Die Grenzziehung zwischen Österreich und Ungarn nach 1918 gilt als Paradebeispiel für die allgemeinen Nachkriegswirren in Ostmitteleuropa. Der Beitrag zeichnet den langwierigen Grenzziehungsprozess des heterogenen Gebiets nach, der eine langsame Entflechtung einleitete.
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Die Grenzziehung zwischen Österreich und Ungarn nach 1918 gilt als Paradebeispiel für die allgemeinen Nachkriegswirren in Ostmitteleuropa. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entflammte zwar eine eher kraftlose politische Diskussion in Wien (getragen von Georg von Schönerer, Aurel Constantin Popovici, Josef Patry) um die verwaltungstechnische Zugehörigkeit des westlichen, mehrheitlich von deutschsprachiger Bevölkerung besiedelten Randgebietes Ungarns. Vor 1918 rechnete jedoch niemand ernsthaft mit der Verwirklichung dieser deutschnationalen Forderungen. Nach dem Ersten Weltkrieg begann nun eine drei Jahre andauernde Auseinandersetzung zwischen Österreich und Ungarn um das Gebiet. Staatliche Akteure und die lokale Bevölkerung bemühten sich gleichermaßen um die Mitgestaltung der Grenzziehung, aber die Entscheidung darüber trafen die Siegerstaaten in Paris. Zum Schluss wurden jedoch die territorialen Verfügungen der Friedensverträge nur minimal modifiziert. Obwohl der tatsächliche ethnische und ökonomische Wert des neuen österreichischen Bundeslandes Burgenland nicht mit diplomatischen, ökonomischen und militärischen Bemühungen der beiden Staaten im Einklang stand, wurde die neue Staatsgrenze nie mehr ernsthaft in Frage gestellt.
Westungarn vor 1918
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Die
Komitate
Komitate
Komitat, im Ungarischen „megye“, ist die Bezeichnung für einen ungarischen Verwaltungsbezirk, von denen es im heutigen Ungarn 19 Stück gibt. Eingeführt von König Stephan I., bestehen die Komitate als Institution seit dem 11. Jahrhundert ununterbrochen, auch wenn sich ihre Form mit der Zeit gewandelt hat.
lat. Comitatus Posoniensis, deu. Pressburger Gespanschaft, slk. Prešpurský komitát, hun. Pozsony vármegye, slk. Prešpurská stolica, slk. Prešpurská župa, eng. Pozsony County, deu. Komitat Preßburg
Das Komitat Pressburg/Pozsony war eine historische Verwaltungseinheit im Königreich Ungarn und hatte ungefähr vom Jahr 1000 bis zum Jahr 1919 Bestand. Heute liegt das Gebiet zum größten Teil in der Slowakei, ein kleiner Teil gehört auch heute noch zu Ungarn.
hun. Moson vármegye, eng. County Moson, deu. Wieselburger Gespanschaft, slk. Mošonská stolica, lat. Comitatus Mosoniensis, slk. Mošonský komitát, slk. Mošonská župa
Das Komitat Moson/Wieselburg war ein historisches Komitat des Königreichs Ungarn. Heute gehört das Gebiet zur Slowakei.
eng. Sopron county, hun. Sopron vármegye, lat. Comitatus Soproniensis
Das Komitat Sopron/Ödenburg war ein historisches Komitat des Königreichs Ungarn. Heute gehören große Teile des Komitats zum ungarischen Komitat Győr-Moson-Sopron.
