Herkunftsgeschichten bewegen Familien – bis heute sind Fluchtschicksale dabei von großer Aktualität. Viele Kinder und Enkel tragen mit an den Erinnerungen und Traumata vertriebener Vorfahren. HAUS SCHLESIEN greift diese Problematik auf und widmet den Erfahrungen, Erinnerungen und Wahrnehmungen der Vertriebenen und ihrer Nachfahren ein Seminar.
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Aufgewachsen mit den Geschichten „aus der Heimat“ oder auch nur mit einem undefinierbaren Gefühl, nicht hierher zu gehören, tragen viele Kinder und Enkel mit an den Erinnerungen und den Traumata der vertriebenen Vorfahren. Die Erfahrungen der Erlebnisgeneration haben auch in ihrem Leben Spuren hinterlassen und prägen oft unbewusst bis heute ihr Leben und ihre Familien. Auch wenn sie bereits in der „neuen Heimat“ geboren wurden und keine eigenen Erinnerungen an 
Schlesien
ces. Slezsko, eng. Silesia, pol. Śląsk

Schlesien (polnisch Śląsk, tschechisch Slezsko) ist eine historische Landschaft, die heute überwiegend im äußersten Südwesten Polens, in Teilen jedoch auch auf dem Gebiet Deutschlands und Tschechiens liegt. Mit Abstand wichtigster Fluss ist die Oder. Nach Süden wird Schlesien vor allem durch die Gebirgsketten der Sudeten und Beskiden eingegrenzt. In Schlesien leben heutzutage knapp 8 Millionen Menschen. Zu den größten Städten der Region zählen Wrocław (hist. dt. Breslau), Opole (Oppeln) und Katowice (Kattowitz). Vor 1945 gehörte die Region zweihundert Jahre lang großteils zu Preußen, vor den Schlesischen Kriegen (ab 1740) fast ebenso lange Zeit zum Habsburgerreich. Schlesien wird in Ober- und Niederschlesien eingeteilt.

 haben, haben sich die Präsenz der Fluchterfahrungen und das Fremdheitsgefühl der Eltern auf die Nachkommen übertragen. Aus Erzählungen sind ihnen die Landschaft, Menschen und Familiengeschichten vertraut und die aus der Erfahrung der Entwurzelung heraus entwickelten Verhaltensweisen und Ängste haben sich teilweise bis in die Enkelgeneration hinein „vererbt“.
Mehr als 25 Prozent der Deutschen geben an, dass sie selbst oder ein Familienmitglied zu den deutschen Heimatvertriebenen zählen, d.h. dass in rund einem Viertel aller deutschen Familien Erinnerungen an Flucht und Vertreibung in der ein oder anderen Weise präsent sind. In manchen Familien wurde und wird geschwiegen, der nachfolgenden Generation kaum davon erzählt und versucht, Leid und Verlust zu verdrängen, in anderen wurde viel und oft davon gesprochen, um das Erlebte zu verarbeiten und die Erinnerung lebendig zu halten. Abhängig von den individuellen Erfahrungen, der familiäre Situation, dem Alter und der Aufnahme in der neuen Heimat, gestaltete sich die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sehr unterschiedlich. Für alle aber galt gleichermaßen, dass die Vertreibung einen Wendepunkt in der eigenen Biographie darstellte und das weitere Leben maßgeblich beeinflusst hat – und damit auch das Leben der Nachgeborenen. Im Zwiespalt zwischen den familiären Wurzeln in Schlesien und dem eigenen Leben in der Bundesrepublik oder in der DDR bewegt die Frage nach Herkunft, Heimat und Identität die Generation der Nachkommen in besonderem Maße. 
Das Seminar von HAUS SCHLESIEN und dem Kulturreferenten für Oberschlesien behandelt exemplarisch anhand der erzwungenen Fluchtsituation aus Schlesien Erfahrungen und Erkenntnisse zum Umgang mit Flucht und Vertreibung in den Familien. Fachvorträge von Wissenschaftlern und Autoren befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten und legen eine fundierte Grundlage für die anschließenden Gesprächsrunden. Neben der Möglichkeit, anhand des vermittelten Wissens die Situation der Erlebnisgeneration aber auch die eigenen Erfahrungen nachvollziehen und einordnen zu können, trägt vor allem der Austausch untereinander dazu bei, die individuelle Familiengeschichte aufzuarbeiten, sich mit den Gefühlen von Heimatlosigkeit auseinanderzusetzen und eigene Verhaltensmuster zu verstehen.
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