Was verbindet den kanadischen Liedermacher Leonard Cohen mit dem amerikanischen Regisseur Woody Allen und dem französischen Chansonnier Charles Aznavour?
Einführung
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Die Geschichte Europas ist eine Geschichte der Migrationen.1  Nicht selten lagen freiwilligen oder erzwungenen Wanderungsprozessen religiöse oder konfessionelle Motive zugrunde. Die moderne Forschung unterscheidet bei der Frage nach den Beweggründen für Migrationen zwischen Push- und Pull-Faktoren: Push-Faktoren erklären ein Weichen vor äußerem Druck, während unter Pull-Faktoren freiwillige Entscheidungen zusammengefasst werden. In religiöser Beziehung kann etwa die Verfolgung der von einem Individuum oder einer Gruppe ausgeübten Glaubensrichtung ein Push-Faktor sein. Die Suche nach einem „gelobten Land“, die Verkündung der eigenen Glaubenssätze bei missionierenden Religionen oder die Aussicht, mit anderen Angehörigen der eigenen religiösen Überzeugung eine neue Gemeinschaft zu bilden, wären hingegen in diesem Zusammenhang Beispiele für Pull-Faktoren. In der historischen Realität standen religiöse Kräfte als Auslöser für Migrationen selten für sich allein, sondern überlappten sich mit sozioökonomischen, demographischen, politischen oder ökologischen Faktoren.
 
Migrationen aus religiösen Motiven berühren stets die Sphäre des Rechts; sie stehen im Kontext von Duldung, Anerkennung, Begünstigung und Förderung oder Ausgrenzung und Verfolgung bestimmter Religionen. Sie haben aber auch in sozialer und kultureller Hinsicht Auswirkungen auf die migrierenden Personen und auf die postmigrantische Aufnahmegesellschaft, indem sie interkulturelle Prozesse auslösen, die kollektive Identität beeinflussen und entweder Toleranzbereitschaft oder Abschottung fördern. Alle diese Prozesse unterliegen im geschichtlichen Verlauf Wandlungen. 
 
Religiöse Migrationen haben nicht selten einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis der jeweiligen Gruppe gefunden. Der Exodus der antiken Juden aus der Sklaverei des ägyptischen Pharaos unter Moses‘ Führung zählt etwa zu den zentralen Ursprungserzählungen des Tanach Tanach Der Tanach wird auch als „Hebräische Bibel“ bezeichnet. Er umfasst die Bücher der Tora, Nevi‘im und Ketuvim. Seine Inhalte entsprechen dem Alten Testament der christlichen Bibel. und bildet so eine Grundlage jüdischer Identität.2  Auch viele christliche Konfessionen, etwa die Angehörigen der armenisch-apostolischen Kirche oder die Mennoniten, beziehen aus ihrer historischen Verfolgung und Diaspora-Situation ihr Gruppenbewusstsein.
Beispiele aus der Geschichte des östlichen Europa
1. Polen als Aufnahmeland verfolgter Juden
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Die Geschichte des östlichen Europa bietet über die Jahrhunderte hinweg eine Vielzahl von Beispielen für religiös motivierte Migrationen. Eines der bekanntesten ist die von den piastischen Landesherren begünstigte Ansiedlung von Juden im mittelalterlichen Polen. Bereits im 10./11. Jahrhundert ließen sich Juden in den Zentren des aufstrebenden polnischen Staates nieder. Als aus den Territorien des Heiligen Römischen Reiches Juden ausgewiesen wurden, gewährte ihnen Herzog Bolesław Pobożny („der Fromme“) 1264 im Kalischer Generalprivileg Glaubens-, Handels- und Bewegungsfreiheit innerhalb seines Herrschaftsbereichs.3 Der polnische König Kazimierz III. Wielki („der Große“) erweiterte 1334 mit dem Statut von Wiślica Statut von Wiślica Das Statut von Wiślica gilt als erste Verfassung Kleinpolens. Als Kazimierz III. Wielki es anlässlich seiner Inthronisierung 1334 erließ, schuf er damit einen juristischen Rahmen, der neben den Rechten des Bauernstandes auch die der jüdischen Bevölkerung in sozialer, wirtschaftlicher und gerichtlicher Hinsicht stärkte: So wurden zum Beispiel die Schändung jüdischer Friedhöfe sowie die Vorwürfe von Ritualmord und Geldfälschung explizit verboten, den Juden durften keine höheren Zölle auferlegt werden als der restlichen Bevölkerung, und ihnen wurden das Recht auf eigene Gerichte eingeräumt. die Privilegien der der jüdischen Bevölkerung in Polen. Während in anderen europäischen Ländern allenthalben Menschen jüdischen Glaubens verfolgt und ausgewiesen wurden, entwickelte sich „Polin“, wie das Land im Jiddischen genannt wurde, zu einem Rückzugsgebiet mit vergleichsweise großen Freiheiten.4  Polen wurde in der Frühen Neuzeit zu einem Zentrum des Talmudstudiums in Europa; die ersten Druckereien hebräischer Texte entstanden im 16. Jahrhundert in 
Kraków
deu. Krakau

