Mehr als nur Musik: Im Kalten Krieg findet sich der Jazz plötzlich zwischen allen Fronten – und dient zugleich als Propagandawaffe, Freiheitssymbol und musikalische Brücke zwischen Ost und West.
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Seit seiner Entstehung war Jazz nie einfach nur Musik. Immer stand er im Kreuzfeuer unterschiedlichster Positionen – von seinen Gegnern ebenso stark bekämpft wie von seinen Befürwortern geradezu mystisch verklärt. Musik der Freiheit, Musik des american way of life – das sind die zentralen Elemente eines Mythos, der sich um den Jazz rankt. Als das östliche Europa nach den Zweiten Weltkrieg hinter dem Eisernen Vorhang verschwand, gewann dieser Mythos dort noch eine zusätzliche Bedeutung. Schnell wurde Jazz zum Symbol für Demokratie, Moderne und westliche Werte. Auch wenn es außerhalb des Ostblocks kaum bekannt war, bildeten sich in allen ostmitteleuropäischen Ländern und auch in der Sowjetunion schon seit den 1920er Jahren lebendige und eigenständige Jazz-Szenen aus.
Wie politisch war der Jazz des Ostblocks?
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Formen offenen Widerstands oder offenen politischen Protests sucht man hier jedoch vergeblich. Kein Jazz-Musiker des Ostblocks rief jemals zum Umsturz auf. Beschreibungen und Erinnerungen von Insidern der Szene wirken vollkommen unpolitisch: Thematisiert werden Begegnungen mit Musikern, Auftritte und Konzerte – als fände alles in einem politikfreien Raum statt. Ganz selten einmal ein Wort zur politischen Lage oder Kommentare zu den Repressionen der Staatsorgane. Provokativ gefragt: Spielten die Elemente des Jazz-Mythos, also die Behauptung von Jazz als Musik der Freiheit, hier überhaupt eine Rolle? Wenn dem aber nicht so war, woher rührt dann die große Bedeutung, die Jazz zu Zeiten des Staatssozialismus im Ostblock hatte und bis heute noch hat?
Das wird klar, wenn man sich die Musik und die staatssozialistischen Gesellschaften, in der sie gemacht wurde, etwas genauer ansieht. Jazz wurde nämlich gerade in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten zur Keimzelle einer Alternativkultur, die das Herrschafts- und Machtmonopol der Regierenden fundamental in Frage stellte, und zwar gleich auf mehrfache Weise.
Ein gesellschaftlicher Alternativentwurf – musikalisch verschlüsselt
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Erstens war Jazz eine klare Absage an die in den staatssozialistischen Gesellschaften führende Theorie des Sozialistischen Realismus Sozialistischen Realismus Der Sozialistische Realismus war eine von Stalins Kulturminister Andrej Ždanov propagierte Doktrin, die festlegte, wie Kunst im Staatssozialismus auszusehen hatte. Literatur, Musik sowie bildende und darstellende Künste sollten vor allem gegenständlich und lehrhaft sein, abstrakte Kunstformen wurden abgelehnt. Im Fokus stand die überhöhende Abbildung der idealen sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaft und ihrer Entstehung. In Malerei und Bildhauerei waren beispielsweise heroisierende Darstellungen von Arbeitern und Bauern verbreitet. , die Stalins Kulturminister Andrej Ždanov (1896–1948) faktisch zur Staatsdoktrin erhoben hatte. Die ideologische Forderung nach einer für affirmative Zwecke des Regimes angewandten Musik mit konkreten Inhalten und Massenwirksamkeit lag dem Jazz als vorwiegend instrumentaler und daher ungegenständlicher, nicht auf plakative Aussagen hin orientierter Musik zutiefst individualistischen Charakters fern.
Zweitens forderte Jazz auch staatssozialistische Vorstellungen von gesellschaftlicher Ordnung heraus. Seit seiner Entstehung haftete dem Jazz ein sexuelles, provokatives Moment an, das vom bürgerlichen Establishment als unanständig missbilligt wurde. Die Tatsache, dass sich die Jazzkritik der neuen sozialistischen Staaten die Inhalte der bürgerlichen Jazzgegner – also der Klassenfeinde! – voll und ganz zu eigen machten, erweist auf verblüffende Weise, wie eng und verkrampft der als neu propagierte Kulturbegriff der sozialistischen Machthaber in Wirklichkeit war und wie sehr er sich an bürgerlichen Moralvorstellungen der Vergangenheit orientierte.
