Mit welchen Mitteln arbeiteten Astronomen zur Zeit von Kopernikus? Die Instrumente und Verfahren waren noch vergleichsweise einfach, wurden aber fortlaufend weiterentwickelt.
Moderne Sonnenuhr am Bibliotheksgebäude im Dombezirk Frombork. Aleksandra39, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
Schattenwürfe
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In seinem Buch „De Revolutionibus“ erwähnte Nikolaus Kopernikus drei astronomische Instrumente. Bei dem ersten handelte es sich um eine Sonnenuhr, die aus einfachen Materialien angefertigt wurde. Laut dem amerikanischen Astronomie-Historiker Owen Gingerich hat Kopernikus sie verwendet, um das Datum der Tag-und-Nacht-Gleiche (Äquinoktium) zu ermitteln: Dazu „musste er die höchste und die niedrigste Position des Mittagsschattens während des Jahres markieren und den Winkel zwischen ihnen halbieren. Wenn der Mittagsschatten auf die Winkelhalbierende fiel, war dies der Zeitpunkt des Äquinoktium.“
Abbildung eines Dreistabs in Tycho Brahes Astronomiae Instauratae Mechanica, Wandesburg 1598. Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek / Saxon State and University Library Dresden, S.B.14, CC0 1.0
Bis zum Zenit
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Das zweite Instrument, das Kopernikus erwähnt, ist der Dreistab (Triquetrum). Die Konstruktion des „parallactischen Instrumentes“, wie er es nennt, beschreibt er im vierten Buch von De Revolutionibus. Es bestand aus drei Stangen, von denen zwei mit Scharnieren beweglich an der dritten, senkrecht stehenden befestigt waren. Am oberen Balken gab es Gucklöcher, um einen Stern anzuvisieren, der untere ermöglichte mit einer Skala das Ablesen der Position des Visierbalkens. Mit Hilfe einer trigonometrischen Tabelle konnte der Beobachter dann die Zenitdistanz ermitteln, d.h. den Winkel zwischen der Position des jeweiligen Sterns oder Planeten und dem Punkt senkrecht über dem Kopf. Allerdings war der Dreistab nicht sehr exakt, u.a. weil die hölzernen Latten sich verformen konnten.
Abbildung einer Armillarsphäre in Tycho Brahes Astronomiae Instauratae Mechanica, Wandesburg 1598. Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek / Saxon State and University Library Dresden, S.B.14, CC0 1.0
Ausrichten und ablesen
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Das dritte und komplexeste Instrument, von dem Kopernikus berichtet, war die Armillarsphäre. Dabei handelt es sich um eine Konstruktion aus ineinandergefügten Ringen. Wenn man sie korrekt auf verschiedene Himmelserscheinungen ausrichtete (u.a. auf die scheinbare Bahn der Sonne um die Erde), dann konnte man durch zusätzliche beweglich angebrachte Gucklöcher Koordinaten für Sterne oder Planeten ablesen. Dass Kopernikus selbst eine Armillarsphäre besessen und genutzt hat, gilt anhand seiner Beobachtungen als wahrscheinlich. Es sind jedoch keinerlei astronomische Instrumente aus seinem Besitz erhalten.
Astronomische Tafel im Kreuzgang von Burg Allenstein. Olerys, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Ein Relikt
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Ab 1516 tat Nikolaus Kopernikus als Verwalter der Güter des ermländischen Domkapitels seinen Dienst auf der Burg Allenstein (Olsztyn). Im Kreuzgang, der sich im nördlichen Flügel der Burg befindet, hat sich aus dieser Zeit ein astronomisches Diagramm erhalten. Wahrscheinlich wurde mittels eines Spiegels das Licht der Sonne auf diese Tafel gelenkt, um dort ihren Lauf zu verfolgen. Die sieben Meter breite Tafel befindet sich oberhalb des Eingangs zu dem Raum, in dem Kopernikus wohnte und arbeitete. Es wird davon ausgegangen, dass sie von ihm selbst angefertigt wurde.
Ausblick über den Hafen von Frombork und das Frische Haff. Aleksander Durkiewicz, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
Beobachtungsbedingungen
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Im fünften Buch von De Revolutionibus beklagte sich Kopernikus, dass es ihm in Frauenburg (Frombork) kaum möglich war, den Planeten Merkur zu beobachten, da er in in einem rauheren Klima wohnen müsse als die antiken Astronomen: Der Grund dafür seien die störenden Dünste der Weichsel gewesen – obwohl das Mündungsdelta des Flusses von Frauenburg etwa 50 Kilometer entfernt liegt. Gemeint ist hier das Frische Haff (auf polnisch Zalew Wiślany = Weichsel-Bucht), in das u.a. der Weichselarm Nogat mündet und dessen Küste sicher kein idealer Standort für astronomische Beobachtungen ist.
