Die Episode der preußischen Herrschaft in Warschau wird traditionell wenig beachtet und meist als früher Höhepunkt eines preußisch-deutschen Expansionsstrebens in Polen gedeutet. Dabei war sie eine Zeit wichtiger aufklärerischer Bildungsinitiativen.
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„Warschau ist gewiss ein Sammelplatz von revolutionären und bösen Leuten, die vom Auslande und besonders von Frankreich her ihre Direction erhalten.“1  Mit diesen Worten beschloss zu Beginn des Jahres 1797 der preußische Minister Heinrich von Buchholtz, selbst langjähriger Resident in der ehemaligen polnischen Hauptstadt, seine Mahnung zur stärkeren Kontrolle der öffentlichen Sicherheit in Warschau. Die Stadt war mit der letzten der drei Teilungen Polen-Litauens Teilungen Polen-Litauens Im Zuge dreier Teilungen in den Jahren 1772, 1793 und 1795 wurde Polen-Litauen zwischen dem Russländischen Reich, Preußen und der Habsburgermonarchie aufgeteilt und verschwand bis 1918 als souveräner Staat von der politischen Landkarte Europas. zwei Jahre zuvor preußisch geworden. Nicht ganz zu Unrecht ging damals unter den Teilungsmächten das Gespenst einer polnischen Revolution an der
Weichsel
pol. Wisła, eng. Vistula

Die Weichsel ist der längste Fluss Polens. Ihre Quellflüsse sind die Czarna Wisełka (deutsch etwa: Kleine Schwarze Weichsel) und die Biała Wisełka (deutsch etwa: Kleine Weiße Weichsel), deren Quellen sich in den Schlesischen Beskiden, am Berg Barania Góra befinden. Nach 1.048 Länge mündet die Weichsel östlich von Danzig in die Ostsee (Weichsel-Delta bzw. Weichsel-Nogat-Delta). Das große Einzugsgebiet der Weichsel ertreckt sich auch auf Teile von Belarus, der Ukraine und der Slowakei.

um,2  errangen die französischen Revolutionsarmeen auf den Schlachtfeldern am Rhein und in Norditalien doch gerade ungeahnte Erfolge. Während Józef Wybicki im italienischen Exil also „Noch ist Polen nicht gestorben“ (poln. Jeszcze Polska nie umarła) dichtete,3  hofften nicht wenige der in Warschau verbliebenen Republikaner auf einen raschen Vorstoß des jungen Napoleon nach Mitteleuropa.4  Buchholtz beklagte daher, dass gerade hier, wo wenige Jahre zuvor die Verfassung vom 3. Mai 1791 Verfassung vom 3. Mai 1791 Die vom Vierjährigen Sejm (1788–1792), der parlamentarischen Versammlung Polens, verabschiedete Konstytucja trzeciego maja gilt als erste moderne Verfassung Europas. An den Ideen der Aufklärung orientiert, strebte sie eine umfangreiche Modernisierung des polnisch-litauischen Staates an. verabschiedet worden war, „eine Menge wirklich ganz öffentlich sich als jakobinisch gesinnt zeigender Leute [...] sowie eine grosse Anzahl Franzosen und Fremde vom niedrigen Stande, die nur die gemeinen Leute aus Bosheit aufwiegeln“, ihr Unwesen trieben.5
Vom Zentrum zur Peripherie
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Tatsächlich hatte sich Warschau seit Mitte des 18. Jahrhunderts unter dem Einfluss der Aufklärung zu einer lebendigen europäischen Metropole entwickelt. Die Stadt war entgegen dem allgemeinen polnischen Trend rasant gewachsen6  und zählte um 1790 über 100.000 Einwohner,7  was etwa der Größe von Hamburg oder Venedig entsprach. Unter 
Polen-Litauen
eng. Polish–Lithuanian Commonwealth, lit. Abiejų Tautų Respublika, pol. Rzeczpospolita Obojga Narodów, deu. Erste Polnische Republik, lat. Respublica Poloniae, pol. Korona Polska i Wielkie Księstwo Litewskie, lat. Res Publica Utriusque Nationis, deu. Republik beider Völker

Bereits 1386 wurden das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen durch eine Personalunion verbunden. Polen-Litauen bestand als multiethnisches Staatsgebilde und Großmacht im östlichen Europa von 1569 bis 1795. In dem auch Rzeczpospolita genannten Staat wurde der König von den Adeligen gewählt.