Musik als Propagandainstrument
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US-amerikanische Propagandaoffiziere begriffen schnell, welche Macht ihnen der Jazz verlieh, und wollten ihn gezielt als Waffe zur Destabilisierung des Ostblocks einsetzen. Eine Sendung wie Music USA: Jazz Hour und ihr Moderator Willis Conover (1920–1996), die ab 1955 jeden Abend per Kurzwelle im Radiosender Voice of America zu hören war, erlangte im gesamten Ostblock Kultstatus. Berühmte Jazz-Musiker, darunter so bedeutende wie Duke Ellington (1899–1974) oder Dave Brubeck (1920–2012), wurden vom State Department, dem Außenministerium der Vereinigten Staaten, auf Reisen in den Ostblock geschickt, um dort als musikalische Botschafter der Freiheit zu fungieren.
Anstatt allerdings in Scharen zum Kapitalismus überzulaufen, wie die Strategen der US-amerikanischen cultural diplomacy anfangs gehofft hatten, brachten die Jazzfans des Ostblocks ihre Regierungen dazu, Jazz zunächst zu tolerieren und dann sogar zu fördern. Am spektakulärsten war dieser Wandel in Polen. Hatten polnische Jazz-Ensembles bis kurz vor 1956, dem Jahr des beginnenden Tauwetters, noch im Untergrund spielen müssen, so wurde ab diesem Jahr Jazz-Musik staatlich unterstützt. Ganz offiziell konnten Festivals stattfinden, Jazzensembles konnten öffentlich auftreten, das staatliche Radio nahm die Musik in ihr Programm auf und bald erschien Jazz sogar in den Lehrplänen der Musikhochschulen.
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Der Kurzclip in Erinnerung an Willis Conover und seine „Jazz hour“ präsentiert nicht nur die markante Stimme des Moderators, sondern auch ein programmatisches Zitat: „The music of jazz parallels the freedom that we have in America. Something that not every country has.“ – „Die Musik des Jazz steht für die Freiheit, die wir in Amerika haben. Etwas, das nicht jedes Land hat.“
Vereinnahmung von beiden Seiten
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Was für den Westen wie eine Kapitulationserklärung sozialistischer Kulturpolitiker vor der Beliebtheit des Jazz aussah, war in Wirklichkeit Ergebnis eines kalkulierten Strategiewandels: Wenn man Jazz schon nicht beseitigen konnte, so sollte ihn seine offizielle Förderung nun für die eigene Kulturpolitik nutzbar machen. Zur Rechtfertigung dieses Vorgehens besann man sich auf eine Unterscheidung zwischen „kapitalistischem“, „kommerzialisiertem“ Jazz einerseits und „proletarischem“, „echtem“ Jazz andererseits, die bereits aus der Sowjetunion der 1920er Jahre stammte. Mit dieser Argumentation versuchte sich die Sowjetunion als natürliches Vaterland des Jazz zu verkaufen, da hier der Jazz in seiner Eigenschaft als Musik der Unterdrückten eigentlich zu Hause sei. Insbesondere aus der in den USA noch praktizierten Rassentrennung suchte man dabei Kapital zu schlagen und so das implizite Freiheitsversprechen des Jazz gegen den Westen selbst zu richten.
Auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs bemühte man sich also nach Kräften, den Jazz für die eigenen politischen Ziele einzusetzen, in beiden Fällen allerdings nur mit begrenztem Erfolg. Paradoxerweise erhielt der Jazz in den Ostblockländern aber gerade durch diese doppelte Instrumentalisierung besondere Entfaltungsmöglichkeiten: Ein geschickter Organisator eines Jazz-Festivals konnte sich seine Veranstaltung zum einen von der Kulturpolitik seines eigenen Landes als Beitrag zur sozialistischen Kultur fördern lassen, zum anderen aber auch finanzielle Unterstützung für den Auftritt westlicher oder sogar amerikanischer Jazzmusiker von der US-amerikanischen Kulturdiplomatie erhalten, die das Festival als Beitrag zur Destabilisierung des Ostblocks verstand.
Schwindende Bedeutung nach 1970
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Ost und West führten also einen cultural Cold War mit dem Ziel, vor allem die jazzliebende Jugend für sich zu begeistern. Denn Jazz war im Ostblock kein Unterschichtenphänomen, sondern die Begleitmusik einer gebildeten und privilegierten Jugend (in der 
Sowjetunion
eng. Soviet Union, rus. Sovetskiy Soyuz, rus. Советский Союз

