Geschichte der lettischen Geschichtsschreibung

Historiker versuchen nicht nur, ein wissenschaftliches Bild der Vergangenheit zu entwerfen. Sie sind mit ihrer Geschichtsschreibung gleichzeitig Teil der Geschichte, denn ihre Untersuchungen spiegeln die Fragen und Probleme ihrer eigenen Zeit wider. Das Projekt „Geschichte der lettischen Geschichtsschreibung“ beschreibt die Entstehung der lettischen Geschichtsschreibung in Lettland seit der Zeit des Nationalismus im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Dabei wird deutlich, dass lettische Historiker, Forschungseinrichtungen und Themen in besonderem Maße von der wechselhaften, durch Revolutionen, Weltkriege und politische Systemwechsel beeinflussten Geschichte dieses baltischen Landes geprägt worden sind.
Die baltische Region ist spätestens seit Entstehung moderner Nationalbewegungen im 19. Jahrhundert eine Region widerstreitender Erinnerungen und konkurrierender Geschichtsbilder. Dominierte in den baltischen Ostseeprovinzen 
Russland
eng. Russia, rus. Rossija, rus. Россия

Die Russische Föderation ist der größte Flächenstaat der Welt und wird von rund 145 Millionen Menschen bewohnt. Hauptstadt und größte Stadt ist Moskau mit ungefähr 11,5 Millionen Einwohner:innen, gefolgt von Sankt Petersburg mit mehr als 5,3 Millionen Einwohner:innen. Der deutlich überwiegende Teil der Bevölkerung lebt im europäischen Teil Russlands, der dichter besiedelt ist, als der asiatische.

Die Russische Föderation ist seit 1992 Nachfolgestaat der russischen Sowjetrepublik (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik, RSFSR), dem mit Abstand größten Teilstaat der ehemaligen Sowjetunion. Sie ist zugleich Rechtsnachfolger der Sowjetunion im Sinne des Völkerrechts.

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Estland
eng. Eestimaa, est. Eestimaa, lat. Hestonia, swe. Aistland, deu. Iste, lat. Aisti, lat. Aesti, dan. Estland, eng. Esthonia, lat. Estia, lat. Hestia, swe. Eistland, swe. Estlatum, swe. Estland, deu. Esthland, rus. Estljandija, rus. Ėstljandija, rus. Èstlândiâ, rus. Эстляндия, deu. Aestii, eng. Estland

Die historische Landschaft Estland liegt in Nordosteuropa und umfasst den nördlichen Teil des heutigen estnischen Staates. Die Region ist weitgehend deckungsgleich mit dem gleichnamigen Ostseegouvernement des Russländischen Kaiserreichs, das bis 1918 bestand - und neben Livland und Kurland eines von insgesamt drei Ostseegouvernements bildete. Im Hoch- und Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit hatten Teile der Region auch unter der Herrschaft finnischer Fürsten, der Rus, Schwedens, Dänemarks und des Deutschen Ordens gestanden. Erst im Zuge des Großen Nordischen Krieges (1700-1721) kam Estland unter russische Hoheit. Insbesondere seine Stadtbevölkerung war deutschsprachig, wobei die meisten Menschen auf dem Land lebten. Hier bildeten sich neben der estnischen Mehrheit auch russische und schwedische Minderheiten.

Livland
est. Liivimaa, lav. Livonija, dan. Lyffland, swe. Livland, eng. Livland, deu. Vidzeme, lat. Livonia, rus. Lifliandiia, rus. Lifljandija, rus. Liflândiâ, rus. Лифляндия, rus. Livonija, rus. Livoniâ, rus. Ливония, rus. Vidzeme, rus. Видземе, pol. Liwlandia, lat. Terra Mariana, rus. Livoniia, rus. Livonya, rus. Liwonija, deu. Eifland, deu. Liefland, dan. Livland, eng. Livonia

Livland (lett. Livonija, estn. Liivimaa) ist eine historische Landschaft im Baltikum. Sie umfasst den südlichen Teil des heutigen Estlands und den nördlich des Flusses Düne gelegenen Teil des heutigen Lettlands. Benannt wurde die Landschaft nach der heute nur noch sehr kleine Bevölkerungsgruppe der Liven (auch: Livonen/Livonier).

