Im Rahmen der der Schoah wurden über eine Million jüdischer Kinder von den Nationalsozialisten und ihren Helfern gnadenlos ermordet. Dem voraus gingen Ausgrenzung, Entrechtung und Deportationen in Lager und Ghettos unter unbeschreiblichen Bedingungen, bis letztlich zu ihrer Vernichtung. Doch wie gestaltete sich der Alltag von Kindern in den jüdischen Ghettos unter deutscher Besatzung, beispielsweise im Warschauer Ghetto? Wer kümmerte sich um sie, welche Einrichtungen gab es?
Die „Genfer Erklärung“ konnte es nicht verhindern
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Vor hundert Jahren, am 26. September 1924, verabschiedete der  Völkerbund
Völkerbund
auch:
Liga der Nationen, Genfer Liga
Der Völkerbund wurde infolge des Ersten Weltkriegs und auf Grundlage der Pariser Friedenskonferenz (1919–1920) bzw. der in ihrem Rahmen abgeschlossenen Friedensverträge (Pariser Vorortverträge) gegründet. Als internationale Organisation sollte er vor allem die internationale Zusammenarbeit seiner Mitgliedstaaten fördern und die Beilegung von Konflikten unterstützen. Über die Dauer seines Bestehens hinweg traten insgesamt 63 Staaten dem Völkerbund bei, dessen Macht und Handlungsmöglichkeiten jedoch immer begrenzt waren und seine Tätigkeit nach Beginn des Zweiten Weltkriegs bald einstellte. Nach Gründung der Vereinten Nationen wurde der Völkerbund im Frühjahr 1946 auch formal aufgelöst.
 auf Betreiben der Save the Children Fund International Union, die die Schwestern Eglantyne Jebb (1876–1928) und Dorothy Buxton (1881–1963) nach den Schrecken des Ersten Weltkrieges gegründet hatten, die „Genfer Erklärung“. Hier wurden zum ersten Mal die besonderen Rechte der Kinder und der Kinderschutz in fünf knappen Artikeln formuliert: Die Menschheit sei „ihren Kindern das Beste, was sie zu bieten hat, schuldig.“ Das zunächst als Kriegsschuldiger Krieges geächtete Deutsche Reich konnte erst 1926 Mitglied des Völkerbundes werden, ein Zeichen für die internationale Anerkennung der Weimarer Republik. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten erklärte das Deutsche Reich am 14. Oktober 1933 wieder seinen Austritt aus dem Völkerbund. 1934 bestätigte die Generalversammlung des Völkerbundes die Genfer Erklärung erneut und die Unterzeichnenden versprachen, die Forderungen des Dokuments in die nationale Gesetzgebung zu übernehmen. Obwohl dies nicht erfüllt wurde, stellt die Genfer Erklärung das erste internationale Dokument dar, das sich über die allgemeinen Menschenrechte hinaus speziell mit den Kinderrechten befasst.
Systematische Kindervernichtung
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Im Rahmen historischer Betrachtungen kommen Kinder bis in die unmittelbare Gegenwart häufig zu kurz, und in allen Konfliktregionen der Welt sind sie die zahllosen anonymen eigentlichen Opfer von Gewalt und Willkür, die sich selbst nicht artikulieren können. Das zeigt sich immer wieder, nicht zuletzt in den aktuellen Konflikten und Kriegen wie in Gaza, der Ukraine und dem Sudan. Die Genfer Erklärung als erstmalige Wahrnehmung von Kinderrechten und des Kinderschutzes jedoch erfolgte am Vorabend einer industriell organisierten Massenvernichtung gerade auch von Gebrechlichen, Alten und Kindern, die heute gemeinhin als singulär anerkannt wird. Nicht nur war der Zweite Weltkrieg der erste Krieg in der Geschichte, der sich bewusst auch gegen Kinder richtete. Die systematische Vernichtung jüdischer Kinder war ausdrückliches Ziel Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten.1 In einer Rede Heinrich Himmlers (1900–1945), Reichsführer SS, an die Gauleiter am 6. Oktober 1943 in Posen, fielen die Worte: „Wie ist es mit den Frauen und Kindern? Ich habe mich entschlossen, auch hier eine ganz klare Lösung zu finden. Ich hielt mich nämlich nicht für berechtigt, die Männer auszurotten – sprich also, umzubringen oder umbringen zu lassen – und die Rächer in Gestalt der Kinder für unsere Söhne und Enkel groß werden zu lassen. Es musste der schwere Entschluss gefasst werden, dieses Volk von der Erde verschwinden zu lassen. […] Die Judenfrage in den von uns besetzten Ländern wird bis Ende dieses Jahres erledigt sein. Es werden nur Restbestände von einzelnen Juden übrig bleiben, die untergeschlüpft sind.“2 Vor diesem Hintergrund sollen die unfassbaren Geschehen im von Deutschland überfallenen Osteuropa am Beispiel der Kinder im 