Krakau ist die zweitgrößte Stadt Polens und liegt in der Woiwodschaft Kleinpolen im Süden des Landes. In der Stadt an der Weichsel wohnen ungefähr 775.000 Menschen. Die Stadt ist bekannt für den Hauptmarkt mit den Tuchhallen und der Wawel-Burg in der Altstadt Krakaus, welche seit 1978 zum UNESO-Welterbe gehört. In Krakau liegt die älteste Universität Polens, die Jagiellonen-Universität.

 und 
Lublin
deu. Lublin

Lublin ist eine Großstadt im östlichen Polen. Sie ist Hauptstadt der gleichnamigen Woiwodschaft und wird von knapp 340.000 Einwohner:innen bewohnt. In Lublin liegt die renommierte Katholische Universität Lublin Johannes Paul II.

. Im gesamten Land wurden prachtvolle Synagogen errichtet. Auf dem Lande lebten allerdings viele Juden in großer Armut. In den nachfolgenden Jahrhunderten wechselten sich in Polen Phasen der kulturellen Blüte und der Toleranz mit Zeiten der Ausgrenzung ab. Ein großer Teil der polnischen Juden wurde während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg ermordet; viele Überlebende wanderten nach Kriegsende in die USA, nach Westeuropa bzw. nach Israel aus.
2. Von Friesland über Preußen und Russland in die Welt – die Mennoniten
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Eine globale Migration aus religiösen Gründen – das ist unter anderem die Geschichte der Mennoniten, einer christlichen Konfession, die nach dem niederländischen Theologen Menno Simons (1496–1561) benannt wurde.5 Er trat für die Erwachsenentaufe und für bedingungslosen Pazifismus ein. Die Mennoniten hatten ihre Ursprungsregionen in den Niederlanden und in der Schweiz. Insbesondere ihre Haltung als Friedenskirche und die daraus resultierende Ablehnung des Kriegsdienstes brachten sie immer wieder in Konflikt mit staatlichen Institutionen. Aus den Niederlanden wanderten sie über Ostfriesland nach 
Gdańsk
deu. Danzig

Danzig ist eine Großstadt an der Ostsee in der polnischen Woiwodschaft Pommern (Pomorskie) mit ca. 470.000 Einwohner:innen. Sie liegt am Fluss Motława (dt. Mottlau) an der Danziger Bucht.

Historische Orte
Danzig
 
 und in das 
Königlich Preußen
deu. Polnisch Preußen, deu. Preußen Königlichen Anteils, pol. Prusy Polskie, pol. Prusy Królewskie, eng. Royal Prussia

Königlich Preußen ist die Bezeichnung für jene Teile der historischen Region Preußen, die im 15. Jahrhundert vom geistlichen Deutschordensstaat an das Königreich Polen fielen. Dazu gehörten u. a. große Teile Pommerellens einschließlich Danzigs, das Ermland oder auch das Kulmer Land. Die unter Herrschaft des Deutschen Ordens verbliebenen Teile Preußens bildeten im 16. Jahrhundert das weltliche Herzogtum Preußen, das 1618 an Brandenburg fiel. Erst im Rahmen der ersten Teilung Polen-Litauens 1772 kam auch Königlich Preußen unter brandenburgisch-preußische Herrschaft.

