihre Verantwortung für die Zukunft, war für die sorbischen Jugendlichen nichts Neues. Denn dies war kein Alleinstellungsmerkmal kommunistischer Politik. Das Bild der Jugend als Garant der Zukunft war auch Teil des konservativen nationalen Selbstverständnisses der Sorben. So konnte die Redaktion das kommunistisch geprägte Bild problemlos an das bestehende konservative Bild anknüpfen. Die Redakteur:innen selbst verstanden sich als Bahnbrecher, als Pioniere, die allen Widrigkeiten zum Trotz ihren Mut und ihre Orientierung behielten, um anderen den Weg zu ebnen. Sie selbst schienen das Bild der Jugend zu verkörpern, das die Zeitschrift so stark prägte: Jugend als Chiffre für eine neue Kraftquelle, aus der eine neue Gesellschaft hervorgehen sollte.
Im Kontrast zu den politischen Themen der Texte stehen Witze und Karikaturen. Gerat Kašpor, Horst Meltka / Naš puć, 15.11.1947. Reproduktion Serbska centralna biblioteka / Sorbische Zentralbibliothek, Budyšin / Bautzen,
CC BY-NC-SA 4.0
Im Kontrast zu den politischen Themen der Texte stehen Witze und Karikaturen. Gerat Kašpor, Horst Meltka / Naš puć, 15.11.1947. Reproduktion Serbska centralna biblioteka / Sorbische Zentralbibliothek, Budyšin / Bautzen,
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Warum Politik?
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Es war kein Zufall, dass politische und nicht jugendspezifische Themen die Seiten der Zeitschrift dominierten. Die Gründung der Zeitschrift war der Versuch, aktiv mit der Situation umzugehen, in der sich die sorbischen Jugendlichen in Varnsdorf befanden. Ihre nordböhmische Wahlheimat, ihre dortigen Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, die sie dem Wohlwollen einer slawophilen Politik verdankten und die sie als einen Segen empfanden, schienen in Gefahr zu sein.
Hintergrund war der damals schwelende Konflikt zwischen den Befürwortern und den Gegnern einer sorbischen Autonomie. Was war geschehen? Mit der zunehmenden Konsolidierung der sowjetischen Besatzungsmacht im östlichen Teil Deutschlands bröckelten die Vergünstigungen, die der sorbischen Bevölkerung unmittelbar nach Kriegsende 1945 gewährt worden waren. Die sorbischen Verbände gerieten unter Druck, ihre Angelegenheiten der sowjetischen Besatzungspolitik unterzuordnen. In der Konsequenz bedeutete dies vor allem, den politischen Kampf um die Autonomie des sorbischen Siedlungsgebietes, den die Funktionäre der sorbischen und prosorbischen tschechischen Vereine in Bautzen und Prag 1945 noch gemeinsam geführt hatten, aufzugeben und stattdessen auf die Perspektive des Minderheitenschutzes in der künftigen DDR zu vertrauen. Doch während vor allem die Domowina, die Vertretung der Sorben in der Lausitz, auf die Forderung nach Autonomie verzichtete, beharrten andere darauf, die Frage der sorbischen Autonomie auf die bevorstehende Friedenskonferenz zu bringen. Die einstige sorbisch-tschechische Koalition, die sich im Mai 1945 in Prag und Bautzen gebildet hatte, um die nationale Emanzipation der Sorben voranzutreiben, zerbrach.
In diesem Konflikt drohten gerade die sorbischen Jugendlichen in Varnsdorf zwischen die Fronten zu geraten. Ihre Ausbildung in der
Die Tschechoslowakei war ein zwischen 1918 und 1992 in wechselnden Grenzen und unter wechselnden Namen und politischen Systemen bestehender Staat, dessen ehemalige Landesteile in den heutigen Staaten Tschechien, Slowakei und der Ukraine (Karpatenukraine, bereits 1939 ungarisch besetzt, ab 1945 an die Sowjetunion) aufgegangen sind. Nach 1945 stand die Tschechoslowakei unter politischem Einfluss der Sowjetunion, war als Satellitenstaat Teil des sog. Ostblocks und ab 1955 Mitglied des Warschauer Paktes. Zwischen 1960 und 1990 trug das kommunistische Land offiziell den Namen Tschechoslowakische Sozialistische Republik (abgekürzt ČSSR). Die demokratische politische Wende wurde 1989 mit der Samtenen Revolution eingeleitet und mündete 1992 in der Gründung der unabhängigen Tschechischen bzw. Slowakischen Republiken.