Die Sowjetunion (SU oder UdSSR, Russisch: Союз Советских Социалистических Республик (СССР) war ein von 1922 bis 1991 bestehender Staat in Osteuropa, Zentral- und Nordasien. Die UdSSR wurde von ungefähr 290 Millionen Menschen bewohnt und bildete mit ca. 22,5 Millionen Quadratkilometern den größten Flächenstaat der Welt. Die Sowjetunion war eine sozialistische Räterepublik mit einem Einparteiensystem.

 beispielsweise waren es die sogenannten Šestdesjatniki, also die Generation der 1960er Jahre, die für den späten Staatssozialismus prägend war). Sie hatte daher auch politisch größte Bedeutung: Jazz war für die Kulturpolitik der USA und der Ostblockstaaten einfach zu wichtig, als dass seine Entwicklung einfach dem Zufall überlassen werden konnte.
Mit dem Siegeszug des Rock’ n’ Roll und der Etablierung des Rock als neuer Musik der Jugend seit den 1970er Jahren sank diese herrschaftspolitische Bedeutung des Jazz im Ostblock jedoch. Zunehmend wurde aus der frechen Musik der Jugend eine akademisch diskutierte Musik alternder Männer (tatsächlich waren Hörerinnen ebenso in der Minderzahl wie Jazzmusikerinnen), so dass Jazz von der Mitte des gesellschaftlichen Lebens an den Rand gedrängt wurde. Aus dem Freiraum, der sich seit den 1960er Jahren als Ergebnis des doppelten politischen Sponsorings ergeben hatte, wurde nun eine gesellschaftliche Nische.
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Krzysztof Komeda (1931–1969) war einer der bedeutendsten polnischen Jazzmusiker und steuerte auch zu zahlreichen Filmen die Musik bei. Auf dieser Fernsehaufnahme spielt sein Quartett zu Ehren des im Sommer 1967 verstorbenen John Coltrane (1926–1967), mit Komeda am Klavier. Der Musiker starb nicht einmal zwei Jahre nach Coltrane an den Folgen eines Unfalls. 
Regionale kulturpolitische Spielarten
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Paradoxerweise war die Repressionssituation in den Ostblockstaaten für den Jazz also in der Summe eher förderlich für seine Entwicklung – allerdings mit einem gravierenden Haken: das gesamte Jazzleben unterlag, wie andere Kulturbereiche im Staatssozialismus auch, einer kaum planbaren Willkür. Oft hing es von den Launen eines einzelnen Funktionärs ab, ob ein lange geplantes Konzert oder Festival durchgeführt werden konnte oder in letzter Minute verboten wurde. Jazz war sozusagen Teil eines Systems instrumentalisierter Willkür: Er war weder erlaubt noch verboten, sondern geduldet, und diese Duldung konnte jederzeit einfach so widerrufen werden. Nach den ungarischen Worten für erlaubt, verboten und geduldet (támogattot, tíltott, tűrt) wurde diese Praxis dort als das „System der drei T“ bezeichnet.
Polen
 
Jedes sozialistische Land entwickelte seinen eigenen Stil im Umgang mit dem Jazz. Am günstigsten war die Situation für den Jazz in 
Volksrepublik Polen
eng. Polish People’s Republic, pol. Polska Rzeczpospolita Ludowa

Die Volksrepublik Polen war ein von 1944 bis 1989 existierender sozialistischer Staat in den Grenzen des heutigen Polens. Sozialistische Einheitspartei des Ein-Parteien-Staates war die kommunistische Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR).