Historisch kann sich der Name Livland auf weitere, unterschiedliche Zusammenhänge beziehen. Prägend für das heutige Verständnis der historischen Region ist vor allem das gleichnamige Gouvernement, das eines der drei Ostseegouvernements des Russländischen Reiches war. Es bestand seit Beginn des 18. Jahrhunderts und insgesamt bis 1918. Hauptstadt war das an der Dünamündung gelegene Riga.

Zuvor war Livland namensgebend für weitere Staaten und Staatenverbünde, allen voran für die Livländische Konföderation, die seit dem Hochmittelalter bestand. Zur Konföderation gehörten der livländische Teil des Deutschordensstaates sowie regionale geistliche Staaten. Die Konföderation umfasste dabei auch große weitere Teile der heutigen Staaten Lettland und Estland. Nach Auflösung der Konföderation wie auch des Deutschordensstaates im 16. Jahrhundert wechselte die Oberhoheit mehrfach. Ohne die südlichen und nördlichen Gebiete kam Livland zunächst unter polnisch-litauische Herrschaft, später auch unter schwedische Oberhoheit, bevor es im Zuge des Großen Nordischen Krieges (1700-1721) unter russische Herrschaft kam. Prägend für die soziale Binnenorganisation des ländlichen Raumes war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem die zentrale Rolle des landbesitzenden deutschsprachigen Adels.

 und 
Kurland
eng. Courland, lav. Kurzeme, rus. Kurljandja, rus. Курляндия, lat. Curonia, lat. Couronia, swe. Kurland, dan. Kurland, lat. Curlandia, pol. Kurlandia, rus. Kuronija, rus. Kuroniâ, rus. Курония, rus. Kurzeme, rus. Курземе, rus. Kurlândiâ, rus. Kurliandii︠a︡

Kurland ist eine historische Landschaft des heutigen Lettlands. Sie erstreckt sich zwischen der Ostsee und dem Rigaischen Meerbusen sowie dem Fluss Düna im Nordosten und Litauen im Süden. Ihr Name leitet sich von den baltischen Kuren ab, die hier an der Seite der ugrofinnischen Liven lebten. Zu den größten Städten Kurlands gehören Liepāja, Jelgava und Ventspils.

Das heutige Verständnis der Region ist unter anderem durch das russländische Ostsee-Gouvernement Kurland geprägt, das ab 1795 und formal bis 1918 bestand. Dazu gehörten eigentlich noch die kleineren Regionen Semgallen und Oberlettland, die den zentralen bzw. östlichen Teil des Gouvernements bildeten. Sie sind heute vielfach mitgemeint, wenn im historischen Zusammenhang von Kurland gesprochen wird. Im Hochmittelalter kreuzten sich hier die Einflüsse der ugrofinnischen und baltischen Völker einerseits und der Wikinger andererseits. Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit stand die Region auch unter der Herrschaft Schwedens, Dänemarks und vor allem des Deutschen Ordens. Durch den Druck Russlands und Schwedens zog sich der Orden letztendlich aus dem Gebiet zurück. Kleinere Teile Kurlands wurde anschließend in Polen-Litauen eingegliedert. Der größte Teil blieb bis 1795 als Herzogtum Kurland und Semgallen ein Lehen Polen-Litauens. Auch wenn der russische Einfluss allmählich zunahm, wurde Kurland erst mit der Dritten Teilung Polen-Litauens 1795 Teil des Russländischen Reich - deutlich später als die weiteren beiden Ostseegouvernements Estland und Livland, die bereits im Zuge des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) unter russische Herrschaft gekommen waren.

) bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch ein Geschichtsbild, das von der deutschen Oberschicht geprägt wurde und sich am deutschen Historismus orientierte, so übernahmen gegen Ende des Jahrhunderts und vor allem nach Gründung der baltischen Staaten 1918 nationale Geschichtsnarrative der Esten und Letten diese Rolle. In einer Region, die im 20. Jahrhundert von Revolutionen, zwei Weltkriegen und häufigen politischen Systemwechseln erschüttert wurde, bedeutete dabei der Streit um die Geschichte immer auch einen Streit um Macht und kollektive Identitäten. Die „Geschichte der lettischen Geschichtsschreibung“ zeichnet erstmals die Entstehung eines dieser konkurrierenden Narrative, der lettischen nationalen Geschichtsschreibung (und später –wissenschaft) zwischen den 1880er Jahren des 19. Jahrhunderts und ihren Weg bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts nach.
Das Projekt wurde mit der Publikation der Monographie Geschichte der lettischen Geschichtsschreibung. Vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart abgeschlossen.

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