wurde von den Befürwortern der sorbischen Autonomie finanziert. Die Erlaubnis zum Schulbesuch in der Tschechoslowakei lag in den Händen der Domowina. Alle Seiten warben um die Loyalität der sorbischen Jugend. Hinzu kam, dass sich mit der Kommunistischen Partei (KPČ) auch in der Tschechoslowakei eine sowjettreue Fraktion den Weg zur absoluten Macht bahnte. Ihr waren die tschechischen Vereine, die die Sorben als den „kleinsten slawischen Bruder“ in ihrer nationalen Emanzipation förderten, ein Dorn im Auge. Sie diffamierte die traditionellen bürgerlichen Vereine als „reaktionär“, während sie sich selbst als eine „fortschrittliche“ Kraft inszenierte. Die sich zuspitzenden Machtkämpfe erzeugten einen enormen Druck, den auch die jungen Sorbinnen und Sorben in Varnsdorf spürten. In dieser politisch zugespitzten Situation wählten die jugendlichen Redakteur:innen den Sprung nach vorn und stimmten mit ihrer Zeitschrift in das Kampflied der Kommunisten ein.
Resonanz
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Mit einer Auflage von rund 200 Exemplaren erreichte die Zeitschrift eine breitere Leserschaft. Der politische, d.h. prokommunistische Inhalt der Zeitschrift war sicherlich provokativ, die Reaktionen reichten von Lob für die Redaktion bis zu Sabotageversuchen, über die die Redaktion berichtete. Aber das war offensichtlich kein Grund, die Zeitschrift zu ignorieren. Ihr Reiz und ihre Anziehungskraft lagen woanders. Die sorbischsprachige Leserschaft schätzte die Zeitschrift doppelt: wegen der sorbischen Sprache und weil die jungen Redakteur:innen mit jeder Ausgabe die Hoffnung vermittelten, dass es die sorbische Sprache auch in der Zukunft geben wird. Zum Verständnis ist es wichtig zu wissen, dass sorbischsprachige Medien und der Gebrauch der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben im Nationalsozialismus verboten waren. Naš puć war eines der ersten sorbischen Medien nach der mehr als sechsjährigen Zwangspause.
Mit dem sich abzeichnenden Ende des sorbischen Schulwesens in Varnsdorf wurde die Zeitschrift eingestellt. Die letzte Ausgabe erschien im April 1949. Noch Jahre später erinnerten sich die Beteiligten an das Abenteuer Naš puć. 1965 gaben sie – diesmal in Bautzen in der Oberlausitz – eine Erinnerungsausgabe heraus. Wie wirkungsvoll die hektographierte Jugendzeitschrift war, zeigt das Interesse, das die Staatssicherheit der DDR noch Jahre später für die Umstände und Hintergründe der Zeitschrift bekundete. Heute ist die Zeitschrift eine wichtige historische Quelle. Sie gibt Einblick in die Lebenswelt von Jugendlichen in der Nachkriegszeit und in die Möglichkeiten und Grenzen ihres Handelns.
Kašpor, Gerhard: Naš puć, wěstnik serbskeje młodźiny w ČSR. In: Nowa doba, 22. S. 285.
Kašpor, Měrćin: Wěstnikej na puć. In: Naš puć, 1.11.1947. S. 1.
Krawc, Mikławš: In: Serbske Nowiny, 32, 213. S. 2.
Menzel, Thomas/Piňosová, Jana/Šołćina, Jana: Das sorbische Schulwesen in der Tschechoslowakei 1945–1950 als Beitrag zu Spracherhalt und Standardisierung des Sorbischen. In: Grković-Major, Jasmina/Korina, Natalia B./Newerkla, Stefan Michael/Poljakov, Fëdor/Tolstaja, Swetlana M. (Hrsg.): Diachronie - Ethnos - Tradition. Studien zur slawischen Sprachgeschichte. Festgabe für Anna Kretschmer. Brno. S. 129-141.
Naš Puć. Wěstnik serbskeje młodźiny we Warnoćicach. Varnsdorf. 01.11.1947-01.04.1949.
Naš puć. Wosebite wudaće. Bautzen.
Piňosová, Jana: „Njezabudźemy! Wir vergessen nicht!". Das tschechisch-sorbische Schulbildungsprojekt 1945-1950. Lausitz – Łužica – Łužyca. Aspekte der Beziehungs- und Verflechtungsgeschichte einer ost-mittel-europäischen Brückenlandschaft. 2018. Internetadresse: http://lausitz.hypotheses.org/325 (letzter Zugriff: 11-11-2024)
Šołta, Beno: Zjawny list serbskemu studenstwu. In: Naš puć, 20.5.1948. S. 7.
Jana Piňosová (2024-12-11): „Naš puć“ (Unser Weg). Eine Jugendzeitschrift und ihre sorbischen Redakteur:innen im tschechischen Grenzgebiet 1947-1949. In: Copernico. Geschichte und kulturelles Erbe im östlichen Europa. URL: https://www.copernico.eu/de/link/6731c97f0fbb11.94898399 (18-01-2025)
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