Historische Orte
Königreich Ungarn
(
eng. Kingdom of Hungary, hun. Magyar Királyság, deu. Königreich Ungarn
eng. Kingdom of Hungary, hun. Magyar Királyság, deu. Königreich Ungarn
)
besaßen keinen von anderen ungarischen Komitaten wesentlich abweichenden Charakter. Diese ungarischen Verwaltungseinheiten umfassten die östlichen Ausläufer der Alpen sowie die fruchtbaren Ebenen mit größeren Flüssen (wie die Donau und die Raab). Diese ländliche Region war dicht besiedelt und verfügte über einige wenige Städte, in denen erst um die Jahrhundertwende die Industrialisierung einsetzte. Die Nähe zur österreichischen Grenze, das gut ausgebaute Eisenbahnnetz und die Kaufkraft ostösterreichischer Großstädte waren für die Handelsbeziehungen der Komitate sehr wichtig. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war die westliche Peripherie des Ungarischen Königreiches mehr in den ostösterreichischen als in den ungarischen Wirtschaftsraum integriert. Die Bevölkerung der westungarischen Verwaltungseinheiten sprach Ungarisch, Deutsch, Kroatisch und Romanes; die Zwei- oder Dreisprachigkeit gehörte zur Normalität des Grenzgebietes. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entflammte zwar eine eher kraftlose politische Diskussion in Wien (getragen von Georg von Schönerer, Aurel Constantin Popovici, Josef Patry) um die verwaltungstechnische Zugehörigkeit des westlichen, mehrheitlich von deutschsprachiger Bevölkerung besiedelten Randgebietes Ungarns. Vor 1918 rechnete jedoch niemand ernsthaft mit der Verwirklichung dieser deutschnationalen Forderungen. Nach dem Ersten Weltkrieg begann nun eine drei Jahre andauernde Auseinandersetzung zwischen Österreich und Ungarn um das Gebiet. Der ländlich geprägten katholischen Mehrheit stand eine evangelische Minderheit entgegen. Es gab aber auch einige kleine Gemeinden, in denen zur Hälfte Juden lebten. Unabhängig von dieser ethnisch-sprachlichen und konfessionellen Vielfalt der Region betrachtete sich die einheimische Bevölkerung als Teil der ungarischen „politischen Nation“. Dieses Konzept der politischen Elite Ungarns zielte darauf, die erwünschte, aber nicht vorhandene ungarische Mehrheit gegenüber ethnisch-sprachlichen Minderheiten zu vertreten. Zu den geistig-intellektuellen Zentren der Region gehörten die Städte mit Mittelschulen, welche bevorzugte Orte der „Magyarisierung“ waren. Sie dienten zur Erziehung einer loyalen ungarischen Mittelschicht und zur Bewahrung der bereits angesprochenen ungarischen Führungsrolle. Entsprechend der Volkszählung von 1910 machten die Deutschen 10% der Gesamtbevölkerung Ungarns aus. Damit waren sie drittgrößte ethnisch-sprachliche Minderheit nach den Rumänen und Slowaken.1 In Westungarn lebten annähernd ein Fünftel aller Ungarndeutschen. Sie verfügten aber über keine politische und nationale Gruppenidentität.
Die Grenze zwischen Österreich und Ungarn vor 1918
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Die Flüsse Leitha, March und Lafnitz bildeten durch die Jahrhunderte die Grenze zwischen den
„Habsburgischen Erbländern “
„Habsburgischen Erbländern “
Mit dem Begriff „Habsburgische Erblande“ wird die von der Habsburger Dynastie vom ausgehenden 13. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkrieges beherrschten Territorien bezeichnet. Im Gegensatz zum modernen, zentral gelenkten Nationalstaat waren die Erbländer voneinander unabhängige Territorien, die nur durch den gemeinsamen Monarchen miteinander verbunden waren. Ihre gemeinsame Bezeichnung war im 19. Jahrhundert das österreichische Kaiserreich, welches nach dem Ausgleich 1867 die westliche Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie ausmachte.
und den Ländern des Ungarischen Königreichs.
Die Brücke über die Leitha in Bruckneudorf / Királyhida. Der Fluss Leitha bildete vor dem Gebietstransfer des Burgenlandes an Österreich die traditionelle Westgrenze des Ungarischen Königreiches. Die Gemeinde galt auch als wichtiger Eisenbahn-Knotenpunkt Ungarns.. Firma Mór Erdélyi / Fortepan, Ungarisches Geographiemuseum in Budapest, CC BY-SA 4.0
Die Brücke über die Leitha in Bruckneudorf / Királyhida. Der Fluss Leitha bildete vor dem Gebietstransfer des Burgenlandes an Österreich die traditionelle Westgrenze des Ungarischen Königreiches. Die Gemeinde galt auch als wichtiger Eisenbahn-Knotenpunkt Ungarns.. Firma Mór Erdélyi / Fortepan, Ungarisches Geographiemuseum in Budapest, CC BY-SA 4.0
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Diese traditionelle Grenze zwischen den zwei Reichshälften der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bekräftigte der Ausgleichsvertrag 1867 erneut; die Grenze galt somit als administrative Binnengrenze. Strengere Grenzkontrollen setzen während des Ersten Weltkrieges ein (unter anderem wegen der Kriegswirtschaft und des florierenden
Schleichhandels
Schleichhandels
Schleichhandel ist ein veraltetes Wort für Schmuggel, meint aber auch den verkauf der Waren auf dem Schwarzmarkt.
