Die jüdische Migration aus der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg (und auch nach deren Auflösung) ist eine der größten in der modernen Geschichte. Insgesamt 2,75 Millionen sowjetische Juden verließen die UdSSR in Richtung Israel, Vereinigte Staaten, Deutschland und anderswo. Die Haltung des sowjetischen Staates gegenüber der Auswanderung war bemerkenswert ambivalent: In einigen Fällen wurde sie erlaubt und sogar gefördert, in anderen wiederum wurde sie kontrolliert und stark eingeschränkt. Die jüdische Auswanderungsbewegung, die in den späten 1960er Jahren entstand und in den 1970er bis 1980er Jahren anhielt, wurde zu einem Beispiel für Widerstand und Aktivismus innerhalb des autoritären Systems, das zunehmend internationale Aufmerksamkeit erregte. Auf die eine oder andere Weise beeinflusste sie das Leben von Hunderttausenden von Menschen und veränderte das Erscheinungsbild vieler Städte und Gemeinden innerhalb und außerhalb der Sowjetunion.
Einleitung
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Die frühe sowjetische Geschichte war geprägt von Massendeportationen, Umsiedlungen und Flüchtlingen. 
 
Bereits 1928 unternahm die sowjetische Regierung einen Versuch, sowjetische Juden in Birobidschan anzusiedeln, einer neu geschaffenen Siedlung etwa 150 Kilometer von der sowjetisch-chinesischen Grenze entfernt, die 1934 den Status eines autonomen Jüdischen Gebiets erhielt. Doch sowohl schwierige Umweltbedingungen als auch ideologische Hürden verhinderten die vollständige Umsetzung dieses Plans: Die Einwanderung in Birobidschan fand nie in großem Umfang statt, und die jüdische Bevölkerung überstieg nie die Zahl von 17,5 Tausend Menschen. Der Traum von einer jüdischen Republik innerhalb der 
Sowjetunion
eng. Soviet Union, rus. Sovetskiy Soyuz, rus. Советский Союз

Die Sowjetunion (SU oder UdSSR, Russisch: Союз Советских Социалистических Республик (СССР) war ein von 1922 bis 1991 bestehender Staat in Osteuropa, Zentral- und Nordasien. Die UdSSR wurde von ungefähr 290 Millionen Menschen bewohnt und bildete mit ca. 22,5 Millionen Quadratkilometern den größten Flächenstaat der Welt. Die Sowjetunion war eine sozialistische Räterepublik mit einem Einparteiensystem.

 ging also nicht in Erfüllung.
 
Stalins Säuberungen und der Zweite Weltkrieg kosteten mehr als 30 Millionen Sowjetbürger das Leben. Mehr als zwei Millionen sowjetische Juden kamen im Holocaust um. Nach dem Krieg mussten Hunderttausende Menschen fliehen, einige ganze Völker wie Tschetschenen und Krimtataren wurden zwangsumgesiedelt.
Viele sowjetische Juden, denen die rechtzeitige Evakuierung gelungen war und die überlebt hatten, kehrten nie an ihre Geburts- und Jugendorte zurück, die größtenteils auf dem Gebiet der sowjetischen 
Ukraine
ukr. Ukrajina, eng. Ukraine

Die Ukraine ist ein von ungefähr 42 Millionen Menschen bewohntes Land im östlichen Europa. Kiew ist die Hauptstadt und zugleich größte Stadt der Ukraine. Das Land ist seit 1991 unabhängig. Der Dnieper ist der längste Fluss der Ukraine.

 und 
Belarus
bel. Belarus', rus. Белоруссия, deu. Weißrussland, bel. Беларусь, eng. Belarus

Belarus ist ein von ungefähr 9,5 Millionen Menschen bewohnter Staat im östlichen Europa. Die Hauptstadt und bevölkerungsreichste Stadt des Landes ist Minsk. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist der Staat unabhängig. Belarus grenzt an die Ukraine, Polen, Litauen, Lettland und Russland.