 letztem König Stanisław August Poniatowski entstanden moderne Bildungsinstitutionen wie die Kadettenschule (poln. Szkoła Rycerska), in der eine neue Generation politisch-militärischer Eliten ausgebildet wurde.8  Infolge der Ereignisse von 1794 und 1795 – dem gescheiterten Aufstand unter dem wohl berühmtesten Absolventen der Schule Tadeusz Kościuszko, an dem sich auch die Bürger Warschaus lebhaft beteiligten,9  und der darauffolgenden Dritten Teilung Polens – fand sich die Stadt jedoch quasi über Nacht in der Rolle einer Provinzstadt wieder: Warschau wurde nun Teil der Provinz Südpreußen Südpreußen Die Provinz Südpreußen wurde aus Gebieten der Zweiten und Dritten Teilung Polens gebildet und umfasste im Wesentlichen die historische Region Großpolen. Der westliche Teil der Provinz wurde nach 1815 als Großherzogtum Posen erneut Teil Preußens. , nur wenige Kilometer entfernt verlief die Grenze zum österreichischen Teilungsgebiet.10  Die neue Lage an der östlichen Peripherie der Hohenzollernmonarchie hatte ihren Preis: Traditionelle wirtschaftliche Verbindungen wurden gekappt, die politische Bedeutung der ehemaligen Haupt- und Residenzstadt, die mehr als ein Viertel ihrer Einwohner verlor, auf die eines mittleren Verwaltungszentrums reduziert.
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Während viele enttäuschte Verfechter der polnischen Unabhängigkeit und vor allem die meisten Magnaten Magnaten Die traditionelle Führungsschicht der polnisch-litauischen Adelsrepublik bezeichnet man, ähnlich wie in Ungarn, als Magnaten. Formal dem sehr zahlreichen übrigen Adel (szlachta) gleichgestellt, zeichneten sie sich durch eine enorme Machtfülle sowie großen Güterbesitz aus. in dieser Zeit Warschau verließen, rückten preußische Militärs und Beamte ein und bezogen ehemalige Palais wie den Krasiński-Palast. Die Stadt war noch vom gescheiterten Aufstand gegen die Teilungsmächte gezeichnet: Im Stadtteil Praga am rechten Weichselufer hatten russische Truppen am 4. November 1794 ein Massaker unter der Zivilbevölkerung angerichtet, ein großer Teil der Intellektuellen war ins Exil gegangen und das kulturelle Leben zum Stillstand gekommen. Nach den verstärkten Polizeiaktivitäten der ersten Jahre entpuppten sich die preußischen Besatzer jedoch für viele bald als das geringere Übel: Die Zensur wurde weniger streng gehandhabt als im österreichischen Teilungsgebiet11  und die neue Verwaltung unter dem Provinzialminister Otto von Voß zeigte durchaus Interesse an einer Neugestaltung der Bildungslandschaft im aufklärerischen Sinn. In einer Zeit, als Berlin zu einer der vitalsten Städte Europas mit regem Geistes- und Gesellschaftsleben avancierte, standen damit auch in der zweitgrößten Stadt Preußens an der Weichsel die Zeichen für ein kulturelles Wiederaufblühen im Kleinen keineswegs schlecht.
Kultur und Bildung im Schatten des schwarzen Adlers
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Das wohl nachhaltigste Resultat dieser Entwicklung war die im Jahr 1800 ins Leben gerufene Warschauer Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften (poln. Towarzystwo Przyjaciół Nauk, franz. auch Société Littéraire). Sie zählte namhafte polnische Aufklärer wie den Bischof Jan Chrzciciel Albertrandi, den Publizisten Stanisław Staszic oder den späteren Rektor der Universität
Vilnius
deu. Wilna, rus. Вильнюс, rus. Wilnjus, yid. ווילנע, yid. Wilne, bel. Вільня, bel. Wilnja, pol. Wilno