). So machte die mangelhafte staatliche Versorgung der österreichischen Zivilbevölkerung den Schleichhandel aus Ungarn lukrativ. Der westungarischen Lebensmittelüberschuss wanderte auf diese Weise auf die Schwarzmärkte in Wien, Graz und Wiener Neustadt.
Österreichs Gebietsanspruch und die Reaktionen darauf
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Österreich artikulierte am 18. November 1918 seinen offiziellen Anspruch auf Deutsch-Westungarn. Kanzler Karl Renner stellte den folgenden vom Staatsrat beschlossenen Antrag: „Die geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete der Komitate Preßburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg gehören geographisch, wirtschaftlich und national zu Deutschösterreich, stehen seit Jahrhunderten in innigster wirtschaftlicher und geistiger Gemeinschaft mit Deutschösterreich und sind insbesondere der Stadt Wien zur Lebensmittelversorgung unentbehrlich. Darum wird der deutschösterreichische Staat auf dem Friedenskongress auf den Anschluss dieser Gebiete an die Republik Deutschösterreich bestehen. In diesem Sinne begrüßt der Staatsrat die lebhafte nationale und wirtschaftliche Anschlussbewegung der Deutschen Westungarns und heißt sie im Verbande der deutschösterreichischen Republik bewillkommt.“2 Trotz der Gebietsforderung Österreichs waren sich beide Regierungen darüber im Klaren, dass ihre Volkswirtschaften voneinander abhängig waren. Wien teilte mit, solange Ungarn Lebensmittel liefere, lege Österreich die territoriale Frage auf Eis und drossele die proösterreichische Propaganda.3 Budapest bestand auf einer öffentlichen Verlautbarung, wonach Österreich das Gebiet nicht annektieren werde. Dafür gestattete Ungarn Österreich das Recht, sich auf der Friedenskonferenz auf „das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung“ zu berufen.4 Die proungarische und proösterreichische Propaganda prägte das Leben der lokalen Bevölkerung bis zur endgültigen Festlegung des neuen Grenzverlaufs.
Antiösterreichisches Plakat aus dem Frühjahr 1919. Stadtmuseum Köszeg 445, CC BY-SA 4.0
Antiösterreichisches Plakat aus dem Frühjahr 1919. Stadtmuseum Köszeg 445, CC BY-SA 4.0
Österreich erhielt Burgenland in den österreichischen und ungarischen Friedensverträgen
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Die Siegerstaaten rechneten zuerst nicht mit einer Veränderung der österreichisch-ungarischen Grenze. Im März 1919 legte man die neuen Grenzen Ungarns in Paris fest, ohne die Grenze zwischen Österreich und Ungarn zu modifizieren. Man wusste zwar in Paris vom österreichischen Gebietsanspruch, aber die Vertreter der Siegerstaaten hielten es im Frühjahr 1919 nicht für notwendig, dem Wunsch Österreichs Folge zu leisten. Es war für sie nur eine Nebensächlichkeit zwischen zwei Verliererstaaten. Doch die Ausrufung der
Föderative Ungarische Sozialistische Räterepublik
eng. Hungarian Soviet Republic, hun. Magyarországi Szocialista Szövetséges Tanácsköztársaság, eng. Socialist Federative Republic of Councils in Hungary, deu. Ungarische Räterepublik
Die Förderative Ungarische Sozialistische Republik (Magyarországi Szocialista Szövetséges Tanácsköztársaság) bestand zwischen dem 21. März und 1. August 1919. Dadurch war Ungarn das zweite Land der Welt, in dem sich eine Räterepublik etabliert hatte. Sie brach zusammen, als Budapest von rumänischen Truppen besetzt wurde.
veränderte diese Indifferenz von Seiten der Entscheidungsträger. Der österreichische Friedensvertrag, unterzeichnet am 10. September 1919 in Saint-Germain-en-Laye, sprach
deu. Burgenland, eng. Burgenland, hun. Várvidék, hun. Őrvidék, hun. Felsőőrvidék, . Gradišće
Das Burgenland ist das östlichste und bevölkerungsmäßig kleinste Bundesland der Republik Österreich. Die Hauptstadt ist Eisenstadt. Das Gebiet war früher Teil des Königreichs Ungarn, das 1920 im Friedensvertrag von Trianon verpflichtet wurde, das damalige Deutsch-Westungarn an die neue Republik Österreich abzutreten. Das neu hinzugekommene Bundesland wurde 1921 rechtlich in Burgenland umbenannt.
