Das Dorf Sztynort liegt im Norden der Masurischen Seenplatte auf der Halbinsel Jez zwischen Jezioro Mamry (Mauersee), Jezioro Dargin (Dargeinensee) und Jezioro Dobskie (Dobensee). Bis 1928 hieß das Dorf Groß Steinort, danach Steinort.
Gerade hat ihr Sohn auf der Gartenseite ein großes Wohnzimmer angebaut. Bei geöffnetem Fenster kann sie die gutgelaunten Touristen hören, Familien und Grüppchen, die Richtung Hafen ziehen. „Oder zum Schloss. Im Sommer ist Leben da oben.“ Sie erzählt gern und springlebendig.
Früher war ihr der Pałac unheimlich – es spukte, und hinter jeder Ecke konnten Hitlerowcy mit Gewehren auftauchen, behaupteten die Erwachsenen. Im Ostflügel befand sich in den 1950er Jahren Marias Kindergarten. In anderen Teilen des Gebäudes waren die Büros der PGR, der Państwowe gospodarstwo rolne (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft/ LPG), in wieder anderen lebten Familien. Der Pałac war Mittelpunkt des Sztynorter Lebens, alltäglich und zugleich voller Geheimnisse.
Als Karpatenvorland bezeichnet man das Gebiet an der äußeren Seite des Karpatenbogens. Es ist namensgebend für die polnische Woiwodschaft Podkarpackie.
Nie hat Marias Mutter das Trauma überwunden, jenen April 1947, als ihr Elternhaus zerstört, die Familie in einen Viehwaggon geprügelt wurde. Destination: Masuren. Maria Oryńczak, wie sie mit Mädchennamen hieß, sehnte sich zeitlebens nach den Wäldern und Bergen ihrer alten Heimat.
Krakau ist die zweitgrößte Stadt Polens und liegt in der Woiwodschaft Kleinpolen im Süden des Landes. In der Stadt an der Weichsel wohnen ungefähr 775.000 Menschen. Die Stadt ist bekannt für den Hauptmarkt mit den Tuchhallen und der Wawel-Burg in der Altstadt Krakaus, welche seit 1978 zum UNESO-Welterbe gehört. In Krakau liegt die älteste Universität Polens, die Jagiellonen-Universität.
Trotz allem war Marias Kindheit und die ihrer jüngeren Schwester Stefania behütet. Mit den Mädchen und Buben aus der Nachbarschaft kamen sie gut aus.
Besonders beliebt war das Spiel „Polen erklärt den Krieg gegen…“. Jedes Kind wählte ein Land, und wer siegte, durfte dem Besiegten ein Stück wegnehmen. Vielerorts im traumatisierten Europa wurde es damals so oder ähnlich gespielt.
Die Sowjetunion (SU oder UdSSR) war ein von 1922 bis 1991 bestehender Staat in Osteuropa, Zentral- und Nordasien. Sie ist aus dem sog. Sowjetrussland hervorgegangen, dem Nachfolgestaat des Russländischen Kaiserreichs. Den Kern der Union und zugleich ihren größten Teil bildete die Russische Sowjetrepublik, hinzu kamen weitere Teilrepubliken. Ihre Zahl variiert über die Zeit hinweg und steht im Zusammenhang mit der Besatzung anderer Länder (Estland, Lettland, Litauen), nur kurzzeitig bestehenden Sowjetrepubliken (Karelo-Finnland) oder mit der Teilung bzw. Zusammenlegung von Sowjetrepubliken. Zusätzlich gab es zahlreiche autonome Republiken oder sonstige Gebietseinheiten mit einem Autonomiestatus, der sich im Wesentlichen auf eine sprachliche Autonomie der Minderheiten beschränkte.
Die UdSSR bestand vor ihrer formellen Auflösung aus 15 Sowjetrepubliken mit einer Bevölkerung von ungefähr 290 Millionen Menschen. Mit ca. 22,4 Millionen km² bildete sie den damals größten Flächenstaat der Welt. Die Sowjetunion war eine sozialistische Räterepublik mit einem Einparteiensystem und einer fehlenden Gewaltenteilung.