Vilnius ist die Hauptstadt und bevölkerungsreichste Stadt Litauens. Sie liegt im südöstlichen Teil des Landes an der Mündung der namengebenden Vilnia (auch Vilnelė) in die Neris. Wahrscheinlich bereits in der Steinzeit besiedelt, datiert die erste schriftliche Erwähnung auf 1323; Magdeburger Stadtrecht erhielt Vilnius 1387. Von 1569 bis 1795 war Vilnius Hauptstadt des litauischen Großfürstentums in der polnisch-litauischen Adelsrepublik. Mit der dritten Teilung von Polen-Litauen verlor sie im Russischen Zarenreich diese Funktion. Erst durch die Gründung der Ersten Litauischen Republik 1918 wurde Vilnius kurzzeitig erneut Hauptstadt. Zwischen 1922 und 1940 gehörte Vilnius zur Republik Polen, weshalb Kaunas zur Hauptstadt Litauens ausgebaut wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg war Vilnius bis zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit Litauens 1990 Hauptstadt der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik.

Bereits im Mittelalter galt Vilnius als Zentrum der Toleranz. Insbesondere Juden fanden in Vilnius Zuflucht vor Verfolgung, so dass sich Vilnius bald als "Jerusalem des Nordens" einen Namen machte. Nicht zuletzt mit dem Goan von Wilna, Elijah Ben Salomon Salman (1720-1797), war Vilnius eines der bedeutendsten Zentren jüdischer Bildung und Kultur. Bis zur Jahrhundertwende war die größte Bevölkerungsgruppe die jüdische, während laut der ersten Volkszählung im russischen Zarenreich 1897 lediglich 2% der litauischen Bevölkerungsgruppe angehörten. Ab dem 16. Jahrhundert entstanden zahlreiche barocke Kirchen, die der Stadt auch den Beinamen "Rom des Ostens" eintrugen und die bis heute das Stadtbild prägen, während die zahlreichen Synagogen der Stadt im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Zwischen 1941 und 1944 unterstand die Stadt dem sog. Reichskommissariat Ostland. In dieser Zeit wurde fast die gesamte jüdische Bevölkerung ermordet, nur wenige konnten fliehen.

Auch heute noch zeugt die Stadt von einer "phantastische[n] Verschmelzung von Sprachen, Religionen und nationalen Traditionen" (Tomas Venclova) und pflegt ihre vielkulturelle Geschichte und Gegenwart.

Jan Śniadecki zu ihren Gründungsmitgliedern, die sich unter anderem mit geschichts-, sprach- und literaturwissenschaftlichen Fragen befassten und eine antiquarische Vergangenheits- und Kulturpflege betrieben.12  Schon bald vereinigte die Gesellschaft die wichtigsten Intellektuellen der Zeit und erweiterte ihren Kreis in den Folgejahren um zahlreiche auswärtige Mitglieder, darunter niemand geringerer als Johann Wolfgang von Goethe. Nach anfänglicher Skepsis vor allem seitens des Militärs genehmigten die Behörden im Sommer 1802 offiziell ihre Gründung, stünde ein Verbot doch nicht im Einklang mit der politischen Praxis in den alten preußischen Provinzen und würde bloß „Furcht verrathen“ und „Erbitterung hervorbringen“.13  Der südpreußische Provinzialminister von Voß war durchaus bereit, den neuen Untertanen das Andenken an die polnische Vergangenheit zuzugestehen, wenn dadurch Kultur und Wissenschaften in „seiner“ Provinz gefördert wurden.
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Trotz dieser pragmatischen, um Ausgleich bemühten Haltung gestaltete sich das Zusammenleben alter und neuer Einwohner Warschaus nicht immer harmonisch und glich oft eher einem Nebeneinander unterschiedlicher Lebenswelten. Davon zeugt beispielsweise das Scheitern der Initiative des berühmten Theaterdirektors Wojciech Bogusławski zur Einrichtung eines deutsch-polnischen Theaters mangels zu geringen Publikumsinteresses. In anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ließ sich hingegen durchaus eine polnisch-preußische Annäherung beobachten: So blühte die neuerrichtete Musikalische Gesellschaft auch durch das Engagement des jungen E. T. A. Hoffmann, der seit 1804 als Beamter in der Stadt war, regelrecht auf.14  Da die preußische Administration bei ihren Reformmaßnahmen weniger auf Verbote als auf einzelne Vorzeigeprojekte setzte, kam es auch in der Bildungslandschaft zu einer charakteristischen Koexistenz „staatlicher“ und privater Institutionen. Laut einem Schreiben der Warschauer Kammer Warschauer Kammer Warschau war wie Posen und Kalisch Sitz einer der drei südpreußischen Kriegs- und Domänenkammern. Als oberster Verwaltungsbehörde auf Provinzebene unterstand ihr unter anderem das katholische Schulwesen, das im Gegensatz zum protestantischen nicht zentral von Berlin aus koordiniert wurde. aus dem Jahr 1803 gab es in der Stadt neben verschiedenen kirchlichen Einrichtungen nicht weniger als 80 private Erziehungsinstitute für beide Geschlechter,15  wobei der für das Schulwesen zuständige Beamte Carl Friedrich Fischer deren Tendenz kritisierte, „die leichte und gefällige französische Cultur den jungen Polen einzuimpfen um sie desto angenehmer für das gesellschaftliche Leben zu machen“.16
Das Königliche Lyzeum als Spiegelbild der Warschauer Gesellschaft
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Ein Mann, der wie kaum ein anderer die Allianz zwischen den kulturellen Bemühungen polnischer Intellektueller und den Initiativen der Behörden verkörperte, war Samuel Gottlieb Linde (poln. Samuel Bogumił Linde). 1771 in
Toruń
deu. Thorn