 lagen. Nach dem Krieg siedelten sie sich in den Großstädten an, insbesondere in 
Moskwa
eng. Moscow, deu. Moskau, rus. Москва́

Moskau (russisch Москва́) ist die Hauptstadt Russlands und zugleich größte Stadt des Landes. Mit ungefähr 12,5 Millionen Einwohnern ist Moskau die größte Stadt des europäischen Kontinents.

 und 
Sankt-Peterburg
rus. Leningrad, deu. Sankt Petersburg, eng. Saint Petersburg, rus. Ленингра́д, rus. Петрогра́д, rus. Petrograd

Sankt Petersburg ist eine Metropole im Nordosten Russlands. In der Stadt wohnen 5,3 Millionen Menschen, was sie nach Moskau zur zweitgrößten des Landes macht. Sie liegt an der Mündung der Newa (Neva) in die Ostsee im Föderationskreis Nordwestrussland. Sankt Petersburg wurde 1703 von Peter dem Großen gegründet und war von 1712 bis 1918 die Hauptstadt Russlands. Von 1914–1924 trug die Stadt den Namen Petrograd, von 1924–1991 den Namen Leningrad.

 (heute: Sankt Petersburg), die über eine wachsende industrielle, wissenschaftliche und schulische Infrastruktur verfügten. 
Infolgedessen wurde die Mehrheit der sowjetischen Juden stark in die sowjetische Gesellschaft integriert und sprach Russisch als Sprache der Alltagskommunikation. Die Ausrufung des Staates Israel im Mai 1948 und der Beginn der staatlichen antisemitischen Kampagne in den folgenden Jahren weckten bei den sowjetischen Juden jedoch den Gedanken an eine Auswanderung.
Das Jahr 1967
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Erst das Ende des 2. Weltkriegs und Stalins Tod im Jahr 1953 ermöglichten eine erste Welle freiwilliger Migration. Trotzdem dauerte es noch 15 weitere Jahre bis die Migrationsprozesse größere Ausmaße erreichten, um später, nach dem Zerfall der Sowjetunion, nochmals stark anzusteigen. Die Auswanderung der sowjetischen Juden war eine der stärksten Strömungen in dieser Bewegung. Angesichts von Diskriminierung, freiheitlichen und ökonomischen Beschränkungen in dem Land wo sie geboren und aufgewachsen waren, entschieden sich viele Juden für Israel  das sie als ihr historisches Vaterland ansahen. Das Thema der Jüdischen Emigration war eng mit der sowjetischen Innen- wie Außenpolitik verflochten. Auf die eine oder andere Art und Weise betraf es das Leben von hunderttausenden Menschen und veränderte das Gesicht vieler Städte innerhalb und außerhalb der Sowjetunion.
Der arabisch-israelische Sechstagekrieg im Juni 1967 war ein Auslöser, der die Beziehungen zwischen der UdSSR und Israel ernsthaft verschlechterte. In der Sowjetunion erschien in den Medien eine Flut von Berichten, die die „aggressive, militante Politik Israels“ verurteilten und damit die anti-israelische Stimmung in der Bevölkerung nährten. Auch wenn sie nicht direkt antisemitisch waren, relativierten sie die Identifikation der so zurückgewiesenen sowjetischen Juden mit ihrem Land und erschwerten ihre ohnehin schwierige Lage in der UdSSR. Gleichzeitig verstärkte der israelische Sieg den Zionismus wie auch die patriotischen Gefühle der jüdischen Bevölkerung, und nährte in Folge die Sehnsucht nach Israel als ferne, aber aufstrebende Heimat. 
Darüber hinaus löschte 1968 die Intervention des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei mit der Niederschlagung des Prager Frühlings alle Hoffnungen für einen reformierten Sozialismus im Ostblock aus. Zuletzt bereitete in der Sowjetunion selbst Chruschtschows Liberalisierung – wenngleich bruchstückhaft und inkonsequent – den Weg für Brezhnevs Reaktion. All diese Ereignisse waren Auslöser für die Auswanderung sowjetischer Juden.
Der Ingenieur und spätere jüdische Auswanderer Ernst Levin hielt diese Atmosphäre von Unsicherheit und Verzweiflung in seinen Memoiren fest:
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Wir haben damals [1967] gemerkt, dass wir in einem fremden Land lebten, selbst wenn unsere russischen demokratisch orientierten Freunde ähnlich aufgebracht waren. Dasselbe passierte im nächsten Jahr, als sowjetische Panzer den Prager Frühling niedergeschlagen hatten. [...] Und wir sagten zu unseren Freunden: ‚Das ist euer Vaterland, Leute, ihr müsst für Demokratie kämpfen; für uns Juden gibt es hier nichts zu tun.‘ Es schien, als könnten wir die sowjetische Luft nicht mehr atmen.1