. Dort beteiligten sie sich maßgeblich an der landwirtschaftlichen Erschließung und Besiedelung des unteren Weichseltals und -deltas. In zahlreichen Dörfern sind bis heute die von ihnen errichteten Vorlaubenhäuser in Fachwerkbauweise zu sehen. Als dieses Gebiet Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge der Teilungen 
Polen
eng. Poland, pol. Polska

Polen ist ein Staat in Mittelosteuropa, ein Mitglied der Europäischen Union. Unter dem heutigen Namen ist das Land seit dem 10. Jahrhundert bekannt.

 an Preußen fiel und die Mennoniten zum Militärdienst herangezogen werden sollten, flohen viele von ihnen und fanden Aufnahme im 
Russländisches Kaiserreich
rus. Росси́йская импе́рия, rus. Rossijskaja imperija, eng. Russian Empire, deu. Russisches Kaiserreich, deu. Russländisches Reich

Das Russische Kaiserreich (auch Russländisches Kaiserreich, Russisches Reich oder Kaiserreich Russland) war ein von 1721 bis 1917 existierender Staat in Osteuropa, Zentralasien und Nordamerika. Das Land war Mitte des 19. Jahrhunderts das größte zusammenhängende Reich der Neuzeit. Es wurde nach der Februarrevolution im Jahr 1917 aufgelöst. Der Staat galt als autokratisch regiert und wurde von ungefähr 181 Millionen Einwohner:innen bewohnt.

. Als jedoch unter Zar Alexander II. im späten 19. Jahrhundert auch dort die Befreiung vom Militärdienst aufgehoben wurde, endete die privilegierte Phase in Russland, und zahlreiche Mennoniten suchten nun in Übersee ihr Glück. In den USA trafen sie auf mennonitische Auswanderer, die bereits im 18. Jahrhundert nach Pennsylvania emigriert waren und unter anderem die Stadt Germantown gegründet hatten. Doch auch die südamerikanischen Staaten wurden zu wichtigen Aufnahmeländern. Bis zum heutigen Tage prägen ein intensives religiöses Gemeinschaftsbewusstsein und das kulturelle Wissen einer jahrhundertelangen Verfolgungs- und Wanderungsgeschichte die Gruppenidentität der Mennoniten.
3. Die Ausweisung protestantischer Gruppen aus der Habsburgermonarchie
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Im Zuge der römisch-katholischen Gegenreformation wurden die Habsburger zu einer der Stützen des Papsttums bei der Rekatholisierung Zentraleuropas. Dies erfuhren bereits im 17. Jahrhundert die Angehörigen der Böhmischen Brüderunität, die sich auf die hussitische Reformation zurückführen ließ und zunächst in den Böhmischen Ländern toleriert worden war. 1628 wurde ihr Bischof, der bekannte Pädagoge und Theologe Jan Amos Komenský (Comenius) des Landes verwiesen und begann ein lebenslanges Exil, das ihn über Polen, Schweden, Preußen und
Oberungarn
slk. Horné Uhorsko, hun. Felső-Magyarország, eng. Upper Hungary

'Oberungarn' (slowakisch Horné Uhorsko, ungarisch hist. Felsőmagyarország, aktuell Felvidék) war der Name eines 1541 entstandenen Verwaltungsbezirks und umfasste den nordöstlichen Teil des habsburgisch gebliebenen Ungarn. Auch nach seiner Auflösung im 17. Jahrhundert erhielt sich der Name, der bis heute in Ungarn zur Benennung des geografischen Territoriums der heutigen Slowakei verwendet wird, was in der Slowakei selbst kritisch gesehen wird.

schließlich in die Niederlande führte.6  – Einige Böhmische Brüder überlebten die Zeit der Verfolgung als Kryptoprotestanten, andere flohen ins Ausland. In Nowawes und in Böhmisch-Rixdorf bei Berlin gewährten die preußischen Könige einigen von ihnen Zuflucht,7  während der sächsische Adelige Nikolaus von Zinzendorf in Herrnhut aus böhmischen Exulanten Exulanten Bezeichnung für Menschen, die vom 16. bis 18. Jahrhundert als (vor allem protestantische) Glaubensflüchtlinge ihre Heimat verlassen mussten. Abgeleitet von lateinisch „exsul“ = Verbannter. eine neue Gemeinschaft errichtete – die Herrnhuter, die eine weltumspannende Missionstätigkeit entfalteten.8
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Bekannt ist auch der Zug der etwa 20.000 Salzburger Exulanten – Lutheranern aus den Bergtälern des Fürsterzbistums Salzburg –, die 1731 ausgewiesen wurden und größtenteils in Preußen angesiedelt werden konnten.9   Dieser Vertreibungsvorgang löste eine massive publizistische Kampagne in den protestantischen Staaten Europas aus. In 
Ostpreußen
eng. East Prussia, pol. Prusy Wschodnie, lit. Rytų Prūsija, rus. Восто́чная Пру́ссия, rus. Vostóchnaia Prússiia