Toruń ist eine polnische Groß- und Universitätsstadt mit fast 200.000 Einwohner:innen und neben Bydgoszcz (deutsch Bromberg) eine der zwei Hauptstädte der polnischen Woiwodschaft Kujawien-Pommern (poln. województwo kujawsko-pomorskie).

Toruń liegt in der historischen Landschaft des Kulmerlands. Gegründet im Hochmittelalter unter dem Deutschen Orden trat die Stadt im 14. Jahrhundert der Hanse bei. Im 15. Jahrhundert fiel die Stadt wie das weitere Kulmerland, Pommerellen oder auch das Ermland an das Königreich Polen. Im Zuge der ersten Teilung Polen-Litauens 1772 kam Toruń zu Brandenburg-Preußen und war bis ins 20. Jahrhundert Teil der preußischen Provinz Westpreußen.

Nikolaus Kopernikus (1473-1543, eig. Niklas Koppernigk) wurde hier geboren.

in eine deutschsprachige protestantische Familie geboren, entzieht er sich wie viele seiner Zeitgenossen einer modernen nationalen Einordnung als „deutsch“ oder „polnisch“. Im Winter des Jahres 1803 betrat Linde zum zweiten Mal in seinem Leben Warschau: Bereits im Frühjahr 1794 war er von Leipzig aus in die polnische Hauptstadt gereist, um an seinem Projekt eines polnischen Wörterbuches polnischen Wörterbuches Das Lebenswerk Samuel Gottlieb Lindes war das umfassende Wörterbuch der polnischen Sprache (poln. Słownik języka polskiego), das in fünf Bänden zwischen 1807 und 1814 in Warschau publiziert wurde.   zu arbeiten, hatte die Stadt aber nach der Niederlage der Aufständischen im Herbst wieder verlassen und in den Folgejahren in Wien bei dem Mäzen Józef Maksymilian Ossoliński seine Arbeit fortgesetzt.17  Nun, fast zehn Jahre später, kam Linde zurück, diesmal jedoch als Rektor einer modernen Vorzeigebildungsanstalt. Die preußische Verwaltung bemühte sich damals um eine Reform der höheren Schulen: Die Piaristen- und ehemaligen Jesuitenschulen wurden einer stärkeren Kontrolle unterworfen und sollten zu preußischen Gymnasien umfunktioniert werden, was in Warschau nicht den gewünschten Erfolg zeitigte. Unter dem umtriebigen Kammerrat Fischer, der regelmäßig in Konflikt mit seinen Vorgesetzten geriet, entstand schließlich das Königliche Lyzeum, das im Sächsischen Palais Sächsischen Palais Ursprünglich im 17. Jahrhundert errichtet und mehrmals umgebaut, diente das Sächsische Palais den Königen August II. und August III. aus der Dynastie der Wettiner bis 1763 als Residenz. Ende 1944 fiel es der Zerstörung Warschaus zum Opfer. untergebracht war und fortschrittliche pädagogische Ansätze mit einer Ausbildung für das praktische Leben kombinierte.18
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Unter der Leitung Lindes, der als Mitglied der Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften in Warschau bestens vernetzt war, blühte das Lyzeum rasch auf. Bereits im ersten Jahr des Lehrbetriebs hatte es rund 300 deutsch- und polnischsprachige Schüler,19  wobei der Unterricht auf Mehrsprachigkeit abzielte. Nicht nur die Zusammensetzung der Schüler war damit ein Spiegelbild der damaligen Warschauer Gesellschaft, sondern auch die große Zahl an Lehrgegenständen: Unterrichtet wurden etwa lebende und klassische Fremdsprachen, Geographie und Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften.20  Damit wurde der durch