Ihre Mutter, beobachtete die kleine Maria, trug das Kopftuch anders als die Litauerinnen. Und die alte Masurin, die alle mit „Oma“ anredeten, kreuzte die Schürzenbänder am Rücken. Diese Frau Kielbasa sprach kaum Polnisch, auch Frau Bartnik, die Witwe des letzten gräflichen Kutschers, tat sich schwer damit. Maria fiel ein Junge namens Stefan Tymiec auf, „weil er besonders höflich war.“
Selbst griechisch-katholisch, überließ sie die Töchter der römisch-katholischen Kirche. Diese hatte nach 1945 schnell und machtbewusst die meisten evangelischen Gotteshäuser Masurens erobert, prägte mit Wegkreuzen und Marienaltären die spröde Landschaft. Maria und Stefania feierten ihre erste heilige Kommunion in
Radzieje, 1417 als „Rosengarten“ gegründet, ist ein Kirchdorf in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren. Radzieje hatte im Jahr 2006 noch 510 Einwohner:innen.
Die Oblast Kaliningrad (rus. Калининградская область) liegt zwischen Polen und Litauen an der Ostsee. Die Oblast ist der westlichste Teil Russlands und wird von ungefähr 1 Million Menschen bewohnt. Die Hauptstadt der Oblast ist Kaliningrad (dt. Königsberg).
Nur die Masuren konnten es, wie die Familie des höflichen Jungen Stefan Tymiec, dessen Mutter Deutsche war. Fast alle stellten nach und nach Anträge auf Ausreise in den Westen. Bis zur ersehnten Genehmigung blieben sie meist unter sich. Ihr stiller Exodus zog sich bis in die 1970er Jahre hin.
Warschau ist die Hauptstadt Polens und zugleich die größte Stadt des Landes (Bevölkerungszahl 2022: 1.861.975). Sie liegt in der Woiwodschaft Masowien an Polens längstem Fluss, der Weichsel. Warschau wurde erstmals Ende des 16. Jahrhunderts Hauptstadt der polnisch-litauischen Adelsrepublik und löste damit Krakau ab, das zuvor polnische Hauptstadt gewesen war. Im Rahmen der Teilungen Polen-Litauens wurde Warschau mehrfach besetzt und schließlich für elf Jahre Teil der preußischen Provinz Südpreußen. Von 1807 bis 1815 war die Stadt Hauptstadt des Herzogtums Warschau, einem kurzlebigen napoleonischen Satellitenstaat; im Anschluss des Königreichs Polen unter russischer Oberherrschaft (dem sog. Kongresspolen). Erst mit Gründung der Zweiten Polnischen Republik nach Ende des Ersten Weltkriegs war Warschau wieder Hauptstadt eines unabhängigen polnischen Staates.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Warschau erst nach intensiven Kämpfen und einer mehrwöchigen Belagerung von der Wehrmacht erobert und besetzt. Schon dabei fand eine fünfstellige Zahl an Einwohnern den Tod und wurden Teile der nicht zuletzt für seine zahlreichen barocken Paläste und Parkanlagen bekannten Stadt bereits schwer beschädigt. Im Rahmen der anschließenden Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung der polnischen und jüdischen Bevölkerung wurde mit dem Warschauer Ghetto das mit Abstand größte jüdische Ghetto unter deutscher Besatzung errichtet, das als Sammellager für mehrere hunderttausend Menschen aus Stadt, Umland und selbst dem besetzten Ausland diente und zugleich Ausgangspunkt für die Deportation in Arbeits- und Vernichtungslager war.
Infolge des Aufstandes im Warschauer Ghetto ab dem 18. April 1943 und dessen Niederschlagung Anfang Mai 1943 wurde das Ghettogebiet systematisch zerstört und seine letzten Bewohner verschleppt und ermordet. Im Sommer 1944 folgte der zwei Monate dauernde Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzung, in dessen Folge fast zweihunderttausend Polen ums Leben kamen und nach dessen Niederschlagung auch das restliche Stadtgebiet Warschaus von deutschen Einheiten weitgehend und planmäßig zerstört wurde.
In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche historische Gebäude und Teile der Innenstadt, darunter das Warschauer Königsschloss und die Altstadt, wiederaufgebaut - ein Prozess, der bis heute andauert.
Das heutige Stadt Allenstein/Olsztyn (Bevölkerungszahl 2022: 168.212) wurde 1353 als „Allensteyn“ an der Allna gegründet. Allenstein ist die größte Stadt Ermlands und der Sitz der Woiwodschaft Ermland-Masuren. Die Stadt ist Mitglied der Europäische Route der Backsteingotik, insbesondere aufgrund seines Altstadtrings und der Burg Allenstein.