Warszawa
deu. Warschau, eng. Warsaw, deu. Warszowa, deu. Warszewa, yid. Varše, yid. וואַרשע, rus. Варшава, rus. Varšava

Warschau ist die Hauptstadt Polens und zugleich die größte Stadt des Landes (Bevölkerungszahl 2022: 1.861.975). Sie liegt in der Woiwodschaft Masowien an Polens längstem Fluss, der Weichsel. Warschau wurde erstmals Ende des 16. Jahrhunderts Hauptstadt der polnisch-litauischen Adelsrepublik und löste damit Krakau ab, das zuvor polnische Hauptstadt gewesen war. Im Rahmen der Teilungen Polen-Litauens wurde Warschau mehrfach besetzt und schließlich für elf Jahre Teil der preußischen Provinz Südpreußen. Von 1807 bis 1815 war die Stadt Hauptstadt des Herzogtums Warschau, einem kurzlebigen napoleonischen Satellitenstaat; im Anschluss des Königreichs Polen unter russischer Oberherrschaft (dem sog. Kongresspolen). Erst mit Gründung der Zweiten Polnischen Republik nach Ende des Ersten Weltkriegs war Warschau wieder Hauptstadt eines unabhängigen polnischen Staates.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Warschau erst nach intensiven Kämpfen und einer mehrwöchigen Belagerung von der Wehrmacht erobert und besetzt. Schon dabei fand eine fünfstellige Zahl an Einwohnern den Tod und wurden Teile der nicht zuletzt für seine zahlreichen barocken Paläste und Parkanlagen bekannten Stadt bereits schwer beschädigt. Im Rahmen der anschließenden Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung der polnischen und jüdischen Bevölkerung wurde mit dem Warschauer Ghetto das mit Abstand größte jüdische Ghetto unter deutscher Besatzung errichtet, das als Sammellager für mehrere hunderttausend Menschen aus Stadt, Umland und selbst dem besetzten Ausland diente und zugleich Ausgangspunkt für die Deportation in Arbeits- und Vernichtungslager war.

Infolge des Aufstandes im Warschauer Ghetto ab dem 18. April 1943 und dessen Niederschlagung Anfang Mai 1943 wurde das Ghettogebiet systematisch zerstört und seine letzten Bewohner verschleppt und ermordet. Im Sommer 1944 folgte der zwei Monate dauernde Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzung, in dessen Folge fast zweihunderttausend Polen ums Leben kamen und nach dessen Niederschlagung auch das restliche Stadtgebiet Warschaus von deutschen Einheiten weitgehend und planmäßig zerstört wurde.

In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche historische Gebäude und Teile der Innenstadt, darunter das Warschauer Königsschloss und die Altstadt, wiederaufgebaut - ein Prozess, der bis heute andauert.

 Ghetto betrachtet werden.
„Seuchenhygienische Maßnahmen“
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Allein über die wenige Jahre währende Existenz des Warschauer Ghettos, das im Folgenden in Blick genommen wird, sind die namenlosen Schicksale hunderttausender Kinder miteinander verwoben. Es war das mit Abstand größte jüdische Ghetto unter deutscher Besatzung, diente als Sammellager für Hunderttausende und zugleich als Ausgangspunkt für die Deportation in Arbeits- und Vernichtungslager. Errichtet wurde es 1940, rund ein Jahr nach Kriegsbeginn: Vorgeblich aus Angst vor Seuchen erfolgten die ersten Absonderungsmaßnahmen der jüdischen Bevölkerung zunächst aus „hygienischen“ Gründen als „Seuchensperrbezirke“. Am 2. Oktober 1940 mussten dann alle jüdischen Einwohner:innen Warschaus in einen von nichtjüdischen Bewohnern geräumten Sperrbezirk westlich des Zentrums ziehen, der offiziell und euphemistisch „jüdischer Wohnbezirk“ genannt und sechs Wochen später, am 16. November 1940, mit einer 18 Kilometer langen Umfassungsmauer abgeriegelt wurde. In ihm wohnten etwa 350.000 Menschen, dazu kamen Hundertausende, die aus anderen Orten in das Ghetto verschleppt wurden. Etwa 100.000 Kinder lebten im Ghetto, ein Fünftel davon getrennt von ihren Familien – verloren, verschleppt, verwaist oder verschollen, zugleich gesellschaftlich ausgegrenzt.