. Das wichtigste Einfallstor für modernen Jazz nach dem Zweiten Weltkrieg waren die YMCA-Clubs YMCA-Clubs Die Young Men’s Christian Association (YMCA) bzw. der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) (früher: Christlicher Verein Junger Männer) ist eine international tätige christliche Jugendorganisation. , die noch bis 1948 existierten, ehe sie im Zuge der kulturellen Eiszeit der Ära Bierut Ära Bierut Bolesław Bierut (1892–1956) war von 1947 bis 1952 Staats- und von 1952 bis 1954 Regierungschef Polens, ab 1948 auch Parteichef der Polska Zjednoczona Partia Robotnicza (PZPR), der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, die zugleich sozialistische Einheitspartei der Volksrepublik Polen war. Bierut orientierte sich stark an der stalinistischen Sowjetunion. Seine Regierungszeit als Präsident gehört zu den repressivsten und autoritärsten in der polnischen Geschichte und war von politischer Verfolgung, Schauprozessen und der systematischen Überwachung von Millionen Einwohnern geprägt. aufgelöst wurden. Als Ergebnis lebendiger Vorkriegstraditionen und intensiver internationaler Kontakte hatte sich in Polen aber bereits eine Jazz-Szene entwickelt, die in Kellerräumen und Privatwohnungen konspirativ ‚überwinterte‘ – eine Periode, die in Polen als sog. „Katakomben-Jazz“ („jazz katakumbowy“) bekannt ist.
Wie erfolgreich diese Überwinterung war, zeigte sich im Jahr 1956, als das Regime die Organisation des ersten Jazzfestivals im Ostseebad 
Sopot
deu. Zoppot

Sopot ist eine Stadt im Norden Polens und wird von 35.000 Menschen bewohnt. Die Stadt liegt in der Woiwodschaft Pommern (poln. Pomorskie) nördlich von Gdańsk (dt. Danzig), direkt an der Ostsee. Sopot ist ein bekannter Kurort in Polen und gehört zum Ballungsraum Trójmiasto (dt. wörtlich 'Dreistadt'), eine Agglomeration der Städte Gdańsk, Gdynia (dt. Gdingen) und Sopot.

 gestattete, um der Welt und der eigenen Öffentlichkeit Normalität zu demonstrieren. Die Überraschung war groß: Gleichsam aus dem Nichts erschienen talentierte Jazz-Musiker, allen voran Krzysztof Komeda (1931–1969), und errangen internationale Aufmerksamkeit. In den Folgejahren verband sich die zur Schau getragene Widerständigkeit des polnischen Jazz mit der Annahme staatlicher Unterstützung, was dem polnischen Jazz eine solide Basis verschaffte.
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DDR
Während die Staatsführung der Volksrepublik versuchte, durch eine Politik der langen Leine dem rebellischen Charakter des Jazz den Wind aus den Segeln zu nehmen, so ging man im Nachbarland den umgekehrten Weg. Ein Jazz-Festival wie in Polen war in der Deutschen Demokratischen Republik in den 1950er Jahren undenkbar. Das SED-Regime SED-Regime Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, abgekürzt SED, war die marxistisch-leninistisch ausgerichtete Einheitspartei der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Die Partei entstand 1946 aus der Zwangsvereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in der sowjetischen Besatzungszone und übte nach Gründung der DDR 1949 eine autokratische und de facto diktatorische Ein-Parteien-Herrschaft aus, die sie bis zur friedlichen Revolution und der politischen Wende in den Jahren 1989/90 behalten sollte. sah sich mit dem Problem konfrontiert, dass die eigenen Staatsbürger mehr als alle anderen Einwohner des Ostblocks mit westlicher Kultur in Berührung kamen: Gerade hier gab es die beste Möglichkeit, Westsender mit Jazzsendungen zu empfangen, darunter den RIAS Berlin RIAS Berlin RIAS stand für ‚Rundfunk im amerikanischen Sektor‘ und war der Name einer von der US-amerikanischen Militärverwaltung bis 1993 betriebenen Rundfunkanstalt. Um 1990 sendete RIAS kurzzeitig sogar ein eigenes Fernsehprogramm, ansonsten und durchgängig von 1946 bis 1993 Radioprogramme. oder die Soldatensender AFN AFN American Forces Network (AFN), Rundfunknetzwerk der Streitkräfte der USA. und BFN BFN British Forces Network (BFN), 1945 in Deutschland und Österreich eingerichtetes Rundfunknetz der britischen Streitkräfte, in den 1960er Jahren aufgegangen im British Forces Broadcasting Service (BFBS). der Westalliierten, die ebenfalls beide ein umfangreiches Jazz-Programm ausstrahlten. Nicht zuletzt dieser Umstand war für eine erheblich höhere Nervosität der Regierenden verantwortlich, die geradezu verzweifelt versuchten, der Attraktivität des Jazz entgegenzuarbeiten, indem man sozialistische Kultur oder Ersatzformen des Jazz propagierte. Als Antwort darauf schufen die Musiker dieses Landes einen stilistisch höchst bemerkenswerten, sehr eigenständigen Jazz.
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Das „Duke Ellington Orchestra“ spielt 1977 zusammen mit dem Symphonieorchester der polnischen Nationalphilharmonie auf dem wichtigsten Jazz-Festival des Ostblocks, dem Jazz Jamboree in Warschau. Bandleader des Jazz-Orchesters ist Mercer Ellington (1919–1996), der Sohn des wenige Jahre zuvor verstorbenen Duke Ellington (1899–1974). Dirigent der Philharmoniker ist Wojciech Rajski (*1948).
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Tschechoslowakei
In der 
Tschechoslowakei
ces. Československo, slk. Česko-Slovensko, eng. Czecho-Slovakia, eng. Czechoslovakia

