Montag, d[en] 9. Juli 1945. ‚Laufen Sie bloß nicht erst nach Kohlfurt! Es hat gar keinen Zweck. Züge fahren von dort doch nicht! Wir warten schon 14 Tage auf einen Zug nach dem Westen!‘ So rieten uns die Leute, als wir früh mit unserem Gepäck nach Kohlfurt trippelten. Von allen Seiten sagte man uns dasselbe, doch wir wollten es auf alle Fälle versuchen und marschierten mutig drauf los. Unterwegs begegneten uns lauter Ostarbeiter, die wieder in ihr Land zurück mußten.1
Schlesien (polnisch Śląsk, tschechisch Slezsko) ist eine historische Landschaft, die heute überwiegend im äußersten Südwesten Polens, in Teilen jedoch auch auf dem Gebiet Deutschlands und Tschechiens liegt. Mit Abstand wichtigster Fluss ist die Oder. Nach Süden wird Schlesien vor allem durch die Gebirgsketten der Sudeten und Beskiden eingegrenzt. In Schlesien leben heutzutage knapp 8 Millionen Menschen. Zu den größten Städten der Region zählen Wrocław (hist. dt. Breslau), Opole (Oppeln) und Katowice (Kattowitz). Vor 1945 gehörte die Region zweihundert Jahre lang großteils zu Preußen, vor den Schlesischen Kriegen (ab 1740) fast ebenso lange Zeit zum Habsburgerreich. Schlesien wird in Ober- und Niederschlesien eingeteilt.
Die Stadt Nowa Ruda liegt in Niederschlesien in Polen und ist seit 1337 schriftlich belegt. Seit dem Mittelalter überwog in Nowa Ruda die Textilproduktion, ab dem 19. Jahrhundert der Bergbau als wichtigster Wirtschaftszweig. Nowa Ruda hat heute knapp 22.000 Einwohner:innen.


Die niederschlesische Stadt Hirschberg, heute polnisch Jelenia Góra, liegt am Fluss Bober im Hirschberger Tal am Fuß des Riesengebirges. Im Mittelalter ein wichtiges Handelszentrum, etablierten sich ab dem 16. Jahrhundert zunächst die Weberei, später weitere Industriezweige. Mit dem Eisenbahnanschluss 1866 wurden Hirschberg und das umliegende Tal zudem ein beliebtes touristisches Reiseziel.
Donnerstag, d[en] 5. Juli 1945: Da Gritta gestern abend [sic!] wieder Fieber bekam, blieben wir heute auch noch hier. Gritta lag den ganzen Tag zu Bett. Mutti, Annemie [die Bekannte, Anm.d.Red.] und ich gingen in die Stadt, um einzukaufen. Im ,Bürgerstübel‘ bekamen wir auf einen Bon, den wir uns im Flüchtlingslager geholt hatten, eine gute Gemüsesuppe. Mutti und Annemie gingen nachmittags zum Friseur.6
Freitag, d[en] 6. Juli 1945: Als wir heute früh loswanderten, meinte Mutti: ‚Von jetzt ab kommen wir in´s Kampfgebiet.‘ Das sahen wir auch bald, je mehr wir uns Lauban näherten. An Häusern, die vereinzelt an der Landstraße standen, war der Dachstuhl abgerissen, die Fensterscheiben heraus, und Telegraphendrähte hingen zerfetzt herunter.7


Sonntag, d[en] 15. Juli 1945: Gestern haben wir lange geschlafen und einen Stadtbummel gemacht. - Heute sind wir um 12 Uhr zum Mittagessen in ein Hotel gegangen. Der Ober war so nett und gab uns 2x Mittagessen für 1x Markenabgabe. - Annemie, Gritta und ich gingen um 3 Uhr in´s Kino: ,Die Sache mit Styx‘[,] ein Krimi mit Victor de Koroa [sic!]. - Aue ist ein nettes Städtchen und hat vom Kriege nichts gespürt. Die Leute gehen gut gekleidet, und sie tragen sogar Schmuck! Russen sehen wir wenig, fast nur Offiziere.10


Kartenmontage: Laura Gockert
Redaktion: Christian Lotz