Allgegenwärtiger Hunger
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Musste sich schon die polnische Bevölkerung mit Hungerrationen begnügen, war die Ernährungssituation im Ghetto katastrophal. Die den Bewohner:innen des Ghettos gewährte Ration betrug ganze 184 Kalorien pro Tag, zugeteilt wurden Brot oder Kartoffeln. Krankheiten und Hunger waren überall präsent: „Der Hungertod verschlang immer wieder ganze Teile des Volkes. Jeden Morgen lagen auf den Straßen vor den Haustoren neue, mit Zeitungen bedeckte Leichen.“3
Je elender die Lage der Menschen angesichts ständig steigender Preise und knapper werdender Lebensmittelversorgung wurde, umso verzweifelter wurden die Überlebenskämpfe. Besonders die zahlreichen Kinder, die auf den Straßen dahinvegetierten, versuchten, an Nahrung zu gelangen, indem sie Passanten Einkäufe entwendeten. Sie wurden von den Ghettobewohnern als „Schnapper“ bezeichnet.
Prozessionen zum „Umschlagplatz“
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Alleinstehende Kinder gehörten zu den ersten, die der Vernichtung anheimfielen, insbesondere jene, die auf der Straße aufgegriffen wurden und nicht arbeitsfähig waren. Als das Ghetto ab Juli 1942 im Rahmen der  Aktion Reinhardt
Aktion Reinhardt
„Aktion Reinhardt“ war die nationalsozialistische Tarnbezeichnung für die Deportation und systematische Vernichtung der Juden und Roma, die, wenn auch nicht ausschließlich, zum Zeitpunkt ihrer Deportation im Generalgouvernement lebten – d. h. in den besetzten Gebieten der ehemaligen Zweiten Polnischen Republik, die nach ihrer Eroberung nicht direkt an das Deutsche Reich angegliedert worden waren. Dazu wurden bis zu 1,9 Millionen Menschen in den Vernichtungslagern Bełzec, Sobibor und Treblinka ermordet. Die Durchführung erstreckte sich auf mehr als ein Jahr und endete im Oktober 1943. Benannt worden war die „Aktion Reinhardt“ nach Reinhard Heydrich (1904–1942), der ab 1941 einer der maßgeblichen Organisatoren des Holocausts und bereits Anfang Juni 1942 durch ein Attentat tschechoslowakischer Widerstandskämpfer tödlich verletzt worden war.