Ostpreußen ist der Name der ehemaligen, bis 1945 bestehenden östlichsten preußischen Provinz, deren Ausdehnung (ungeachtet historisch leicht wechselnder Grenzverläufe) ungefähr der historischen Landschaft Preußen entspricht. Die Bezeichnung kam erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch, als neben dem 1701 zum Königreich erhobenen Herzogtum Preußen mit seiner Hauptstadt Königsberg weitere, zuvor polnische Gebiete im Westen (beispielsweise das sog. Preußen Königlichen Anteils mit dem Ermland und Pommerellen) zu Brandenburg-Preußen kamen und die neue Provinz Westpreußen bildeten.
Heutzutage gehört das Gebiet der ehemaligen preußischen Provinz überwiegend zu Russland (Oblast Kaliningrad) und Polen (Woiwodschaft Ermland-Masuren). Das ehemalige sog. Memelland (auch Memelgebiet, lit. Klaipėdos kraštas) kam erstmals 1920 und erneut ab 1945 zu Litauen.

 bevölkerten die Neuankömmlinge Gebiete, in denen kurz zuvor eine Pestepidemie zu einem starken Rückgang der Einwohnerzahlen geführt hatte.
Nur drei Jahre später (1734) begann Kaiser Karl VI., aus dem Salzkammergut und aus Kärnten Lutheraner auszuweisen, die als „Landler“ in den siebenbürgischen Gemeinden
Turnișor
deu. Neppendorf, hun. Kistorony

Das Dorf Neppendorf (rumänisch Turnișor) wurde im Mittelalter durch siebenbürgisch-sächsische Einwander:innen gegründet; später siedelten sich hier auch protestantische Glaubensflüchtlinge aus dem Salzkammergut und Kärnten an. Heute gehört Neppendorf zu Hermannstadt/Sibiu und liegt im Stadtgebiet auf halber Strecke zwischen Altstadt und internationalem Flughafen.

(rum. Turnisor, ung. Kistorony),
Cristian
deu. Großau, deu. Grossau

Großau (rumänisch Cristian) ist ein Ort mit rund 3.600 Einwohnern in Siebenbürgen, wenige Kilometer westlich des internationalen Flughafens Hermannstadt/Sibiu. Er ist bekannt für seine Kirchenburg und gehört zu den Orten in der Region, in denen sich neben den seit dem Mittelalter hier ansässigen Siebenbürger Sachsen auch protestantische Glaubensflüchtlinge aus dem Salzkammergut und Kärnten ansiedelten, die später auch als "Landler" bezeichnet wurden.

(rum. Cristian, ung. Kereszténysziget) und 
Apoldu de Sus
deu. Großpold, hun. Nagyapold, ron. Apoldu Mare, ron. Polda Mare

Großpold (rumänisch Apoldu de Sus) ist ein Dorf in Siebenbürgen. Es hat rund 1.450 Einwohner und liegt wenige Kilometer nordwestlich von Hermannstadt/Sibiu. Großpold gehört zu den Orten in der Region, in denen sich neben den seit dem Mittelalter hier ansässigen Siebenbürger Sachsen auch protestantische Glaubensflüchtlinge aus dem Salzkammergut und Kärnten ansiedelten, die später auch als "Landler" bezeichnet wurden.

 (rum. Apoldu de Sus, ung. Nagyapold) eine neue Heimat fanden – übrigens von den bereits seit Jahrhunderten in der Nachbarschaft ansässigen, ebenfalls evangelisch-lutherischen Siebenbürger Sachsen lange nicht vollkommen akzeptiert.10  Die österreichischen Behörden beschönigten den Umsiedlungsvorgang aus den Habsburger Kernlanden nach 
Siebenbürgen
eng. Transylvania, deu. Transsylvanien, deu. Transsilvanien, ron. Transilvania, ron. Ardeal

Siebenbürgen ist eine historische Landschaft im heutigen Rumänien. Sie liegt im Zentrum des Landes und wird von ca. 6,8 Millionen Menschen bewohnt. Die größte Stadt Siebenbürgens ist Cluj-Napoca. In Siebenbürgen lebten einst deutschsprachige Minderheiten.