Neueres Gebäude am vermuteten Standort des Kanonikerhauses von Kopernikus. BroviPL, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Spurensuche
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Belegt ist, dass Kopernikus an seinem Kanonikerhaus außerhalb des Frauenburger Dombezirks ein einfaches Observatorium unterhalten hat: Das sogenannte Pavimentum war eine ebene Fläche, von der aus Beobachtungen und Messungen vorgenommen werden konnten. Das Kanonikerhaus wurde 1520 beim Einfall des Deutschen Ordens in Frauenburg zerstört, es wird vermutet, dass es sich westlich des Dombezirks befunden hat. In diesem Umfeld wurde mit bereits mit modernen geophysikalischen Methoden nach Spuren des Pavimentums gesucht – jedoch ohne Erfolg.
„Kopernikus-Turm“ in Frauenburg. Lech Darski, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Keine Sternwarte
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Gelegentlich wird noch heute angenommen, Kopernikus habe auch den Turm, den er im Dombezirk von Frauenburg bewohnte, als Standort für die Beobachtung des Himmels genutzt. Heutige Forscher gehen aber davon aus, dass die schmale hölzerne Galerie des Turmes für die damalige astronomische Arbeit wenig geeignet war. Immerhin ist es sehr wahrscheinlich, dass Kopernikus in seiner Turmwohnung am Manuskript seines Hauptwerkes De Revolutionibus gearbeitet hat.
Jan Matejko, Skizze zu dem Gemälde Der Astronom Copernicus, oder Gespräch mit Gott, 1871. Nationalmuseum Krakau / National Museum in Cracow, MNK IX-25, CC0 1.0
Wege der Erkenntnis
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Ein in Polen sehr berühmtes Gemälde von Jan Matejko (1838-1893) zeigt Nikolaus Kopernikus in einem fiktiven Moment der Offenbarung, gewissermaßen einem „Gespräch mit Gott“, in dem ihm die wirklichen Verhältnisse im Kosmos klarwerden. Diesen einen Moment kann es aber eigentlich nicht gegeben haben, denn die Beobachtungen mit dem Dreistab, dessen Holzlatten man rechts erkennen kann, waren nur die Grundlage für geometrische Überlegungen, aus denen Kopernikus seine Erkenntnisse bezog. Im Schoß von Kopernikus liegt auf dieser Skizze außerdem ein Teleskop. Auf dem 1873 fertiggestellten großen Gemälde, das sich in der Jagiellonen-Universität in Krakau befindet, war es dann nicht mehr zu sehen – mit gutem Grund...
Sechs Astronomen, Ausschnitt aus einem Stich von Joseph Mulder nach einer Zeichnung von Gerard Hoet, 1692. Rijksmuseum, Amsterdam, RP-P-1904-1911, CC0 1.0
Wissenschaft mit einfachen Mitteln
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Auf diesem Stich aus dem späten 17. Jahrhundert wird Kopernikus (zweiter v. rechts) zusammen mit dem dänischen Astronomen Tycho Brahe (1546-1601) und Claudius Ptolemäus gezeigt: Sie repräsentieren hier die lange Epoche der Astronomie, in der man den Himmel ausschließlich „freiäugig“, also ohne optische Hilfsmittel beobachten konnte. Links stehen, als Vertreter einer neuen Zeit, Galileo Galilei und der Danziger Astronom Johannes Hevelius (1611-1687), die beide mit Linsenfernrohren dargestellt sind, wie sie ab 1608 in Umlauf kamen. Im Vordergrund sitzt Hipparchos von Nicäa als Begründer der wissenschaftlichen Astronomie.
Eimmart-Sternwarte in Nürnberg, Darstellung aus dem Himmelsatlas von Johann Gabriel Doppelmayr, Nürnberg 1742. Universitätsbibliothek Freiburg / University Library Freiburg, J 8564,b, CC0 1.0
Astronomie ein Jahrhundert später
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Seit Tycho Brahe Ende des 16. Jahrhunderts die Beobachtungsverfahren erheblich verfeinert hatte, arbeiteten Astronomen mit einem breiten Sortiment von häufig großformatigen Instrumenten. Die von Georg Christoph Eimmart (1638-1705) 1678 auf der Vestnertorbastei an der Nürnberger Burg eingerichtete Sternwarte ist ein Beispiel dafür. Ihr Standort lag nur etwa 200 Meter entfernt von der ehemaligen Werkstatt des Johannes Petreius, in der 1543 die Erstauflage von Kopernikus’ Hauptwerk De Revolutionibus gedruckt worden war.