Die Tschechoslowakei war ein zwischen 1918 und 1992 in wechselnden Grenzen und unter wechselnden Namen und politischen Systemen bestehender Staat, dessen ehemalige Landesteile in den heutigen Staaten Tschechien, Slowakei und der Ukraine (Karpatenukraine, bereits 1939 ungarisch besetzt, ab 1945 an die Sowjetunion) aufgegangen sind. Nach 1945 stand die Tschechoslowakei unter politischem Einfluss der Sowjetunion, war als Satellitenstaat Teil des sog. Ostblocks und ab 1955 Mitglied des Warschauer Paktes. Zwischen 1960 und 1990 trug das kommunistische Land offiziell den Namen Tschechoslowakische Sozialistische Republik (abgekürzt ČSSR). Die demokratische politische Wende wurde 1989 mit der Samtenen Revolution eingeleitet und mündete 1992 in der Gründung der unabhängigen Tschechischen bzw. Slowakischen Republiken.

 bildete sich ein regelrechtes Tauziehen zwischen oppositioneller Jazz-Szene einerseits und regimetreuen Kreisen andererseits aus. Auch hier hatte sich, ganz ähnlich wie in Polen, bis zum Jahre 1948 eine kurze, aber sehr intensive Blüte mitteleuropäisch-westlicher Kultur gezeigt, die durch die stalinistischen Maßnahmen der Folgejahre zunächst oberflächlich erstickt wurde. Nach der Lockerung ließ man zunächst in Maßen ein Jazz-Leben zu. Es gelang der Jazz-Szene, sich zu konsolidieren und sich auch institutionell zu verfestigen, als man im Jahre 1971 die sog. Jazz-Sektion als Untereinheit der tschechoslowakischen Musiker-Union gründen konnte. Diese Jazz-Sektion versuchte nun, ein vom Regime unabhängiges, weit über den Jazz hinausgehendes Kulturleben aufzubauen. Im Angesicht eines drohenden Kontrollverlustes schritt der Staat schließlich ein – führende Mitglieder der Jazz-Sektion wurden in einem politisch motivierten Prozess angeklagt und zu Freiheits- und Geldstrafen verurteilt.
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Sowjetunion
Obwohl die Kulturpolitiker der Sowjetunion für ihr Land die führende Rolle des Ostblock-Jazz beanspruchten, fiel diese Rolle Polen zu, das mit seinem Jazz Jamboree, dem seit 1958 in 
Warszawa
deu. Warschau, eng. Warsaw

Warschau ist die Hauptstadt Polens und zugleich die größte Stadt des Landes (Bevölkerungszahl 2022: 1.861.975). Sie liegt in der Woiwodschaft Masowien an Polens längstem Fluss, der Weichsel. Warschau wurde erstmals Ende des 16. Jahrhunderts Hauptstadt der polnisch-litauischen Adelsrepublik und löste damit Krakau ab, das zuvor polnische Hauptstadt gewesen war. Im Rahmen der Teilungen Polen-Litauens wurde Warschau mehrfach besetzt und schließlich für elf Jahre Teil der preußischen Provinz Südpreußen. Von 1807 bis 1815 war die Stadt Hauptstadt des Herzogtums Warschau, einem kurzlebigen napoleonischen Satellitenstaat; im Anschluss des Königreichs Polen unter russischer Oberherrschaft (dem sog. Kongresspolen). Erst mit Gründung der Zweiten Polnischen Republik nach Ende des Ersten Weltkriegs war Warschau wieder Hauptstadt eines unabhängigen polnischen Staates.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Warschau erst nach intensiven Kämpfen und einer mehrwöchigen Belagerung von der Wehrmacht erobert und besetzt. Schon dabei fand eine fünfstellige Zahl an Einwohnern den Tod und wurden Teile der nicht zuletzt für seine zahlreichen barocken Paläste und Parkanlagen bekannten Stadt bereits schwer beschädigt. Im Rahmen der anschließenden Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung der polnischen und jüdischen Bevölkerung wurde mit dem Warschauer Ghetto das mit Abstand größte jüdische Ghetto unter deutscher Besatzung errichtet, das als Sammellager für mehrere hunderttausend Menschen aus Stadt, Umland und selbst dem besetzten Ausland diente und zugleich Ausgangspunkt für die Deportation in Arbeits- und Vernichtungslager war.