 mit dem Begriff Transmigration Transmigration Beschönigender Verwaltungsbegriff der österreichischen Hofkanzlei des 18. Jahrhunderts, zur Bezeichnung von Deportationen von Bevölkerungsgruppen aus religiös-konfessionellen, aber auch aus ethnischen oder sozialen Gründen.
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Ebenfalls aufgrund ihrer evangelischen Glaubensüberzeugung wies Kaiser Ferdinand I. 1837 “Kryptoprotestanten“ “Kryptoprotestanten“ Als Kryptoprotestant:innen bezeichnet man Menschen, die nach außen zwar die Mehrheitsreligion (i.d.R. den Katholizismus) praktizieren, von der inneren Überzeugung her und im Privaten aber dem Protestantismus folgen. aus dem ehemals salzburgischen Anteil des Zillertals aus, der seit der Säkularisierung zu Tirol gehörte. Die evangelisch-lutherischen Bergbauern mussten sich daraufhin auf die Suche nach einer neuen Wohnstätte machen. Die meisten der betroffenen Familien wurden auf Initiative der Gräfin Friederike von Reden und mit Genehmigung durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III. im 
Hirschberger Tal
pol. Kotlina Jeleniogórska, eng. Jelenia Góra Valley

Das Hirschberger Tal, eine schlesische Landschaft reich an Schlössern und Baudenkmälern, wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch das "Schlesische Elysium" genannt und war bis zum zweiten Weltkrieg ein touristischer Hotspot. Viele seiner Orte gingen auf die Besiedelung mit Deutschen im 13. Jahrhundert zurück. Bereits 1305 waren 24 Dörfer im Hirschberger Tal urkundlich bezeugt, Hirschberg selbst folgte 1355.

 (pl. Kotlina Jeleniogórska), auf der niederschlesischen Seite des Riesengebirges, angesiedelt.11  In Erinnerung an ihre Herkunft nannten sie ihren wichtigsten Ort 
Mysłakowice
deu. Zillerthal-Erdmannsdorf

Mysłakowice (hist. dt. Zillerthal-Erdmannsdorf) ist eine Gemeinde im Südwesten Polens. Erdmannsdorf wurde 1305 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Im 19. Jahrhundert war das dortige Schloss Erdmannsdorf Sommerresidenz des preußischen Königs. 1837 überließ Friedrich Wilhelm III. einen Großteil seines Grundbesitzes in Erdmannsdorf protenstantischen Glaubensflüchtlingen aus dem Tiroler Zillertal, die dort ihre Siedlung "Zillerthal" nach Tiroler Vorbild gründeten. 1937 wurden Erdmannsdorf und Zillerthal zur Gemeinde Zillerthal-Erdmannsdorf zusammengefasst.

 (pl. Mysłakowice). Dort sind als materielle Spuren bis heute mehrere Häuser in typisch alpiner Bauweise erhalten. Die Nachfahren der so genannten Zillertaler Inklinanten wurden ab 1945 wie die meisten deutschen Schlesier nach dem Übergang Schlesiens an Polen aus ihrer neuen Heimat vertrieben.
4. Die Diaspora der russischen Altgläubigen
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Im 17. Jahrhundert entbrannte innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche ein heftiger innerkirchlicher Konflikt, als Patriarch Nikon (1605–1681) eine Reihe von Reformen durchsetzen wollte. Die Streitpunkte betrafen letztlich theologische Details – zum Beispiel die Formulierung des Glaubensbekenntnisses, das Schlagen des Kreuzzeichens mit drei statt mit zwei gespreizten Fingern, die Anzahl der Abendmahlsbrote, die Schreibweise des Namens Jesu („Іисусъ“ anstelle von „Ісусъ“). Die sogenannten Altgläubigen, die Teile der russischen Eliten unterstützten, hielten an den überkommenen Prinzipien fest und widersetzten sich den Reformen. Es kam zu gewaltsamen Verfolgungen von Altgläubigen durch die Reformer. Zar Peter der Große intensivierte in seinem Bestreben, das Russische Reich zu modernisieren, die Reformen und befahl, den altgläubigen Bojaren ihre traditionellen Bärte stutzen zu lassen. Viele Altgläubige flohen in unwegsame Gegenden Russlands. Eine Gruppe ließ sich in der damals osmanischen 
Dobrudscha
ron. Dobrogea, bul. Добруджа, deu. Trans-Danubien, eng. Dobruja, eng. Dobrudja, bul. Dobrudža