Die sowjetische Migrationspolitik in den Jahren 1967-1987
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Während der Nachkriegszeit und bis 1987 unterlag die sowjetische Auswanderungspolitik deutlichen Schwankungen. Offiziell begannen die Visums- und Meldeämter (OVIRs) im Dezember 1968 Ausreiseanträge anzunehmen, doch entfaltete sich der Antragsprozess in verschiedenen Teilen der Sowjetunion unterschiedlich. Seine Intensität variierte auch in den folgenden Jahren stark. Es ist bekannt, dass Ausreisevisa in manchen Regionen – etwa dem sowjetischen 
Georgien
eng. Georgia, rus. Грузия, rus. Grusija, kat. საქართველო, kat. Sakartwelo

Georgien ist eine Republik im Südkaukasus. Das Land wird von 3,7 Millionen Menschen bewohnt und liegt an der Grenze zwischen dem östlichen Europa und dem westlichen Asien. Hauptstadt Georgiens ist Tiflis (Tbilissi). Das Land liegt am östlichen Ende des Schwarzen Meeres und grenzt neben Russland auch an die Türkei, Aserbaidschan und Armenien. Georgien ist seit dem Fall der Sowjetunion ein unabhängiger Staat.

 oder den baltischen Staaten – etwas leichter zu bekommen waren. Allerdings bleibt die Frage offen, wie die Prozesse der Entscheidung, Beantragung, und Protestaktivitäten sich in Zentren und Peripherien der Sowjetunion unterschieden.
Zwischen 1968 und 1973 erlaubten sowjetische Behörden die Ausreise von pro-zionistischen und religiösen Gruppen von Juden, während sie versuchten alle anderen vom Ausreisen abzuhalten. Der Zeit der Massenauswanderungen 1974–1979 folgte eine Phase der wiederholenden Restriktionen von Seiten der Behörden in den Jahren 1983–1984. Gleichzeitig unternahm die Kommunistische Partei (KPdSU) einen erneuten Versuch, die Loyalität der verbliebenen Juden zu stärken und sie auf die „antizionistische“ Linie der Regierung einzuschwören. Am 19. März 1983 verabschiedete das Zentralkomitee der KPdSU die Resolution zur Gründung des Antizionistischen Komitees der Sowjetischen Öffentlichkeit (Antisionistskii Komitet Sovetskoi Obshchestvennosti). Die Organisation, die offiziell eine freiwillige Körperschaft war, vereinte bekannte jüdische Personen des öffentlichen Lebens. Der Held des Zweiten Weltkriegs General David Abramowitsch Dragunskij (1910–1992) wurde sein Leiter. Das Antizionistische Komitee hatte das Ziel gegen „die Ideologie und politische Praxis des Zionismus“ zu kämpfen und sozialen Fortschritt und Frieden auf der ganzen Welt zu fördern.2
Kultureller und politischer Aktivismus
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Doch trotz der Bemühungen der sowjetischen Stellen hielt die Auswanderung an, und mehr noch, sie nahm mit der Entspannung der politischen Situation deutlich zu. Von Michail Gorbatschows Perestroika und besonders seit den Jahren 1987/1988 nahm der jüdische Exodus aus der UdSSR massive Ausmaße an.
Die Auswanderungsbewegung eröffnete nicht nur die Möglichkeit, sich in Israel anzusiedeln. Gleichermaßen löste sie auch eine Konsolidierung der jüdischen Gemeinschaft und der Protestbewegung in der UdSSR aus. Es gab einen jüdischen Samizdat (unzensierte, selbst publizierte Literatur) und inoffiziellen Hebräischunterricht. Traditionelle jüdische Feiertage wurden von den lokalen Gemeinden wiederbelebt. Wichtig ist auch, dass die Auswanderungsbewegung das Gedenken an den Holocaust wieder in Erinnerung rief, das in der offiziellen sowjetischen Ideologie unterdrückt und unter der generellen Vorstellung vom „Leiden des sowjetischen Volkes“ subsummiert und verborgen wurde.