Österreich zu. Die Existenz der ungarischen Rätediktatur (21. März bis 1. August 1919) war zwar nicht der Auslöser der Grenzverschiebung, aber die Angst vor der Ausbreitung des Kommunismus („Weltrevolution“) erleichterte eine Entscheidung zugunsten Österreichs. Es setzte sich die Annahme in Paris durch, Deutsch-Westungarn könne die Immunität Österreichs gegenüber dem Kommunismus und auch die Lebensfähigkeit der Alpenrepublik steigern. Nach dem Zusammenbruch der ungarischen Rätediktatur legten die Entscheidungsträger in Paris jedoch keinen großen Wert auf eine schnelle Gebietsübergabe, was dazu führte, dass sich der Grenzziehungsprozess in die Länge zog. Der ungarische Friedensvertrag am 4. Juni 1920, unterzeichnet in Trianon, bekräftigte zwar erneut, dass Burgenland samt Sopron/Ödenburg zu Österreich gehöre. Aber auf diesen vorgeschriebenen Gebietstransfer – jedoch ohne Sopron – musste Österreich noch Jahre warten.
Revision der Friedensverträge
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Die Siegerstaaten ließen die beiden Staaten nicht auf sich allein gestellt. Sie entsandten Militärmissionen zur Beobachtung und Kontrolle vor Ort nach Sopron/Ödenburg und forderten zwischenstaatliche Gespräche über eine baldmögliche Lösung. Die Verhandlungen begannen, aber sie brachten keine Annäherung des österreichischen und ungarischen Standpunkts. Seit Bekanntwerden der österreichischen Gebietsforderung im November 1918 gab es mehrere Anschlusskundgebungen der hiesigen deutschsprachigen Bevölkerung. Hans Cnobloch, österreichischer Gesandter in Budapest, schätzte den tatsächlichen Anschlusswunsch dennoch eher als mäßig ein. „Heute, da der Kommunismus in Ungarn überwunden ist und die Politik in ein konservatives, wenn auch nicht reaktionäres Fahrwasser einlenken zu wollen scheint, übt Deutschösterreich auf die dortige zumeist bäuerliche und zum Teilen sogar monarchistisch gesinnte Bevölkerung eine ungleich geringere Anziehungskraft aus als damals. Auch den wirtschaftlichen Erwägungen darf, meines Erachtens, in dieser Hinsicht keine allzu grosse Bedeutung beigemessen werden. Das bei Ungarn verbliebene Gebiet mit der volksreichen Hauptstadt bietet für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Westens einen lohnenden Markt und auch die Ausfuhr nach Deutschösterreich dürfte durch die eventuell zu errichtenden Zollschranken keine wesentliche Beeinträchtigung erfahren. Für die unmittelbar an der Grenze gelegenen Ortschaften würde die Errichtung der Zollschranken sogar die Entstehung eines sehr lukrativen Schmuggelverkehrs ermöglichen.“5 Nach der Rätediktatur brach das Gewaltmonopol des Staates in Ungarn erneut zusammen. Die fehlende Staatsgewalt begünstigte eine rege paramilitärische Tätigkeit, welche die politische Gewalt auch in Westungarn eskalieren ließ. Im Juli 1921 trat der Friedensvertrag von Trianon in Kraft und die Botschafterkonferenz in Paris forderte Ungarn auf, Deutsch-Westungarn bis zum 27. August 1921 zu räumen. Die westlich gelegene Zone „A“ wurde zwar von der ungarischen Exekutiven geräumt, von der Regierung geduldete paramilitärische Milizen verhinderten jedoch der annähernd zweitausend Mann starken Gendarmerie-Einheit Österreichs. Am 28. August stoppte die ungarische Regierung auch die Übergabe der Zone „B“ um Sopron. Am 4. Oktober 1921 rief der rechtsradikale Offizier Pál Prónay die
Lajtabánság (Leitha-Banschaft)
Lajtabánság (Leitha-Banschaft)
Lajtabánság war zwischen Oktober und November 1921 ein international nicht anerkanntes Ministaat auf dem Gebiet des heutigen Mittelburgenlandes. Pál Prónay, ein ungarischer Offizier verkündete am 4. Oktober 1921 die Existenz der Leitha-Banschaft und ernannte sich zu deren Präsidenten. Nach Ansichten Prónays hätte der Ministaat den Gebietstransfer an Österreich verhindern und einen Freiraum für seine Paramilitärs schaffen sollen. Die vakante Existenz des Ministaates wurde durch den Druck der ungarischen Regierung beendet.