Die Dobrudscha (rum. Dobrogea, bulg. Добруджа) ist eine historische Landschaft im Grenzgebiet zwischen dem südöstlichen Rumänien und dem nordöstlichen Bulgarien. Die Dobrudscha liegt an der Donau und dem Schwarzen Meer.

 nieder.12  Dort gründeten sie, von den moslemischen Behörden toleriert, altgläubige Klöster und Kirchen. Im 
Donau
eng. Danube, slk. Dunaj, hun. Duna, hrv. Dunav, bul. Дунав, ron. Dunărea, srp. Дунав, ukr. Дунай

Die Donau beginnt am Zusammenfluss von Breg und Brigach, deren Quellen beide im mittleren Schwarzwald liegen . Sie ist 2857 km lang und fließt heute durch die Länder Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Republik Moldau und Ukraine. Vor ihrer Mündung ins Schwarze Meer fächert sie sich zum Donaudelta auf, das heute ein ökologisches Schutzgebiet ist.

 leben viele der „Lipowaner“ als Fischer und Kleinlandwirte. Mit 
Vylkove
ron. Vâlcov, rus. Вилково, ukr. Вилкове

Vylkove liegt im Donaudelta auf der ukrainischen Seite der Grenze zu Rumänien. Historisch geht Vylkove auf eine Gründung durch die altgläubigen Lipowaner Ende des 18. Jahrhunderts zurück.

Aufgrund des Krieges in der Ukraine ist es möglich, dass diese Informationen nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen.

 (ukr. Вилкове) in der heutigen Südukraine errichteten sie eine kleine Stadt, deren wichtigste Verkehrswege wie in Venedig aus Kanälen bestehen. Ein bedeutender Wallfahrtsort in der heute rumänischen Dobrudscha ist das Kloster von Slava Cercheză, ein anderes wichtiges Zentrum bildet das große Dorf 
Sarichioi
rus. Сарикёй

Sarichioi liegt in der Dobrudscha in Rumänien und gehört zum Kreis Tulcea. In den Jahren 1654-1796 siedelten sich dort lipovanische Glaubensflüchtlinge an.

. Bis heute erkennt man viele männliche Lipowaner an ihren langen Bärten und ihrer traditionellen Gewandung. Sie haben eine altertümliche Variante der russischen Sprache konserviert und halten an ihren religiösen Gewohnheiten fest. Wie andere Minderheiten in 
Rumänien
ron. România, eng. Romania

Rumänien ist ein von knapp 20 Millionen Menschen bewohntes Land in Südosteuropa. Die Hauptstadt des Landes ist Bukarest. Der Staat liegt direkt am Schwarzen Meer, den Karpaten und grenzt an Bulgarien, Serbien, Ungarn, die Ukraine und Moldau. Rumänien entstand 1859 aus dem Zusammenschluss der Moldau und der Walachei. In Rumänien liegt das für die dortige deutsche Minderheit zentrale Gebiet Siebenbürgen.

 auch, verfügen sie über eine politische Interessensvertretung, die „Comunitatea Rușilor Lipoveni din România”. Eine Gruppe der Altgläubigen zog im 19. Jahrhundert nach Nordamerika weiter, wo etwa im US-Bundesstaat Oregon eine bedeutende Gemeinschaft lebt.
5. Armenier
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Mit der Christianisierung der Armenier und der Gründung der Armenisch-Apostolischen Kirche im Jahre 301 entstand die älteste christliche Staatskirche und gleichzeitig die älteste orientalisch-christliche Kirche. Die starke Zerstreuung der Armenier im Orient, auf der
Krim
lat. Tauris, rus. Крым, rus. Krym, ukr. Крим, ukr. Krym, eng. Crimea

Die Krim ist eine Halbinsel, die das Schwarze Meer vom Asowschen Meer trennt. Sie wird von knapp 2,3 Millionen Menschen bewohnt. Hauptstadt ist Sevastopol. Die Insel wird zum Großteil von russischsprachigen Bevölkerungsgruppen bewohnt. Seit 2014 ist ihr Status völkerrechtlich umstritten.

und im östlichen Balkanraum führte im Mittelalter zu einer armenischen Diaspora, die sich im 14. Jahrhundert auch auf die Donaufürstentümer
Moldau
eng. Western Moldavia, ron. Moldova