Auch der politische Protest unter sowjetischen Juden gewann an Boden. Er war eng mit der Entfaltung der Dissidenz- und Menschenrechtsbewegung in der UdSSR verbunden.
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Die Frage der jüdischen Auswanderung zog sowohl innerhalb sowjetischer demokratischer Kreise als auch außerhalb der Sowjetunion beständig Aufmerksamkeit auf sich. Besonders spiegelte sich das in der wichtigsten sowjetischen Samizdat-Zeitschrift Khronika tekushchikh sobytii (KhTS, Chronik der aktuellen Ereignisse), die regelmäßig über das „Streben der Juden, nach Israel zu ziehen“ berichtete.
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In den 1970er–1980er Jahren und bis in die frühen 1990er wurden die Beschränkungen der jüdischen Auswanderung aus der UdSSR in der Öffentlichkeit und von Menschenrechtsorganisationen im Westen viel diskutiert. Auch setzte parallel eine wissenschaftliche Debatte ein. Medien wie Soviet Jewish Affairs (1971–1991), die Berichte des Soviet Jewry Research Bureau of the National Conference on Soviet Jewry oder der Rechercheabteilungen von Radio Free Europe / Radio Liberty beobachteten die Veränderungen der sowjetischen Emigrationspolitik möglich und die Entwicklungen der jüdischen Bewegung in der UdSSR genau. Die meisten dieser Studien und Berichte beschäftigten sich eingehend mit dem Thema, enthielten wertvolle aktuelle Beobachtungen und umfassende statistische Daten. Doch im Verlauf des Kalten Krieges waren sie oft ideologisch aufgeladen und es mangelte ihnen an Objektivität.
Trotzdem war die öffentliche Aufmerksamkeit inner- und außerhalb der Sowjetunion einer der Hauptfaktoren, die die jüdischen Auswanderungszahlen in die Höhe trieben und halfen, denen Gehör zu verschaffen, die auswandern wollten, aber nicht durften.
Refuseniks
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Während der gesamten Zeit gab es eine substantielle Anzahl an Menschen mit dem Wunsch auszuwandern, deren Anträge auf Ausreisevisa abgelehnt wurden. Sie mussten für weitere Jahre oder sogar Jahrzehnte in der Sowjetunion bleiben. Viele von ihnen verloren ihre Jobs oder mussten Positionen weit unter ihrer Qualifikation annehmen. Manche wurden aus Universitäten vertrieben, die meisten sahen sich sozialem Abstieg und Denunziationen ausgesetzt. Auch Fälle von behördlicher und strafrechtlicher Verfolgung waren häufig.
Diese Menschen nannte man umgangssprachlich Refuseniks (Russisch otkaznik, Hebräisch mesorav). Nach einiger Zeit etablierte sich dieser Begriff auch in der Wissenschaft. Oft wurde die Ablehnung durch formelle Gründe erklärt: mit dem Besitz geheimer oder strategischer Informationen, die an die gegnerische Seite weitergegeben werden könnten; die Gefahr, Staatsgeheimnisse zu verraten oder die Interessen des Staates zu unterminieren. Manchmal wurde der Ausreisegrund (in den meisten Fällen eine Familienzusammenführung) als nicht überzeugend genug angesehen. Tatsächlich hing vieles von der aktuellen politischen Situation und der Willkür der lokalen Verwaltung ab.
Die Geschichte des Buchillustrators und Bühnengestalters Cfania-Gedalia Kipnis (1905–1982) kann als Beispiel dienen. Kipnis war einer derer, die die Blüte der jiddischsprachigen jüdischen Kultur im sowjetischen Belarus der 1920er und teils 1930er Jahre miterlebt hatten. Er überlebte den Krieg, in dem er als Infanteriehauptmann in der sowjetischen Armee gedient hatte. Nach seiner Wiederkehr nach
Minsk
eng. Minsk, rus. Minsk