Infolge des Aufstandes im Warschauer Ghetto ab dem 18. April 1943 und dessen Niederschlagung Anfang Mai 1943 wurde das Ghettogebiet systematisch zerstört und seine letzten Bewohner verschleppt und ermordet. Im Sommer 1944 folgte der zwei Monate dauernde Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzung, in dessen Folge fast zweihunderttausend Polen ums Leben kamen und nach dessen Niederschlagung auch das restliche Stadtgebiet Warschaus von deutschen Einheiten weitgehend und planmäßig zerstört wurde.

In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche historische Gebäude und Teile der Innenstadt, darunter das Warschauer Königsschloss und die Altstadt, wiederaufgebaut - ein Prozess, der bis heute andauert.

 ausgerichteten internationalen Jazz-Festival, eine kulturelle Drehscheibe zwischen West und Ost bildete. Dennoch konnte auch die Sowjetunion mit einem reichhaltigen Jazzleben aufwarten, das sich keineswegs nur in 
Moskwa
eng. Moscow, deu. Moskau, rus. Москва́

Moskau (russisch Москва́) ist die Hauptstadt Russlands und zugleich größte Stadt des Landes. Mit ungefähr 12,5 Millionen Einwohnern ist Moskau die größte Stadt des europäischen Kontinents.

 und 
Sankt-Peterburg
rus. Leningrad, deu. Sankt Petersburg, eng. Saint Petersburg, rus. Ленингра́д, rus. Петрогра́д, rus. Petrograd

Sankt Petersburg ist eine Metropole im Nordosten Russlands. In der Stadt wohnen 5,3 Millionen Menschen, was sie nach Moskau zur zweitgrößten des Landes macht. Sie liegt an der Mündung der Newa (Neva) in die Ostsee im Föderationskreis Nordwestrussland. Sankt Petersburg wurde 1703 von Peter dem Großen gegründet und war von 1712 bis 1918 die Hauptstadt Russlands. Von 1914–1924 trug die Stadt den Namen Petrograd, von 1924–1991 den Namen Leningrad.

, sondern auch und vor allem in den Randgebieten (Baltikum, 
Aserbaidschan
eng. Azerbaijan

Aserbaidschan ist ein vorderasiatischer Staat mit rund 10 Einwohnern. Das Land liegt am südöstlichen Ende des Großen Kaukasus-Gebirges, an der Westküste des Kaspischen Meeres. Hauptstadt mit über zwei Millionen Einwohnern ist Baku. Nachbarstaaten Aserbaidschans sind Russland, Georgien, Iran, Armenien und die Türkei.

) oder in entlegenen Provinzstädten (
Novosibirsk
rus. Новосибирск

Nowosibirsk ist die Hauptstadt der gleichnamigen russischen Oblast und mit rund 1,6 Millionen Einwohnern auch die größte Stadt Sibiriens. Geschichte und Aufstieg der Stadt sind eng mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn verbunden.

) abspielte.
Im Spannungsfeld zwischen kultureller Autonomie und politischer Instrumentalisierung bildeten sich im Ostblock also ganz unterschiedliche Jazz-Szenen aus, die schon bald nicht nur Einflüsse aus den Westen aufnahmen, sondern der weltweiten Entwicklung dieser Musik auch wichtige Impulse gaben. Das staatssozialistische System war dabei einengendes Korsett und schützender Kokon zugleich. Erst der Wegfall des Ost-West-Gegensatzes, damit aber auch der Wegfall des propagandistischen Wettstreits und sein Einfluss auf die Musik und der Wegfall der staatlichen Förderung des Jazz durch die Ostblockstaaten führten zu einer ganz neuen Konstellation, die es der Musik und ihren Musikern nicht unbedingt einfacher machte.