Góra Kalwaria oder Ger
Das Schtetl und seine Begründer
Góra Kalwaria ist eine Kleinstadt (Bevölkerungszahl 2022: 11.807) an der Weichsel in der Woiwodschaft Mazowien im östlichen Zentralpolen. Die heutige Stadt wurde an der Stelle des während der schwedischen Besatzung im Jahr 1666 vollständig zerstörten Dorfs Góra unter dem Namen Nowa Jerozolima ("Neu Jeusalem") auf dem Grundriss eines christlichen Kreuzes angelegt. Juden durften sich in der Stadt, die als Passions-Wallfahrtsort rein christlich sein sollte, erst 1802 ansiedeln. Bald stellten die Juden die dominierende Bevölkerungsgruppe in der Stadt, und Góra Kalwaria wurde zu einem der wichtigsten Zentren des chassidischen Judentums.
Warschau ist die Hauptstadt Polens und zugleich die größte Stadt des Landes (Bevölkerungszahl 2024: 1.863.845). Sie liegt in der Woiwodschaft Masowien an Polens längstem Fluss, der Weichsel. Warschau wurde erstmals Ende des 16. Jahrhunderts Hauptstadt der polnisch-litauischen Adelsrepublik und löste damit Krakau ab, das zuvor polnische Hauptstadt gewesen war. Im Rahmen der Teilungen Polen-Litauens wurde Warschau mehrfach besetzt und schließlich für elf Jahre Teil der preußischen Provinz Südpreußen. Von 1807 bis 1815 war die Stadt Hauptstadt des Herzogtums Warschau, einem kurzlebigen napoleonischen Satellitenstaat; im Anschluss des Königreichs Polen unter russischer Oberherrschaft (dem sog. Kongresspolen). Erst mit Gründung der Zweiten Polnischen Republik nach Ende des Ersten Weltkriegs war Warschau wieder Hauptstadt eines unabhängigen polnischen Staates.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Warschau erst nach intensiven Kämpfen und einer mehrwöchigen Belagerung von der Wehrmacht erobert und besetzt. Schon dabei fand eine fünfstellige Zahl an Einwohnern den Tod und wurden Teile der nicht zuletzt für seine zahlreichen barocken Paläste und Parkanlagen bekannten Stadt bereits schwer beschädigt. Im Rahmen der anschließenden Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung der polnischen und jüdischen Bevölkerung wurde mit dem Warschauer Ghetto das mit Abstand größte jüdische Ghetto unter deutscher Besatzung errichtet, das als Sammellager für mehrere hunderttausend Menschen aus Stadt, Umland und selbst dem besetzten Ausland diente und zugleich Ausgangspunkt für die Deportation in Arbeits- und Vernichtungslager war.
Infolge des Aufstandes im Warschauer Ghetto ab dem 18. April 1943 und dessen Niederschlagung Anfang Mai 1943 wurde das Ghettogebiet systematisch zerstört und seine letzten Bewohner verschleppt und ermordet. Im Sommer 1944 folgte der zwei Monate dauernde Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzung, in dessen Folge fast zweihunderttausend Polen ums Leben kamen und nach dessen Niederschlagung auch das restliche Stadtgebiet Warschaus von deutschen Einheiten weitgehend und planmäßig zerstört wurde.
In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche historische Gebäude und Teile der Innenstadt, darunter das Warschauer Königsschloss und die Altstadt, wiederaufgebaut - ein Prozess, der bis heute andauert.
Der Grund für die dynamische Entwicklung der jüdischen Gur Gemeinde im 19. und frühen 20. Jahrhundert lag weniger in attraktiven wirtschaftlichen Bedingungen als vielmehr in den umtriebigen Aktivitäten der chassidischen Dynastie Alter. Ihr Begründer war Tzaddik
Die verlorene Bibliothek von Tzaddik Alter
Wir müssen uns mit Mutmaßungen begnügen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass die geraubten Bände zu den Beständen der polnischen wissenschaftlichen Bibliotheken aus der Vorkriegszeit gehören, die unter der deutschen Besatzung in die Verwaltung des Hauptbibliotheksamtes übergingen. Es unterstand der Abteilung Bildung und Kultur des NS-Generalgouvernements. In diesem Fall könnten die Bücher aus Góra Kalwaria in die Depots der damals neu gegründeten Staatsbibliothek Warschau verbracht worden sein. Aus Nachkriegsberichten polnischer Bibliothekar:innen wissen wir, dass sich in der Staatsbibliothek Warschau wertvolle Judaica befanden, die wahrscheinlich, wie Teile der Sondersammlungen der Polnischen Nationalbibliothek oder der Krasinski-Bibliothek, während des Warschauer Aufstandes im Frühherbst 1944 verbrannt worden waren. Eine andere Möglichkeit ist, dass die wertvolle LKW-Ladung aus Góra Kalwaria an die von den Nazis im besetzten Polen gegründete „wissenschaftliche“ Einrichtung, das Institut für Deutsche Ostarbeit (IDO) mit Sitz in Krakau und Zweigstellen in Warschau, ging. Innerhalb des IDO befand sich eine seiner wichtigsten Abteilungen, das Referat Judenforschung. Es stand in engem Kontakt mit dem von Alfred Rosenberg gegründeten Institut der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage in Frankfurt am Main und verfügte über eine reichhaltige Bibliothek mit beschlagnahmten Judaica. Das IDO selbst hatte sich unter anderem zum Ziel gesetzt, eine Bibliographie zu erstellen und Literatur zur Geschichte der Jud:innen in Osteuropa zu sammeln, sowie in Archiven nach Judaica zu suchen. Leider sind die Aktivitäten der Warschauer Zweigstelle der IDO zu schlecht dokumentiert, um Rückschlüsse auf das Schicksal der Alterschen Bibliothek ziehen zu können.7
Post script
In der Erinnerung liegt das Geheimnis der Erlösung.