 nach und nach aufgelöst und die Bewohner überwiegend nach Treblinka in die Gaskammern verbracht wurden, waren dagegen jene Kinder, die in den Ghetto-eigenen Einrichtungen untergebracht und an einem Ort versammelt waren, besonders leicht in die Vernichtungslager zu deportieren. Erst auf dem Weg zum so genannten Umschlagplatz, dem Sammelplatz für die Abtransporte am Danziger Bahnhof nördlich des Stadtzentrums, wurden die Kinderdeportationen für die Stadtbevölkerung sichtbar. Verschiedene Augenzeugen berichten von der Prozession, die sich am 5. August 1942 zum Umschlagplatz bewegte. Die Tatsache, dass an diesem Tag der Kinderarzt und Reformpädagoge Janusz Korczak (1878/79–1942) Janusz Korczak (1878/79–1942) Janusz Korczak (1878/79–1942) war ein bedeutender polnischer Kinderarzt, Pädagoge und Autor, der u. a. das 1912 eröffnete Waisenhaus „Dom Sierot“ in Warschau aufbaute und in enger Zusammenarbeit mit Stefania Wilczyńska (1886–1942) leitete. Im Gegensatz zu anderen Waisenhäusern war das „Dom Sierot“ nicht nur modern und großzügig ausgestattet, sondern auch pädagogisch hochinnovativ: Die Kinder waren an der Gestaltung der Regeln und Organisation maßgeblich beteiligt, beispielsweise gab es ein eigenes Kinderparlament, eine Zeitung und ein Kindergericht. Ende 1940 musste das Waisenhaus auf deutschen Befehl in das Warschauer Ghetto verlegt werden, Anfang August 1942 begleiteten Korczak und Wilczyńska die 200 Kinder des Waisenhauses auf eigenen Wunsch in das Vernichtungslager Treblinka, in dem sie zeitnah, allerdings ohne, dass ein exaktes Todesdatum bekannt ist, ermordet wurden. die Kinder seines Waisenhauses in den Tod begleitete, ist allgemein bekannt – jedoch war er nicht der Einzige. „Tatsache ist, dass es Zehntausende von Korczaks im Ghetto gab. Sie alle führten ihre Kinder in den Tod. Nur einzelne retteten sich und überließen die ihnen Anvertrauten dem Tod“,4 schrieb etwa Jan Remetz (1923–2019) Jan Remetz (1923–2019) Jan Yohay Remetz (1923–2019), geb. als Jan Piechocki, war ein polnischer Widerstandskämpfer. Als gebürtiger Warschauer kam Remetz mit seiner Familie ins Warschauer Ghetto, aus dem ihm 1942 die Flucht gelang. Unter einer christlichen Tarnidentität arbeitete Remetz zwischenzeitlich sogar als Wachposten auf einem Flugplatz der Luftwaffe, bevor er sich dem polnischen Widerstand anschloss. Seine Lebenserinnerungen wurden 2022 unter dem Titel „Remetz: Resistance Fighter and Survivor of the Warsaw Ghetto“ publiziert. .
 
Bezeichnend ist das Beispiel des Kleinkinderheims in der Dzielna-Straße 67. Die Heimleiterin Sara Janowska, so spätere Berichte, rief das pädagogische Personal zusammen und erklärte, sie habe bei den Erziehern von Plänen, sich vor der Deportation zu verstecken, gehört. Sie forderte einen Beschluss, die Kinder nicht zu verlassen. Wer nicht bereit sei, mit den Kindern zu gehen, solle die Einrichtung sofort verlassen. Keiner entfernte sich.5
Kinder- und Waisenbetreuung im Ghetto
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Agnieszka Witkowska-Krych hat in ihrer bislang nur auf Polnisch vorliegenden Publikation „Dziecko wobec Zagłady“ (Das Kind angesichts des Holocausts) ihre neueren Forschungen zu den alltäglichen Lebensbedingungen der Kinder und ihren erwachsenen Betreuer im Ghetto vorgestellt und sich mit denjenigen beschäftigt, deren Schicksale bislang kaum beachtet und wissenschaftlich nicht aufgearbeitet worden sind. Sie beschreibt, dass es mindestens 23 Einrichtungen in verschiedenen Trägerschaften gab, die sich in Waisenhäusern, Wohngruppen und Internaten um die Kinder kümmerten – am bekanntesten von ihnen das von Janusz Korczak und Stefania Wilczyńska (1886–1942) geleitete Waisenhaus Dom Sierot, welches im Oktober 1940 in das Ghetto umgesiedelt worden war. Insgesamt arbeiteten zudem 28 dokumentierte Kinderärzte im Ghetto und waren neben ihrer Praxis teils oder in Vollzeit in einer Reihe von Wohlfahrts- und Therapieeinrichtungen für Kinder tätig. Auch gab es im Ghetto mehrere Betreuungseinrichtungen für Mütter und Kinder. 
Nach Ansicht der Nationalsozialisten hatten jüdische Kinder das Privileg der Bildung nicht verdient. Die konsequente gesellschaftliche Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung betraf auch das Schulwesen. Daher wurden bereits im Dezember 1939 alle jüdischen Schulen im Generalgouvernement geschlossen. In der Folge wurden schon damals geheime Schulen eingerichtet, die versuchten, zumindest einen Teil des Vorkriegslehrplans zu übernehmen. Diese Untergrundschulen spielten auch im Ghetto weiterhin eine Rolle, waren Bildung und Ausbildung doch ein Strohhalm der Hoffnung für ein zukünftiges Leben.