wachsende Differenzierung und Spezialisierung geprägte gesellschaftliche Wandel der Zeit unmittelbar in das Klassenzimmer hineinprojiziert. Bei der feierlichen Eröffnung des Lyzeums, die am 2. Januar 1805 im Sommersaal des Sächsischen Palais stattfand, rühmte Stanisław Kostka Potocki die Schulgründung denn auch als Wohltat „für die gute Erziehung der Jugend, die Ausbreitung des Lichts, der Wissenschaft und der Vernunft“21  – allerdings nicht ohne den rhetorisch geschickten Verweis auf die Vorarbeit der polnischen Kommission für nationale Bildung Kommission für nationale Bildung Die Komisja Edukacji Narodowej entstand 1773 nach der Auflösung des Jesuitenordens. Mit dessen Kapital ausgestattet, begann sie umfangreiche Reformen wie die Vereinheitlichung des Schulsystems, die Produktion einheitlicher Lehrbücher und die Steigerung der Attraktivität des Lehrberufs. in den 1770er und 1780er Jahren. Tatsächlich waren die meisten Mitglieder der Schulaufsicht, unter ihnen auch Potocki selbst, bereits in der früheren Schul- und Erziehungskommission als Bildungsreformer tätig gewesen. Das Warschauer Lyzeum bündelte damit in gewisser Weise preußische und polnische Reformbestrebungen.
Umbruch und Kontinuität
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Als am 27. November 1806 die ersten französischen Soldaten in Warschau einrückten und von der jubelnden Menge mit Blumen empfangen wurden, war klar, dass nach einem knappen Jahrzehnt preußischer Herrschaft erneut ein politischer Umbruch bevorstand.22  Die preußischen Militärs und die meisten Beamten flohen aus der Stadt, einige wenige setzten ihre Arbeit aber unter der neuen Herrschaft fort. Unter Napoleons Oberhoheit wurde der Großteil des preußischen Teilungsgebietes nun zum Herzogtum Warschau Herzogtum Warschau Das Herzogtum Warschau entstand 1806/07 unter französischer Protektion und wurde 1809 um einen großen Teil des österreichischen Teilungsgebietes erweitert. Nach der Niederlage der Grande Armée in Russland seit 1813 praktisch vollständig besetzt, existierte es offiziell noch bis 1815 fort. zusammengefasst, neue Institutionen wie die Kammer für öffentliche Bildung (poln. Izba Edukacji Publicznej) entstanden, in denen die Mitglieder der Lyzeumsaufsicht ihren Reformbestrebungen einen größeren Rahmen geben konnten. Die Entwicklungen der preußischen Zeit warfen dabei durchaus einen langen Schatten: So wären die in den Folgejahren eingeleiteten Schritte hin zur Gründung einer Universität in Warschau, die 1818 schließlich ihren Betrieb aufnahm, ohne das Personal des Lyzeums kaum möglich gewesen, und viele der neuen Wissenschaftler waren wie der Geschichtsprofessor Feliks Bentkowski an preußischen Institutionen ausgebildet worden.23  Auch die meisten kulturellen Einrichtungen des preußischen Warschau erwiesen sich in einer politisch turbulenten Zeit als erstaunlich stabil: Die Musikalische Gesellschaft bestand noch bis 1818 fort, die Wissenschaftsgesellschaft sogar bis 1831. Dass vor allem das Lyzeum an dieser kulturellen Blüte einen erheblichen Anteil hatte, zeigt sich schon an seinen Absolventen: Einer der bekanntesten Schüler, der schon bald zu Weltruhm gelangen sollte, war der junge Frédéric Chopin.

Siehe auch