Minsk ist heute die Hauptstadt der Republik Belarus. Seine Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1067.
Im Laufe der Jahrhunderte gehörte Minsk zum Fürstentum Polock, den Großfürstentümern Kiew und Litauen, zum vereinigten Polen-Litauen, dem Russländischen Reich, der Weißrussischen Volksrepublik (kurzzeitig Litauisch-Weißrussische SSR), zu der zu Sowjetunion gehörigen Belorussischen Sozialistischen Sowjetrepublik und schließlich zu Belarus. Die multikulturelle Stadt, in der neben Juden, Polen, Russen und Belarusen zu jeder Zeit auch weitere Minderheiten lebten, litt immer wieder unter durchziehenden Armeen und Kriegsfolgen, etwa im Russisch-Polnischen Krieg (1654–1667), im Großen Nordischen Krieg (1700–1721), unter Napoleon und im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Unter deutscher Besatzung wurde in Minsk 1941 das größte Ghetto in der besetzten Volksrepublik eingerichtet. In der Nähe der Stadt befand sich das Vernichtungslager Maly Trostinez. Zugleich waren die umliegenden Wälder ein Zentrum des Widerstands. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Stadt im sozialistischen Stil wiederaufgebaut und dabei auch Wohnraum für eine aufgrund von Industrialisierung und Urbanisierung rasant ansteigende Bevölkerung geschaffen.

1949 war er aktiver Herausgeber jüdischer Samizdat und Multiplikator der jüdischen Kultur und jiddischen Sprache im Untergrund. Seit der Gründung des Staates Israel hegte Kipnis die Hoffnung auszuwandern. 1972 beantragte er ein Ausreisevisum und erhielt überraschend einfach die Erlaubnis, die Sowjetunion zu verlassen. 
Doch am 29. November 1972, wurde er in einem Zug nach 
Wien
eng. Vienna

Wien ist die Bundeshauptstadt und politisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Österreichs. Allein im Stadtgebiet leben rund 1,9 Millionen Einwohner:innen und damit ein Fünftel der Landesbevölkerung, im Großraum insgesamt sogar ein Drittel aller Österreicher:innen. Historisch bedeutend ist Wien insbesondere als Hauptstadt und mit Abstand wichtigste Residenzstadt der ehemaligen Habsburgermonarchie.