Der Aufstand und das Ende
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Die verbliebenen Ghettobewohner begannen am 19. April 1943 den  Aufstand
Aufstand im Warschauer Ghetto
Der Aufstand im Warschauer Ghetto erfolgte als Reaktion auf die Ankündigung von Heinrich Himmler zur Einleitung der letzten Phase der Auflösung des Ghettos. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich im Ghetto 50.000-60.000 von den 500.000-550.000 Personen, die bis dato insgesamt im Warschauer Ghetto eingeschlossen waren. Der Aufstand dauerte vom 19. April 1943 bis 16. Mai 1943. Es war zugleich die erste Aktion des Widerstands gegen die deutsche Nazi-Herrschaft von diesem Ausmaß auf polnischen Gebieten und der größte jüdische Einzelaufstand während des Zweiten Weltkriegs. Bereits vor dem Aufstand allerdings fand die sogenannte Januar-Aktion als erster Akt des bewaffneten jüdischen Widerstands im Warschauer Ghetto statt. Den bewaffneten Kampf führten vor allem die Mitglieder der zahlenmäßig größten, aber schlecht ausgerüsteten Gruppe der Jüdischen Kampforganisation (Żydowska Organizacja Bojowa – ŻOB), die im Ghetto von Mordechaj Anielewicz angeführt wurde, und des Jüdischen Militärverbands (Żydowski Związek Wojskowy – ŻZW) unter der Führung von Paweł(?) Frenk(e)l an. Schätzungen gehen von bis zu 1.000-1.500 Kämpfenden aus, wobei die Kräfte der ŻOB eher 220-300 und des ŻZW wohl 100-200 Personen umfassten. Ihnen schlossen sich auch andere Gruppen und Einzelpersonen an. An der Beschaffung der Waffen für die Aufständischen beteiligte sich der polnische Widerstand, vor allem die Armia Krajowa (die sog. polnische Heimatarmee), die Gwardia Ludowa (Volksgarde), der Korpus Bezpieczeństwa (Sicherheitscorps) sowie wahrscheinlich der PLAN (Polska Ludowa Akcja Niepodległościowa – Polnische Volksaktion für die Unabhängigkeit). Diese Gruppen standen dem jüdischen Aufstand bzw. seiner Untersützung teils jedoch zwiegespalten gegenüber, nicht zuletzt angesichts der schon knappen Ressourcen für die eigene Tätigkeit. Während des Aufstands selbst führten die Armia Krajowa und die Gwardia Ludowa auch selbst einzelne Militäraktionen durch, die jedoch eine untergeordnete Rolle im Verlauf des Aufstands spielten. Nach dem Ende des Aufstands dauerten vereinzelte Kämpfe bis in den Juni an. Die deutschen Besatzer setzte die Taktik der verbrannten Erde ein. Während des Aufstands bzw. unmittelbar nach seiner Niederschlagung wurden 10.000-13.000 Juden umgebracht, weitere 43.000 wurden im Anschluss in Vernichtungslager deportiert. Während der Kämpfe gelang nur einem kleinen Teil der Ghetto-Bewohner die Flucht. Auf deutscher Seite bekämpften täglich ca. 2.100 bewaffnete Soldaten und Polizisten den Aufstand, darunter auch ukrainische, lettische und litauische Einheiten. Auf der sog. arischen Seite der Ghetto-Mauer patrouillierte die lokale Polizei (d. h. dieehemalige polnische Polizei), um flüchtende Personen zu inhaftieren. Die Schätzungen zu den Verlusten auf Seiten der Deutschen und ihrer Helfer reichen von 16 bis über 100 Personen.
, der mit äußerster Brutalität und völliger Zerstörung niedergeschlagen wurde. Über 56.000 Menschen verloren in den Kämpfen oder infolge ihrer Gefangennahme und Deportation in die Vernichtungslager ihr Leben. Am 16. Mai 1943 konnten die Besatzer melden, dass der ehemalige Jüdische Wohnbezirk Warschaus nicht mehr besteht. Wenige, und noch weniger Kinder, haben überlebt.
