Abenteuer Familiengeschichte. Ein Weltbürger lernt die Heimat seiner Vorfahren lieben
Seit einigen Jahren verbringt er den Sommer am liebsten in Masuren. Dabei stand diese Weltgegend nicht unbedingt auf seiner Agenda. Als Junge hatte er kaum eine Vorstellung davon,
Das Dorf Sztynort liegt im Norden der Masurischen Seenplatte auf der Halbinsel Jez zwischen Jezioro Mamry (Mauersee), Jezioro Dargin (Dargeinensee) und Jezioro Dobskie (Dobensee). Bis 1928 hieß das Dorf Groß Steinort, danach Steinort.
In der Bundesrepublik galten die Männer des 20. Juli lange als Vaterlandsverräter. „Und die Generation der 68er hat sie als Reaktionäre gesehen, Feudalherren und Militärs, die erst im letzten Moment handelten.“ Alles Interesse, sagt Verus von Plotho, sei auf Stauffenberg fixiert gewesen, wie auch heute noch. „Auf ihn und ein paar andere. Der lebenslustige, eigentlich unpolitische Heinrich von Lehndorff passte nicht ins Schema.“
Weder er noch seine Witwe Gottliebe. Sie wollte nach 1945 keine der „Frauen des 20. Juli“ sein, wie Freya von Moltke oder Nina Schenk von Stauffenberg.2
„Meine Großmutter hatte mit ihrer Trauer schon genug zu tun. Wollte eigene Wege gehen. Sie war eine unabhängige, künstlerisch interessierte Frau.“ Offenbar ließ sie das Vergangene bewusst hinter sich, Adelswelt, Lebensstil, Ostpreußen, jeglichen Heroismus. „Ebenso waren die Töchter, meine Mutter und die drei Tanten, immer mehr in der Gegenwart als im Gedenken.“
Annäherung an die Familiengeschichte
Die Publizistin und sein Großvater Heinrich waren derselbe Jahrgang, Cousine und Cousin, einander sehr nahe, zuletzt im Widerstand gegen Hitler. Den Studenten Verus beeindruckte vor allem Marion Dönhoffs klare politische Haltung: Ihr öffentlicher Verzicht auf die geliebte Heimat – in den 1960er Jahren – hatte den Weg zur Versöhnung mit
Polen ist ein Staat in Ostmitteleuropa und ein Mitglied der Europäischen Union. Unter dem heutigen Namen ist das Land seit dem 10. Jahrhundert bekannt. Polen liegt an der Ostsee und ist der größte Staat (Bevölkerungszahl 2023: 37.636.508, Fläche: 313.964 km²) Ostmitteleuropas. Der Staatsname leitet sich von den westslawischen Polanen ab, die ab dem 9. Jahrhundert immer mehr Gebiete unter ihre Führung brachten, welche im 10. Jahrhundert als Herzogtum Polen bekannt waren. Unter Mieszko (ca. 960-992) erreichte die Ausdehnung des Landes etwa die heutigen Grenzen. Zumindest für Teile seines Landes war er zeitweise dem deutschen Kaiser tributpflichtig. Wahrscheinlich 966 nahm Polen das Christentum an, ab 1025 war es ein Königreich. 1138-1295 kam es infolge von Erbstreitigkeiten zur Zersplitterung des Landes. Das Aussterben der herrschenden Dynastie der Piasten führte 1370 zu einer polnisch-ungarischen Personalunion, die auf den Druck des polnischen Adels schon 1386 durch eine Polnisch-Litauische Doppelmonarchie ersetzt wurde. Die wachsende Rolle des Adels äußerte sich 1572 in der Etablierung einer Wahlmonarchie. Die Uneinigkeit des Adels führte jedoch zu den drei Teilungen Polens (1772-1795) zwischen Preußen, Russland und der Habsburgermonarchie. Polen wurde erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 selbstständig und verlor die Unabhängigkeit 1939 nach dem deutschen Überfall zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem folgenden russischen Einmarsch von Osten. 1945-1989 war Polen ein Satellitenstaat der Sowjetunion. Seit 2004 ist Polen Mitglied der Europäischen Union.
Unter anderem machte sie Station in Steinort, die elegante Dame im Porsche erregte Aufsehen, erzählt man noch heute in Sztynort. Mit ihrer Leica hielt sie das Schloss fest, es war damals noch ziemlich intakt, und die ungeheure Weite des Mauersees.
Ein wichtiger Impuls war das Projekt „Doppelleben“ von Antje Vollmer. Bei ihren Recherchen auf den Spuren von Heinrich und Gottliebe von Lehndorff hatte sie auch ihn befragt. „Mir, wie auch den Anderen in der Familie, wurde klar, wie wenig wir eigentlich wussten.“ Das Buch, das 2010 erschien, war ein Geschenk. Ein Fundus, reich an Quellen. Familiengeschichte, Zeitumstände, scharfsinnig und empathisch erzählt.
Sommer in Masuren
„Da ist so unheimlich viel drin, in diesem Brief. Tiefe Liebe zu seiner Familie. Freude und Hoffnung. Mut, dem eigenen Gewissen zu folgen und dafür alles aufzugeben.“ Diese Haltung bewundert Verus von Plotho, er ist heute stolz auf seinen Großvater. Ihn als „Helden“ zu bezeichnen, fände er überhöht, treffender wäre: „ein Mensch, der uns Vorbild sein kann“.
Inzwischen kennt Verus von Plotho viele Sztynorter Geschichten, die erstaunlichste hat ihm Jurek Dacko berichtet. Sein Vater ist 1941 aus der Ukraine hierher verschleppt worden, hat als Zwangsarbeiter bei den Lehndorffs im Pferdestall gearbeitet und ist nach Kriegsende geblieben.
Und wieder ist sein Großvater gegenwärtig: Durch den Park ist Heinrich von Lehndorff am 20. Juli 1944 vor der Gestapo geflüchtet. Nach einem Sprung aus dem Fenster rannte er Richtung Wald. Wo er sich auskannte, „und sich sicher bewegen konnte, fast wie ein Tier.“