in Felsőőr/Oberwart aus, um die nächste Räumung des Burgenlandes zu verhindern. Dieser Ministaat in den Händen der ungarischen Regierung galt als willkommenes Druckmittel gegenüber Österreich, um minimale Gebietskonzessionen zu erlangen. Nach langem Hin und Her kam es letztlich zu einem Kompromiss in Venedig. Kanzler Johannes Schober und Ministerpräsident István Bethlen unterzeichneten am 13. Oktober 1921 das Protokoll. In diesem willigte Ungarn die Abtretung Deutsch-Westungarns ein, dafür stimmte Österreich der Volksabstimmung in Sopron zu. Dieses Entgegenkommen und der Abschluss des Grenzstreits waren eine wirtschaftliche Notwendigkeit; da die Normalisierung der gegenseitigen Handelsbeziehungen für beiden Staaten eine hohe Relevanz besaß.
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Zwischen dem 13. November und 4. Dezember 1921 gingen die Räumung und Übergabe des Burgenlandes an Österreich ohne Zwischenfälle vonstatten. Die Volksabstimmung fand am 14. und 16. Dezember 1921 in Sopron und in den umliegenden acht Dörfern statt. 90% der Wahlberechtigten nahmen an der Wahl teil. Als Ergebnis verblieben Sopron und seine Umgebung bei Ungarn. Der ungarischen Propaganda gelang es, die Ergebnisse des Plebiszites als großen Zugewinn und ersten Schritt zu einer Revision des Vertrags von Trianon darzustellen. Nach der Festlegung des detaillierten Grenzverlaufs durch ein internationales Grenzziehungskomitee im Jahr 1922 bekam Österreich zusätzlich noch drei weitere kleinere Ortschaften und Ungarn zehn Dörfer zugesprochen. In der Realität hatte der Besitz dieser schmalen Grenzstreifen eher symbolischen Wert als einen realen, sozioökonomisch messbaren Zugewinn oder Verlust. Die politischen, militärischen und diplomatischen Anstrengungen um das Territorium standen in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen oder ethnographischen Bedeutung des Gebietes. Die politische Führung Ungarns und Österreichs brauchte außenpolitische Erfolge zur inneren Konsolidierung. Österreich hatte diesen Erfolg mit dem Zuspruch Burgenlandes in den Friedensverträgen erreicht. Die national-konservative Führung Ungarns tat alles, den vorgeschriebenen Gebietstransfer zu verzögern und wenigstens eine minimale Modifizierung, einen kleinen Erfolg zu verzeichnen, was mit dem Plebiszit in Sopron samt Umgebung gelang. Ungarn verlor mit dem Burgenland fast 4.000 km², was annähernd 1,5% des gesamten Nachkriegsverlustes Ungarns ausmachte. Nach dem Gebietstransfer lebten nun ethnisch-sprachliche und konfessionelle Minderheiten auf beiden Seiten der neuen Staatsgrenze. Sie waren den ethnischen Homogenisierungstendenzen der nächsten Jahrzehnte sowohl in Österreich als auch in Ungarn ausgesetzt.
Ibolya Murber (2023-07-21): Entstehungsgeschichte der österreichisch–ungarischen Grenze nach dem Ersten Weltkrieg. In: Copernico. Geschichte und kulturelles Erbe im östlichen Europa. URL: https://www.copernico.eu/de/link/648329a0c0cee4.57401199 (09-12-2024)
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