Bekannt ist Monika Hunnius als deutschbaltische Schriftstellerin. Sie selbst verstand sich jedoch vor allem als Musikerin – und war Teil eines europaweiten Musikernetzwerkes, zu dem auch Julius Stockhausen, Johannes Brahms und Clara Schumann gehörten.
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1921, im Alter von 63 Jahren und 13 Jahre vor ihrem Tod, startete Monika Hunnius (1858–1934) ihre schriftstellerische Laufbahn mit prominenter Fürsprache. Der Schriftsteller Hermann Hesse (1877–1962) ermöglichte seiner verwandtschaftlich verbundenen, älteren Freundin  den entscheidenden Verlagsvertrag mit seinem Versprechen, ein Geleitwort im Erstlingswerk zu veröffentlichen.1  Fortan wird Hunnius als Heimatschriftstellerin mit biografisch geprägten Retrospektiven in die Rezeptionsgeschichte eingehen. Sogar Reichspräsident von Hindenburg ehrte sie, die in  lebte, anlässlich ihres 70. Geburtstags persönlich.
Ihre Beachtung als Schriftstellerin, von der Hunnius im letzten Lebensjahrzehnt im wahrsten Sinne des Wortes profitieren konnte, wurde von ihr selbst nur ungern angenommen. Denn ihre Anerkennung als Künstlerin suchte Hunnius lange Jahre mit ihrem musikalischen Wirken zu erreichen. Doch als Sängerin fand und findet ihr Talent wenig Beachtung und auch ihre Arbeit als Gesangslehrerin ist heute nahezu unerforscht und unbekannt.
Doch wie kommt es zu dieser Diskrepanz in Fremdwahrnehmung und Selbstbild? Wie lässt sich diese Einseitigkeit der Perspektive in der Rezeption von Hunnius Wirken und in der Darstellung ihres Lebens erklären? Die Perspektiverweiterung auf das gesamte Schaffen von Hunnius’ wird zweifellos dadurch erschwert, dass kein Nachlass der Deutschbaltin existiert. Ein zweites, in der Musikwissenschaft oft hervorgehobenes Defizit stellt darüber hinaus die erst langsam aufbrechende Ausblendung von Frauen in der Musikgeschichte dar. Als Sängerin und Gesangslehrerin hat die Erinnerung an Hunnius zudem noch mit anderen, ganz banalen Überlieferungsschwierigkeiten zu tun. Sänger und Sängerinnen überdauern ihre musikalische Laufbahn in starkem Maße auf dem Wege des Tonmitschnitts. Von Hunnius liegt nichts Vergleichbares vor. Eine weitere Rezeptionsgeschichte kann aus dem Kreise der Schülerschaft erwachsen. Doch auch hier konnte Hunnius aufgrund ihrer Lehrtätigkeit im Schatten beziehungsweise als Assistentin des prominenten Tenors Raimund von zur Mühlen (1854–1931) nicht reüssieren. Und nur wenige ihrer eigenen Schülerinnen konnten sich beruflich überregional einen Namen erarbeiten.
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Die Komplexität ihres Wirkens aber macht Monika Hunnius erst so interessant für die Nachwelt. Die Suche nach der Künstlerin mit all ihren biografischen Facetten muss daher auf Umwegen erfolgen. Der Blick auf Hunnius’ persönliches Netzwerk bietet eine solche Möglichkeit. Hunnius' Wirken und ihr Erfolg spiegeln sich ebendort, in den Beziehungssträngen zu ihren Kolleginnen, Kollegen, Freundinnen, Freunden und Verwandten, wider. Ihre Lebensgeschichte kann so aus multiplen Perspektiven erschlossen werden, durch die Brille ihrer Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter.2  Wie prominent das Netzwerk ist, in dem sich Hunnius bewegt, zeigt sich schon in der Aufsicht:
Wie wohl für die meisten Biografien sind die innerfamiliären Beziehungen für die 1858 in Riga Geborene prägend. Der Vater, ein Pastor, stirbt noch in Hunnius’ Kindheit. Die überaus ehrgeizige Mutter stützt auch aus finanziellen Erwägungen heraus als Witwe die Gesangslaufbahn ihrer Tochter. Nach ersten Konzerterfahrungen in Riga kommt es dann zu einem Treffen mit der hier gastierenden, gefeierten Sängerin Amalie Joachim (geb. Schneeweiß, 1839–1899). Sie ist es, die Hunnius zu einer professionellen Gesangsausbildung bei Julius Stockhausen (1826–1906) drängt. Die Erfahrungen während dieser Jahre in Frankfurt am Main an der Schule Stockhausens – von 1882 bis 1884 – bestimmen den weiteren beruflichen Werdegang von Hunnius. Über die Kontakte zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern tritt Hunnius in ein europaweit agierendes Netzwerk von Musikschaffenden ein. Johannes Brahms (1833–1897) und Clara Schumann (1819–1896) sind in dieser Zeit, den 1880er Jahren, wohl die prominentesten Knotenpunkte. Eine besondere Intensität nehmen in diesen Netzwerkbeziehungen die Kontakte zu Musikern aus dem Baltikum ein, die durch Hunnius’ Rückkehr nach Riga 1884 noch verstärkt werden. Die Beziehung zu dem bereits genannten Raimund von zur Mühlen beispielsweise ist von einer jahrelangen Zusammenarbeit gekennzeichnet. Aus ganz Europa und teils sogar aus den USA bindet von zur Mühlen Sängerinnen und Sänger an sich, die auf seinen Sommerschulkursen vertiefenden Gesangsunterricht erhalten. Hunnius wirkt hier als rechte Hand und Assistentin des Meisters.
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Neben dieser, in der Musikwissenschaft als Paarkonzept diskutierten Beziehung nimmt in späteren Jahren der Kontakt zu dem Texter, Pianisten und Musikkritiker Hans Schmidt (1845–1923) zu, der im Gegensatz zu von zur Mühlen eine feste Größe im musikalischen Leben Rigas, auch im späteren jungen Staat 
Lettland
eng. Latvian Republic, eng. Latvia, lav. Latvija

Lettland ist ein baltischer Staat im Nordosten Europas und wird von ungefähr 1,9 Millionen Einwohner:innen bewohnt. Hauptstadt des Landes ist Riga. Der Staat grenzt im Westen an die Ostsee und an die Staaten Litauen, Estland, Russland und Weißrussland. Lettland ist seit dem 01.05.2004 Mitglied der EU und erlangte erst im 19. Jahrhundert Unabhängigkeit.

, einnimmt und einnehmen wird. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs endet Hunniusʾ Tätigkeit als Gesangslehrerin zunächst. Sie verlässt das Baltikum und findet in Deutschland die Protektion, die sie zur schriftstellerischen Arbeit benötigt. Anfang der 1920er kehrt Hunnius nach Riga zurück und setzt ihre Arbeit als Gesangslehrerin und Schriftstellerin fort. Gesundheitliche Einschränkungen münden in ihren letzten Lebensjahren in einer Pflegebedürftigkeit; 1934 stirbt Hunnius. Besuche einiger ihrer Schülerinnen ermöglichen den Einblick in die Krankenjahre der nunmehr nur noch als Schriftstellerin agierenden Künstlerin.