Der Begriff Moldau (rum. Moldova) bezieht sich hier auf die historische Landschaft im heutigen Rumänien, die auf mehrere historische Staaten und Provinzen wie das ehemalige Fürstentum Moldau zurückgeht. Östlich grenzt Moldau an Bessarabien, nördlich an die Bukowina.

und
Walachei
ron. Țara Românească, eng. Wallachia

Die Walachei ist eine historische Landschaft im Süden Rumäniens, die im Norden an den Gebirgszug der Südkarpaten und die historische Landschaft Siebenbürgen, im Süden an die Donau und politisch an Bulgarien grenzt. Größte Stadt der Walachei ist die rumänische Hauptstadt Bukarest.

sowie auf Polen ausbreitete.13 Die armenische Kathedrale von
Lwiw
deu. Lemberg, pol. Lwów, eng. Lviv, rus. Lwow, rus. Львов, yid. Lemberg, yid. לעמבערג, ukr. Львів, ukr. L'viv

Lwiw (deutsch Lemberg, ukrainisch Львів, polnisch Lwów) ist eine Stadt in der Westukraine in der gleichnamigen Oblast. Mit knapp 730.000 Einwohner:innen (2015) ist Lwiw eine der größten Städte der Ukraine. Die Stadt gehörte lange zu Polen und Österreich-Ungarn.

Aufgrund des Krieges in der Ukraine ist es möglich, dass diese Informationen nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen.

(ukr. Львів, pl. Lwów) aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ist ein beredtes architektonisches Zeugnis dieser frühen Präsenz. Aus der Frühen Neuzeit stammen hingegen die mit reicher Ornamentik verzierten Häuser armenischer Kaufhäuser in der Planstadt 
Zamość

Zamość ist eine von 63.000 Menschen bewohnte Stadt im Südosten Polens. Sie befindet sich in der Woiwodschaft Lublin unweit der Grenze zur Ukraine. Zamość liegt in der Landschaft Roztocze.

 deren adeliger Stadtherr ihnen Toleranz gewährte. Im 17. Jahrhundert gelangten armenische Flüchtlinge aus der Moldau nach Siebenbürgen und fanden in 
Dumbrăveni
deu. Elisabethstadt, lat. Elisabethopolis, hun. Ebesfalva, hun. Erzsébetváros, ron. Ibașfalău

Elisabethstadt ist eine von 7.400 Menschen bewohnte Kleinstadt in der historischen Region Siebenbürgen. Sie wurde bereits im Mittelalter von Siebenbürger Sachsen gegründet.

 (rum. Dumbrăveni, ung. Erzsébetváros) ein Refugium, dessen barocke Kirche noch heute von ihrer Präsenz zeugt. Bereits im Spätmittelalter hatten Priester der armenischen Kirche gute Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche gepflegt; in der Frühen Neuzeit entstanden etwa in Polen und in Siebenbürgen armenisch-katholische (unierte) Kirchengemeinschaften, die in der Praxis zu einer starken sprachlichen Akkulturation der Mitglieder führten. Der Genozid an den Armeniern auf dem Gebiet des 
Osmanisches Reich
eng. Ottoman Empire, tur. Osmanlı İmparatorluğu, deu. Ottomanisches Reich

Das Osmanische Reich war der Staat der osmanischen Dynastie von ca. 1299 bis 1922. Der Name leitet sich vom Gründer der Dynastie, Osman I., ab. Der Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs ist die Republik Türkei.