Das Bild zeigt eine Stadtansicht von Olsztyn /Allenstein auf einer Postkarte von vor 1945.
Angerburg ist eine Stadt im Nordosten Polens in der Woiwodschaft Ermland-Masuren (Warmińsko-Mazurskie). Sie wird von ca. 11.000 Menschen bewohnt und liegt unweit der Grenze Polens zu Russland.
Später leitete sie den Szytnorter Kindergarten, machte die Buchhaltung der PGR, mal Bankgeschäfte in Wegorzewo, was sich gerade anbot und vereinbar war mit ihrem privaten Leben. Ihre kranke Mutter brauchte sie.
Und Piotr, ihr Sohn, der 1980 zur Welt kam. In ihm erfüllte sich ihr sehnlichster Wunsch. Einen Mann brauchte sie nicht, sie war eine stolze ledige Mutter – ziemlich ungewöhnlich damals.
Unvergesslich ist ihr der Sommer 1977, damals war sie Sekretärin des Wassersportzentrums. Gottliebe Gräfin Lehndorff kam zu Besuch mit ihrer Tochter Gabriele. Offenbar wollten sie im Schloss übernachten, „wir hatten ja Hotelzimmer hier“, und der Leiter verweigerte dies. In Frau Zarębskas Erinnerung weinte die Gräfin. Im Nachhinein machte sie sich Vorwürfe, weil sie den hohen Gästen nicht selbst ein Bett angeboten hat.
Kętrzyn ist eine Stadt in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren.
1329 vom Deutschen Orden als Festung errichtet, wurde die im Deutschen namensgebende Rastenburg mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Zu preußischer Zeit war Rastenburg eine wohlhabende Garnisonsstadt. Nachdem der südliche Teil Ostpreußens nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu Polen gekommen war, erfolgte 1946 die Umbenennung in Kętrzyn. 2020 hatte Kętrzyn knapp 26.800 Einwohner:innen.
Das Bild zeigt eine im Jahr 1904 versandte Postkarte von der Stadt Kętrzyn/Rastenburg mit Burg.
Polen ist ein Staat in Mittelosteuropa, ein Mitglied der Europäischen Union. Unter dem heutigen Namen ist das Land seit dem 10. Jahrhundert bekannt.
Dann kam das Jahr 1989, Polen war frei, Europa fand wieder zusammen. Und Maria Zarębska, unternehmungslustig wie sie war, eröffnete einen Lebensmittelladen.
Bald wurde im „Geschäft bei Maria“ das Angebot reicher. „Papa, es gibt Chips!“ Riefen die Kinder. Sohn Piotr begeisterte sich für die hübschen deutschen Joghurtbecher. Das Wunder der Konsumgesellschaft! Wieder war sie eine wache Zeitzeugin, und auch von den Schattenseiten des Kapitalismus kann sie ein Lied singen: Im Jahr 2000 ging sie bankrott.
Und der Pałac stand leer. Zum zweiten Mal nach 1945 war das Lehndorffsche Schloss verwaist, Plünderungen und Vandalismus ausgesetzt. „In einer Nacht wurde im Ostflügel der grüne Ofen gestohlen“, erinnert sich Maria Zarębska. Niemand mehr pflegte die Rosenbeete und Thujahecken, im Park machte sich Wildnis breit. Was sollte daraus werden? Es verfiel zusehends – ein Bild für die Sorgen und Ängste des Dorfes, und Projektionsfläche neuer Hoffnung.
Nicht alle im Dorf sahen es gern, dass die Nachkommen der Adelsfamilie zu Besuch kamen. Ihr hingegen war es eine Ehre, Gräfin Vera, die berühmte „Veruschka“ bei sich zu empfangen. Zum ersten Mal 2011 oder 2012: „Ich konnte ihr einen Schlüssel aus dem Pałac zurückgeben, und ein paar Münzen, die ich als Kind in einem Graben gefunden hatte.“
„Vielleicht kommen die beiden zurück nach Sztynort?“
In diesem Sommer jedenfalls sind Sohn und Schwiegertochter bei ihr und helfen beim Einkochen.