 vom Geheimdienst angehalten, zurück nach Minsk gebracht und festgenommen. Dem 67-jährigen Kipnis wurde unter anderem die Gründung und Führung einer zionistischen anti-sowjetischen Organisation vorgeworfen, illegales Unterrichten, Samizdat-Produktion wie auch die Verbreitung von „jüdisch-burgeoisem Nationalismus“. 
Es gibt keine eindeutigen Beweise, warum er im Mai des folgenden Jahres letztlich freigelassen wurde und kurz darauf auswandern durfte. Eine der wahrscheinlichsten Erklärungen ist jedoch die öffentliche Aufmerksamkeit, die Kipnis‘ Freunde für seinen Fall in Israel und den USA erregen konnten. Der Blick der Öffentlichkeit zwang die sowjetischen Behörden schlussendlich den Fall zu schließen und alle Anschuldigungen fallen zu lassen.
Zielgebiete
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Das offizielle Zielgebiet derer, denen es gelang ein Ausreisevisum zu erhalten und die sowjetische Staatsangehörigkeit abzulegen, war in den meisten Fällen Israel. Später traten die sogenannten _Noshrim _(„Aussteiger") auf. Israel war für sie nur ein Transitpunkt auf dem Weg in die USA oder andere Länder, auch veränderten einige Auswanderer ihr Ziel während der Reise. In Wien oder Rom – die Transitstationen für die meisten der sowjetischen Migranten – angekommen, konnte man seine Reiseroute ändern. Nach unterschiedlichen Schätzungen änderten so in den ersten Jahren zwischen 3,8 und 6,8 Prozent der Auswanderer ihr Ziel. Ihre Zahl wuchs während der gesamten Zeit. In der in den 1970ern im Samizdat verfassten Broschüre “Kak uekhat’ v Izrail’” ("Wie man nach Israel auswandert") warnte der anonyme Herausgeber, die in der UdSSR verbliebenen vor der Entscheidung, das Ziel zu verändern. Er beschrieb er die Vorteile des Lebens in Israel, etwa die exzellente Gesundheitsversorgung, Pensionsbezüge und das intensive kulturelle Leben, auch in russischer Sprache. Außerdem würde die Entscheidung, das Ziel zu ändern, die Ausreise für andere potentielle Migranten erschweren.
Schluss
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Die jüdische Auswanderung hielt auch nach dem Zerfall der Sowjetunion an. Gemäß der letzten Volkszählung der gesamten Union, lebten im Jahr 1989 insgesamt 1,4 Millionen Juden auf dem Gebiet der UdSSR, die meisten in den Sowjetrepubliken 
Russland
eng. Russia, rus. Rossija, rus. Россия

Die Russische Föderation ist der größte Flächenstaat der Welt und wird von rund 145 Millionen Menschen bewohnt. Hauptstadt und größte Stadt ist Moskau mit ungefähr 11,5 Millionen Einwohner:innen, gefolgt von Sankt Petersburg mit mehr als 5,3 Millionen Einwohner:innen. Der deutlich überwiegende Teil der Bevölkerung lebt im europäischen Teil Russlands, der dichter besiedelt ist, als der asiatische.

Die Russische Föderation ist seit 1992 Nachfolgestaat der russischen Sowjetrepublik (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik, RSFSR), dem mit Abstand größten Teilstaat der ehemaligen Sowjetunion. Sie ist zugleich Rechtsnachfolger der Sowjetunion im Sinne des Völkerrechts.

, Ukraine und Belarus. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schrumpfte die jüdische Bevölkerung auf den Gebieten der ehemaligen Sowjetrepubliken auf etwa 200.000 Menschen. Viele Städte und Kleinstädte (Schtetlekh), die vor dem zweiten Weltkrieg überwiegend jüdisch gewesen waren, hatten ihren jüdischen Charakter jetzt fast verloren. 
Die Migration wirkte sich auch auf die Ankunftsländer aus und brachte nicht unbedingt die erwartete Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Migranten mit sich. In Israel macht die russischsprachige Bevölkerung etwa 17,25 Prozent aus. Ab 1991 konnten mehr als 200.000 ehemalige sowjetische Juden als so genannte "Kontingentflüchtlinge" nach Deutschland umgesiedelt werden. Viele dieser Migranten haben noch immer mit den Herausforderungen der Integration zu kämpfen und stoßen auf Einschränkungen im persönlichen Leben und in der beruflichen Verwirklichung. Heute, dreißig Jahre nach der Auflösung der UdSSR, gehört die jüdische Migration noch nicht der Vergangenheit an. Die Kenntnis ihrer besonderen Merkmale, aber auch ihrer Auswirkungen kann unser Verständnis der aktuellen globalen Migrationsprozesse verbessern.

Siehe auch