 (1915) bewirkte einen weiteren Exodus, so dass heute bedeutende armenische Gemeinschaften in Frankreich, in den USA, Kanada und vielen Staaten Südamerikas anzutreffen sind. Viele der Emigranten haben ihre religiösen Praktiken auch fern ihrer ursprünglichen Heimat weiter gepflegt.
6. Die kirchliche Integration deutscher Vertriebener und Flüchtlinge nach 1945
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Die Aufnahme deutscher Flüchtlinge, Vertriebener und Aussiedler aus dem östlichen Europa in West- und Ostdeutschland führte ab 1945 zu einer Auflockerung von bis dahin noch relativ stark voneinander abgegrenzten Konfessionsgrenzen in vielen deutschen Gegenden.14  So verstärkte etwa die Ankunft katholischer Schlesier in Niedersachsen die katholische Diaspora im Oldenburger Land und in Ostfriesland, während evangelische Ostpreußen und Siebenbürger Sachsen die mehrheitlich katholischen Gebiete Bayerns oder protestantische Zipser das katholische Baden in konfessioneller Hinsicht auflockerten. Während die kirchliche Integration – auch in gleichkonfessionellen Regionen – in der Anfangszeit alles andere als einfach war, erwies sich die neue Nachbarschaft von Katholiken und Protestanten langfristig als wichtiger Impuls hin zu einem stärker ökumenischen Miteinander der Christen in Deutschland. Dabei blieben durchaus eigenständige Traditionen über einen längeren Zeitraum erhalten: In Gemeinden mit einem hohen Anteil an katholischen Niederschlesiern war etwa lange ein Weihnachtsgottesdienst ohne das Transeamus Transeamus Das "Transeamus" ist ein schlesisches Weihnachtslied. undenkbar. Wallfahrtstraditionen an Orten, die im Kalten Krieg als unerreichbar galten, wurden an Orten in den Aufnahmegebieten fortgesetzt. Auch im evangelischen Bereich haben Brauchhandlungen und spezifische Musiktraditionen auf die Evangelische Kirche in Deutschland eingewirkt und sind dadurch zu einem Gemeingut geworden.
Ausklang
Text
Die hier genannten Beispiele stehen stellvertretend für zahlreiche weitere religiöse Gemeinschaften, die in der europäischen Geschichte migriert sind. Dieses Phänomen beschränkte sich nicht nur auf christliche Kirchen und Gemeinschaften. Als im 18./19. Jahrhundert das Russländische Reich expandierte und islamische Bevölkerungsgruppen wie etwa Tataren oder Tscherkessen vertrieben wurden, wanderten manche von ihnen in die damals noch zum Osmanischen Reich gehörenden Provinzen der östlichen Balkanhalbinsel. Insbesondere die Tataren lebten dort zumeist in friedlicher Nachbarschaft mit ihren christlichen Mitbewohnern.
 
Auch aktuell sind Menschen aus religiösen Gründen auf der Flucht vor Verfolgung und Krieg, etwa christliche und irakische Syrer oder schiitische Moslems aus mehrheitlich sunnitischen Gebieten des Orients. Während in vielen Ländern Europas die Bedeutung von Religion rückläufig ist, stellt in anderen Teilen der Erde die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Gruppe noch immer ein Kriterium für deren Ausgrenzung dar.
 
Kehren wir noch einmal zur Eingangsfrage zurück: Der kanadische Liedermacher Leonhard Cohen entstammte einer jüdischen Familie, deren Vorfahren aus Litauen, damals einem Bestandteil des Russländischen Reiches, nach Nordamerika ausgewandert waren. Auch die Ahnen des New Yorker Regisseurs Woody Allen waren aus unterschiedlichen jüdischen Gemeinden des Zarenreichs bzw.
Österreich-Ungarn
deu. Donaumonarchie, deu. Doppelmonarchie, deu. Habsburgerreich, deu. Habsburgisches Reich, deu. Habsburgermonarchie, hun. Osztrák-Magyar Birodalom, eng. Austria-Hungary, eng. Austrian-Hungarian Monarchy, eng. Austrian-Hungarian Empire

Österreich-Ungarn (ung. Osztrák-Magyar Monarchia), auch als k. u. k. Monarchie bekannt, war ein historischer Staat in Mittel- und Südosteuropa, der von 1867 bis 1918 bestand.

s in die USA migriert. Der französische Chansonnier Charles Aznavour hingegen wurde in eine armenische Familie hineingeboren: Sein Vater wanderte aus 
Georgien
eng. Georgia, rus. Грузия, rus. Grusija, kat. საქართველო, kat. Sakartwelo

Georgien ist eine Republik im Südkaukasus. Das Land wird von 3,7 Millionen Menschen bewohnt und liegt an der Grenze zwischen dem östlichen Europa und dem westlichen Asien. Hauptstadt Georgiens ist Tiflis (Tbilissi). Das Land liegt am östlichen Ende des Schwarzen Meeres und grenzt neben Russland auch an die Türkei, Aserbaidschan und Armenien. Georgien ist seit dem Fall der Sowjetunion ein unabhängiger Staat.

 aus, seine Mutter war dem Genozid von 1915 im Osmanischen Reich entflohen.

Siehe auch