Denkmal der Kinder
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Auf dem jüdischen Friedhof in Warschau an der Okopowa-Straße wurde 1993 das Denkmal der Kinder – Opfer des Holocausts errichtet, eine private Spende von Jack (Jacek) Eisner (1925–2003)6, verewigt auf einer Gedenktafel: „Oma Masza hatte zwanzig Enkelkinder. Oma Hana hatte elf und nur ich überlebte.“ Jacek Eisner. Das Denkmal der Kinder besteht aus der Nachbildung einer triptychonartig aufgestellten Ghettomauer mit Stacheldraht, vor der sich ein Schutthaufen aus Trümmern des Ghettos befindet, in denen Fotos von umgekommenen Kindern eingefügt wurden: Zur Erinnerung an eine Million jüdische Kinder, die von den deutschen Barbaren in den Jahren 1939–1945 ermordet wurden. Auf einer Gedenktafel steht ein Gedicht von Henryka Łazowertówna (1909–1942), „Kleiner Schmuggler (pol. Mały szmugler)“ auf Polnisch, Hebräisch und Englisch. Henryka Łazowertówna war bereits in der Vorkriegszeit eine bekannte polnische Lyrikerin.7 Im Warschauer Ghetto arbeitete sie für Centos, eine Wohltätigkeitsorganisation, die sich um die immer zahlreicher werdenden verwaisten und obdachlosen Kinder kümmerte. Der auch politisch tätige Historiker und Publizist Emanuel Ringelblum (1900–1944) stellte sie bei der Jüdischen Selbsthilfe (Alejnhilf) ein. Für das von Ringelblum aufgebaute geheime Untergrundarchiv „Oneg Shabbat“ schrieb sie Texte. Das Gedicht „Kleiner Schmuggler“ handelt von einem Jungen, der für seine Familie Nahrung von der „arischen“ Seite ins Ghetto schmuggelt. Henryka Łazowertówna wollte ihre Mutter, die während der großen Deportationen mit täglich über 5.000 Menschen im Juli 1942 auf der Liste stand, nicht allein lassen, ließ sich mit ihr in den Zug pferchen und wurde in Treblinka ermordet.8
Das Gedicht erschien erstmals in einer von Michał Maksymilian Borwicz (1911–1987), dem Leiter der Zentralen Jüdischen Geschichtskommission, zusammengestellten Anthologie von Werken, die unter der nationalsozialistischen Besatzung entstanden und jüdische Erfahrungen und Erlebnisse beschreiben. Sie wurde 1947 unter dem Titel „Pieśń ujdzie cało...“ („Das Lied wird unversehrt überleben...“) veröffentlicht.9
Text
Kleiner Schmuggler (Mały szmugler)10 
Durch Mauern, durch Löcher, durch die Wachen
Durch Drähte, Trümmer, Zäune
Hungrig, waghalsig, hartnäckig
schleiche ich, flitze ich wie eine Katze.
Mittags, in der Nacht, im Morgengrauen
Bei Schneesturm, Dunkelheit und Hitze
Hundertfach riskiere ich mein Leben,
strecke ich meinen kindlichen Hals heraus.
Unterm Arm ein zerlumpter Jutesack
Auf meinem Rücken ein zerfledderter Lappen
Und junge, flinke Beine
Und in meinem Herzen ewige Angst
Das alles muss ertragen werden
muss ausgehalten werden
Damit ihr morgen
Brot zu essen habt
Durch Mauern, durch Löcher, durch Ziegelsteine
In der Nacht, im Morgengrauen und am Tag
Kühn, hungrig, gerissen
lautlos wie ein Schatten bewege ich mich
Und wenn die Hand des Schicksals plötzlich
eines Tages in diesem Spiel zupackt
Ist es nur die Tücke des Lebens,
Du, Mutter, warte nicht länger auf mich.
Ich werde nicht zu Dir zurückkommen
Keine ferne Stimme wird mich erreichen
Und im Straßenstaub wird begraben
Das Schicksal des verlorenen Jungen
Und nur die eine bange Frage, 
bleibt erstarrt auf meinen Lippen
Wer, meine liebe Mutter, wer
Soll dir morgen Brot bringen.
Postscriptum
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Zum Warschauer Ghetto gibt es viele eindrucksvolle Beschreibungen, Berichte und Bilddokumente.11 Originalaufnahmen aus dem Warschauer Ghetto – die allerdings zu einem großen Teil nationalsozialistisches Propagandamaterial sind – sind auch Teil von Yael Hersonskis Film „Geheimsache Ghettofilm“, der 2010 veröffentlicht wurde und in deutscher Fassung auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung zu finden ist.

Siehe auch